Kein Minus ist schon ein Plus

Die IG Freie Theater ging mit ihrer neuen Richtgagen-Broschüre auf Herbsttournee und lud unter dem Titel „professionell prekär?“ zu Gesprächen und Diskussionen. In Linz trafen sich Vertreter­Innen der freien Szene mit Theaterleitenden und VerwaltungsbeamtInnen in den Räumen von Red Sapata.

1500,– Euro Mindestgage kann der Posthof, Ober­ös­terreichs größtes Gastspielhaus, für eine Tanz­the­ater-Uraufführung bezahlen. Ganz gleich, ob zwei oder acht KünstlerInnen daran gearbeitet ha­ben. Da die meisten regionalen Urauffüh­run­gen nur ein Mal gezeigt werden und das Interesse des Publikums an freien Tanz-Produktionen zwar kon­tinuierlich aufgebaut wurde, aber keine kommerziell relevanten Höhen erreicht, bleibt es meist bei der „kleinen Aufwandsentschädigung, die nicht an­nähernd an realistische Produktionskosten heranreicht“, wie Posthofleiter Wilfried Steiner am Po­dium der IG Freie Theater sagt. Und es soll vorkommen, dass Theaterkünstler keine öffentliche Förderung bekämen, mit der Begründung, „sie wür­den ja ohnehin im Posthof spielen“. Zugleich be­deu­tet freies Theaterschaffen, dass alle Arbeits­schritte bei wenigen Personen zusammenlaufen. Von der Idee über die Recherchen bis zur Auffüh­rung stecke oft ein gutes Jahr Arbeit in einer The­aterproduktion, erzählt Regisseur und Schau­spie­ler Markus Zeindlinger. Da bleibt vielen nichts üb­rig, als nebenbei Kellnern zu gehen, und auch dann bleibt nichts übrig am Monatsende. „Ein sehr strapaziöser Lifestyle“, formuliert Tänzerin und spotsZ-Herausgeberin Tanja Brandmayr.

Um auf die österreichweit prekäre Situation der freien Theaterschaffenden aufmerksam zu ma­chen und über gesetzliche Perspektiven zu informieren, ging die IG Freie Theater auf Tournee durch die Bundesländer. In Oberösterreich wurde zu In­formationsgespräch, Kaffee und Podiumsdis­kus­si­­on in die Räume der engagierten Linzer Tanz- und Kulturinitiative Red Sapata eingeladen. Drei wich­tige pragmatische Neuerungen hatte IG-Ge­schäfts­führerin Sabine Kock zur Präsentation mit­ge­bracht: Ein Gesetz, das die Verbindung selbständiger und freier Arbeit erleichtern soll. Zwei­tens, eine Novelle des Schauspielergesetzes, durch die Arbeits- und Ruhezeiten an internationale Stan­dards angepasst werden. Und drittens eine im Ok­tober veröffentlichte Broschüre, die Richtgagen für freie Bühnenschaffende auflistet, als Orien­tie­rungshilfe für Verhandlungen und Förderungen dienen soll und durch die Erhöhung der freien Gehälter die Anstellungspraxis forcieren will. Ob­wohl die darin vorgeschlagenen Gagen an der un­teren Grenze für professionelle freischaffende Tä­tigkeiten angesetzt sind, liegen sie deutlich über oberösterreichischen Realität.

„Wir wissen, dass wir eigentlich zu wenig Geld ge­ben können. Es wird von der freien Szene viel er­wartet. Man wünscht sich Impulse für Insti­tuti­o­nen, Experimente und Innovationen. Das ist fast nicht möglich, da die freien Gruppen noch mehr als die institutionalisierten auf Einnahmen angewiesen sind,“ bringt der Linzer Kulturdirektor Ju­lius Stieber die Situation auf den Punkt. Wäh­rend des Kulturhauptstadtjahres hätte er in die Budgets internationaler Produktionen Einblick be­kommen, von Theatergruppen aus den Benelux-Staaten, Deutschland, Skandinavien. Da seien die Gagen teilweise doppelt so hoch wie im Kultur­land Österreich. Selbstverständlich hätte das eine Auswirkung darauf, was auf der Bühne letztlich zu sehen ist. Aber eine Ausweitung findet nicht statt, für die meisten freien Theaterschaffenden stagniert seit Jahren der Verdienst. Renate Plöchl von der Landeskulturabteilung: „Es arbeiten 90 Prozent der freien Gruppen in Oberösterreich in­no­vativ. Das sollte in den Förderungen berücksichtigt werden. Aber ich habe nur bestimmte Sum­men, die ich so ausgewogen wie möglich, verteilen kann,“ so Plöchl, die durchaus für ihre Kreativität bei der Lukrierung zusätzlicher Mittel bekannt ist. Mehr ist nicht da. Schon gar nicht im Jahr nach der Wirtschaftskrise und dem Kulturhaupt­stadt­jahr. „Kein Minus ist schon ein Plus,“ so Stieber.

„Stadt und Land sind sehr stark in der Eigen­ver­an­stalterrolle,“ bezeichnet Regisseurin und Schau­spielerin Claudia Seigmann eine Besonderheit der oberösterreichischen Situation. Neben den angesprochenen Großveranstaltungen und den Insti­tu­tionen ist für die freie Szene wenig ideeller Platz. Die angesprochene Frage, ob das Prinzip der Gieß­kanne richtig oder falsch ist, erübrigt sich in Ober­österreich. Diese Metapher passt für Kom­mu­nen mit der kulturellen Dichte von Wien. In Linz hingegen ist die freie Szene derart überschaubar, dass es kaum möglich und sicher nicht produktiv wä­re, die Szene auszudünnen und Förderungen zu bündeln. Zumal man sich die Bruckner-Uni leistet und dem Nachwuchs auch eine Chance geben muss. Ein wichtiger Schritt wäre es, da waren sich die Diskussionsteilnehmer einig, die großen Institutionen und Veranstaltungen für die freie Szene zu öffnen. Miteinander – bei entsprechenden Honoraren – zu kooperieren. Vielleicht mal die Klangwolke auszurichten. Vielleicht in den Kam­merspielen auftreten zu können. Vielleicht eine Landesausstellung zu bespielen.

Eine andere Hoffnungsträgerin sei das architekto­nische Juwel am unteren Donauufer, die Tabak­fa­brik. In den letzten Jahren hätte es zwei große In­vestitionen gegeben, wird OK-Chef Martin Sturm zitiert, den Bau des Musiktheaters und den Kauf der Tabakfabrik. So geschlossen die Trutzburg Mu­siktheater rein architektonisch wirke, so durch­läs­­sig und offen für die freie Kunst und Kultur könnte das 80.000 Quadratmeter große Werks­are­al werden. Die Aufforderung vom Podium: auf an Politiker kommunizieren, Lobbying betreiben und sich untereinander regelmäßig austauschen. Für die Tabakfabrik könnte es sogar mehr Geld geben. Ein Plus wäre auch ein schönes Plus.

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