Ähnliches oder was auch immer

Reinhard Winkler hat im Februar zwei Ausstellungen besucht: Die Künstlervereinigung Maerz erteilte ihren Mitgliedern folgende Hausübung: „Male mit Wasserfarben auf ein Blatt Papier (oder ähnliches) die österreichische Fahne (Flagge).“ Und mit „MAL_x“ zeigte der Kunstraum Goethestrasse die Arbeiten vier junger Künstler – Thomas Rhube, Florian Schramm, Eva Kadlec und Uwe Bardach – und mit ihnen verschiedene Positionen zur Malerei.

Die „Gegenüberstellung“ ist natürlich nur eine aus der Sicht des Betrachters, der beide Ausstellungen besucht hat. Es ist nicht anzunehmen, dass die Maerz und der KunstRaum ihr Programm aufeinander abgestimmt haben oder gar so etwas wie Konkurrenz inszenieren wollten. Und so im Nach­hinein betrachtet, war’s auch für den Besucher kein Gegenüberstehen der beiden Programme, viel­mehr liefen beide Konzepte aufeinander zu.

Die Idee der Wasserfarben­beherrschungs­überprü­fungs­aktion in der Maerz stammt von Christian Stein­bacher und Peter Sommerauer und wollte „aus­­nahmsweise gar keine große Kunst sein“, wie vorsorglich im Begleittext zu lesen war, sondern einfach und unernst bleiben. Eingeladen waren nicht nur die malenden Mitglieder der Maerz, son­dern alle Künstler, also auch jene, die sonst schrei­ben, musizieren oder bauen. Was passiert also, wenn Künstler, die sich normalerwiese in der Vor­hut der Kunstgeschichte bewegen, mit Wasser­far­ben der österreichische Flagge (ausgerechnet der!) ihre Re­miniszenz erweisen und damit unmittelbar an ih­re ersten künstlerischen Gehversuche im Volks­schul­­alter anknüpfen wollen/sollen/müssen/dürfen?

Der KunstRaum Goethestrasse, der bis dato mit tra­ditioneller bildnerischer Kunst gar nicht viel am Hut hatte, wollte mit einer von Georg Ritter ku­ra­tierten Ausstellung auch jene Menschen in den Schauraum locken, die sonst nicht unbedingt zum Stammpublikum der Malerei gehören. Noch vor der Eröffnung wird das Publikum auf der Home­page des KunstRaums gefragt: Was ist das eigentlich, wenn also Farbe mit dem Pinsel (oder was auch immer) aufgetragen wird? Ein Aneinander­fü­gen? Ein Kreuz und Quer, Drunter und Drüber? Ein fließendes Ineinander, die ganze Farbpalette rauf und runter?
Eine mögliche Antwort auf die Fragen beider Aus­stellungen liegt irgendwo in der Mitte zwischen grundsätzlicher Betrachtung der Malerei von un­ten und der von oben reminiszierenden Avant­garde. Zwi­schen diesem Oben und Unten gibt es nämlich vor allem einmal eines: Unglaublich viel zu schauen.

Zuerst aber bat Kurator Ritter im KunstRaum zum Tischgespräch, um mit den anwesenden Künst­ler­Innen Rhube, Kadlec und Bardach das „x“, die Un­be­kann­te Größe der Aufgabenstellung „Mal_x“, zu um­krei­sen.
Kunst einerseits vor dem Hintergrund eines psy­cho­sozialen oder sozialkritischen Ansatzes zu se­hen, wie sie im KunstRaum oft gezeigt wird, und andererseits präsentiert als Produkt einer für sich selbst stehenden künstlerischer Ambition – gibt es da Ähnlichkeiten, Verbindungen? In der Ant­wort Eva Kadlecs finden sich durchaus Überschneidun­gen. Für sie ist Malen ein kathartischer Prozess, ein Abarbeiten. Auch bei Bardach entstehen die Bild­welten aus einer Unzufriedenheit heraus. Erst die Fertigstellung eines Bildes schafft Glück. „Wenn ein Bild mehr als ein Versuch ist, dann ist es ge­lun­gen.“ plädiert Eva Kadlec für eine Absage an je­de Art von Perfektionismus.

Für Thomas Rhube ist Farbe wie Essen. Farbe schafft subjektive Stimmungen und ist allgegenwärtig. Aber nicht die Wahrnehmung von Farbe, sondern der Farbe in ihrer Zusammensetzung aus Pigmenten und Bindemittel gilt seine Aufmerk­sam­keit. Daraus entstehen Schriftbilder, die mit gestischer Malerei nur mehr im Ansatz zu tun haben und von der Idee selbst geleitet sind. Die Farben reduzieren sich auf Schwarz und Weiß in Serie, „das ist neutral, nicht mehr individuell, keine Be­findlichkeiten mehr.“ Malerei, die sich aus der Be­fangenheit der eigenen Person gelöst hat. „Einige Philosophen rechnen Weiß nicht zu den Farben, wir zählen sie aber trotzdem dazu.“, schrieb einst Leo­nardo da Vinci in „Die Probleme des Malers“. Auch Uwe Bardach schafft mit Weiß Größe. In seinen „men­talen Landschaften“ halten Figuren Leucht­kör­per in den Händen oder sie leuchten selbst.
„Nicht sein körperlicher Umfang, sondern die Far­be Weiß macht den Wal mächtig.“ Thomas Rhube setzt nach: Reduktion heißt ja nicht nur wegnehmen, sondern etwas auf den Punkt bringen.

Wo Rhube die Malerei auf Schriftbilder minimiert, Bardach mit Leerstellen in den Bildern ein Leuch­ten schafft, schattiert Eva Kadlec alle möglichen Grade an Abstraktion: „I want more than I ever did before“ ist auf einem ihrer Bilder in schwarzen Buchstaben auf schwarzen Grund zu lesen.

Zurück zur Maerz: Dort ging es dieses Mal ver­gleichs­weise lustig und ganz unehrgeizig zu. Wem die österreichische Nationalflagge in drei gleich brei­ten Streifen und in den Farben Rot-Weiß-Rot wichtig ist, der soll im Wappengesetz § 3 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 nachlesen. In der Künstler­ver­ei­ni­gung Maerz konnte man sie in jenen Tagen zwar immer noch zweidimensional und als Anordnung von Farben, Flächen und Zeichen bewundern, aber wie von jeglicher staatstragenden Symbolhaf­tig­keit befreit. So schien sie endlich richtig zu flattern, jenseits aller Masten. Am Ende der Ver­nis­sa­ge stellten sich alle anwesenden Mitglieder der Maerz in Reih und Glied zu einem Klassenfoto zu­­sammen. Und unter all den österreichischen Flag­­gen im Raum hatte das die Feierlichkeit eines klei­­nen, avantgardistischen Saluts.

Mal_x
Thomas Rhube, Florian Schramm, Eva Kadlec, Uwe Bar­dach
Kuratiert von Georg Ritter. Eine Ausstellung der Reihe „Zu Gast im KunstRaum Goe­the­strasse xtd“
Ausstellungsdauer: 29.01.–18.02. 2009
Wasserfarbenbeherrschungsüberprüfungsaktion
Konzept: Peter Sommerauer, Christian Steinbacher
Ausstellungsdauer: 11.02.–20.03. 2009
Maerz Künstlervereinigung

8
Zurück zur Ausgabe: 
03/09
FotoautorInnen: 
Reinhard Winkler

& Drupal

spotsZ - Kunst.Kultur.Szene.Linz 2006-2014