Ähnliches oder was auch immer
Die „Gegenüberstellung“ ist natürlich nur eine aus der Sicht des Betrachters, der beide Ausstellungen besucht hat. Es ist nicht anzunehmen, dass die Maerz und der KunstRaum ihr Programm aufeinander abgestimmt haben oder gar so etwas wie Konkurrenz inszenieren wollten. Und so im Nachhinein betrachtet, war’s auch für den Besucher kein Gegenüberstehen der beiden Programme, vielmehr liefen beide Konzepte aufeinander zu.
Die Idee der Wasserfarbenbeherrschungsüberprüfungsaktion in der Maerz stammt von Christian Steinbacher und Peter Sommerauer und wollte „ausnahmsweise gar keine große Kunst sein“, wie vorsorglich im Begleittext zu lesen war, sondern einfach und unernst bleiben. Eingeladen waren nicht nur die malenden Mitglieder der Maerz, sondern alle Künstler, also auch jene, die sonst schreiben, musizieren oder bauen. Was passiert also, wenn Künstler, die sich normalerwiese in der Vorhut der Kunstgeschichte bewegen, mit Wasserfarben der österreichische Flagge (ausgerechnet der!) ihre Reminiszenz erweisen und damit unmittelbar an ihre ersten künstlerischen Gehversuche im Volksschulalter anknüpfen wollen/sollen/müssen/dürfen?
Der KunstRaum Goethestrasse, der bis dato mit traditioneller bildnerischer Kunst gar nicht viel am Hut hatte, wollte mit einer von Georg Ritter kuratierten Ausstellung auch jene Menschen in den Schauraum locken, die sonst nicht unbedingt zum Stammpublikum der Malerei gehören. Noch vor der Eröffnung wird das Publikum auf der Homepage des KunstRaums gefragt: Was ist das eigentlich, wenn also Farbe mit dem Pinsel (oder was auch immer) aufgetragen wird? Ein Aneinanderfügen? Ein Kreuz und Quer, Drunter und Drüber? Ein fließendes Ineinander, die ganze Farbpalette rauf und runter?
Eine mögliche Antwort auf die Fragen beider Ausstellungen liegt irgendwo in der Mitte zwischen grundsätzlicher Betrachtung der Malerei von unten und der von oben reminiszierenden Avantgarde. Zwischen diesem Oben und Unten gibt es nämlich vor allem einmal eines: Unglaublich viel zu schauen.
Zuerst aber bat Kurator Ritter im KunstRaum zum Tischgespräch, um mit den anwesenden KünstlerInnen Rhube, Kadlec und Bardach das „x“, die Unbekannte Größe der Aufgabenstellung „Mal_x“, zu umkreisen.
Kunst einerseits vor dem Hintergrund eines psychosozialen oder sozialkritischen Ansatzes zu sehen, wie sie im KunstRaum oft gezeigt wird, und andererseits präsentiert als Produkt einer für sich selbst stehenden künstlerischer Ambition – gibt es da Ähnlichkeiten, Verbindungen? In der Antwort Eva Kadlecs finden sich durchaus Überschneidungen. Für sie ist Malen ein kathartischer Prozess, ein Abarbeiten. Auch bei Bardach entstehen die Bildwelten aus einer Unzufriedenheit heraus. Erst die Fertigstellung eines Bildes schafft Glück. „Wenn ein Bild mehr als ein Versuch ist, dann ist es gelungen.“ plädiert Eva Kadlec für eine Absage an jede Art von Perfektionismus.
Für Thomas Rhube ist Farbe wie Essen. Farbe schafft subjektive Stimmungen und ist allgegenwärtig. Aber nicht die Wahrnehmung von Farbe, sondern der Farbe in ihrer Zusammensetzung aus Pigmenten und Bindemittel gilt seine Aufmerksamkeit. Daraus entstehen Schriftbilder, die mit gestischer Malerei nur mehr im Ansatz zu tun haben und von der Idee selbst geleitet sind. Die Farben reduzieren sich auf Schwarz und Weiß in Serie, „das ist neutral, nicht mehr individuell, keine Befindlichkeiten mehr.“ Malerei, die sich aus der Befangenheit der eigenen Person gelöst hat. „Einige Philosophen rechnen Weiß nicht zu den Farben, wir zählen sie aber trotzdem dazu.“, schrieb einst Leonardo da Vinci in „Die Probleme des Malers“. Auch Uwe Bardach schafft mit Weiß Größe. In seinen „mentalen Landschaften“ halten Figuren Leuchtkörper in den Händen oder sie leuchten selbst.
„Nicht sein körperlicher Umfang, sondern die Farbe Weiß macht den Wal mächtig.“ Thomas Rhube setzt nach: Reduktion heißt ja nicht nur wegnehmen, sondern etwas auf den Punkt bringen.
Wo Rhube die Malerei auf Schriftbilder minimiert, Bardach mit Leerstellen in den Bildern ein Leuchten schafft, schattiert Eva Kadlec alle möglichen Grade an Abstraktion: „I want more than I ever did before“ ist auf einem ihrer Bilder in schwarzen Buchstaben auf schwarzen Grund zu lesen.
Zurück zur Maerz: Dort ging es dieses Mal vergleichsweise lustig und ganz unehrgeizig zu. Wem die österreichische Nationalflagge in drei gleich breiten Streifen und in den Farben Rot-Weiß-Rot wichtig ist, der soll im Wappengesetz § 3 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 nachlesen. In der Künstlervereinigung Maerz konnte man sie in jenen Tagen zwar immer noch zweidimensional und als Anordnung von Farben, Flächen und Zeichen bewundern, aber wie von jeglicher staatstragenden Symbolhaftigkeit befreit. So schien sie endlich richtig zu flattern, jenseits aller Masten. Am Ende der Vernissage stellten sich alle anwesenden Mitglieder der Maerz in Reih und Glied zu einem Klassenfoto zusammen. Und unter all den österreichischen Flaggen im Raum hatte das die Feierlichkeit eines kleinen, avantgardistischen Saluts.
Mal_x
Thomas Rhube, Florian Schramm, Eva Kadlec, Uwe Bardach
Kuratiert von Georg Ritter. Eine Ausstellung der Reihe „Zu Gast im KunstRaum Goethestrasse xtd“
Ausstellungsdauer: 29.01.–18.02. 2009
Wasserfarbenbeherrschungsüberprüfungsaktion
Konzept: Peter Sommerauer, Christian Steinbacher
Ausstellungsdauer: 11.02.–20.03. 2009
Maerz Künstlervereinigung
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