Shoppingtouren Istanbul
Welche Arbeiten werden gezeigt, worum geht es darin?
„Shoppingtouren Istanbul“ – so der Titel der Arbeit von Tobias Hagleiter und mir. Die Basis der Arbeit sind tatsächlich „geführte Einkaufstouren“ mit BewohnerInnen Istanbuls zu traditionellen und ganz neuen Einkaufszonen der Megacity. Wir haben völlig unterschiedliche „ProtagonistInnen“, die uns in ihre ganz persönlichen Konsumwelten geführt haben. Vordergründig zeigen wir also Shoppingsituationen, die aber auf einer zweiten Ebene kleine Portraits von den Persönlichkeiten ergeben, die wir begleitet haben. Shopping ist ja etwas sehr Persönliches, hat manchmal fast etwas Intimes.
Haben euch die Berührungspunkte der türkischen Gesellschaft mit dem Westen interessiert, oder einzelne Menschen mit ihren persönlichen Geschichten? Das politische System? Beziehungsweise: Was war das Ausgangsinteresse und wohin hat es geführt?
In Istanbul leben Menschen mit ganz unterschiedlichen politischen, religiösen und natürlich ökonomischen Hintergründen in extremer Dichte zusammen. Streng gläubige Muslime ebenso wie stark westlich orientierte oder weniger religiöse Menschen. Es gibt äußerst wohlhabende Viertel und Armengegenden, alles nebeneinander – eine Metropole eben. Wir wollten Leute finden, die uns an der Hand nehmen und Stück für Stück in dieses Universum führen. Den ersten Anstoß für das Vorhaben gab vor einigen Jahren ein junger Mann, den wir in Istanbul getroffen haben. Er wollte sich nicht mit den touristischen Ansichten von Istanbul und den türkischen Traditionen identifizieren und zeigte uns „sein“ Istanbul. Das Istanbul, auf das er stolz war, waren Starbucks, Gloria Jeans Café und moderne Einkaufsboulevards mit Markenstores – Dinge, die eigentlich überall auf der Welt gleich aussehen. Durch die besondere, irgendwie persönliche Beziehung, die er zu diesen brands und Marken hat, sind es aber doch identitätsstiftende Orte. Das interessiert uns: Wie sehr spiegeln uns die Einkaufswelten, die uns umgeben, wo liegen da die individuellen Unterschiede und vor allem Gestaltungsmöglichkeiten – das ist natürlich auch ein architektonisches Thema.
Es heißt immer: Orient und Okzident, als Polarität. Beide Gesellschaften, die des Ostens und des Westens, sind in sich vielschichtig ausgebildet. Wie sieht es mit den kulturellen Unterschieden aus, wie mit den Berührungspunkten dieser Vielschichtigkeiten, vor allem auch vor dem Hintergrund einer Modernisierung?
Gerade auf Istanbul bezogen ist das ja ein häufiges Motiv und sicher auch ein Stück weit Klischee, diese kulturelle Brückenrolle zwischen „orientalischer“ und „westlicher“ Welt, bzw. zwischen modern und traditionell. Auch wir haben anfangs sicher irgendwie danach gesucht. Nach einiger Zeit haben wir uns aber davon zu lösen versucht. Es gibt einfach alles in Istanbul, gerade wieder auf Konsum bezogen. Die Übergänge sind fließend und es gibt unendlich viele Ausformungen – eben vielschichtig. Die Videos, bzw. die IstanbulerInnen, die darin vorkommen, werden das hoffentlich ganz gut abbilden.
Noch zum formalen Interesse: Wollt ihr abbilden, dokumentieren, erzählen, kommentieren, überhöhen, usw? Welchen Stil und welche erzählerischen Mittel benutzt ihr in den Videos?
Es ist eine dokumentarische Arbeit, die natürlich durch uns oder unsere Sichtweisen und Vorstellungen manipuliert ist. Wir versuchen aber, uns einer gewissen Objektivität zu nähern. Grundsätzlich verlassen wir uns auf unsere Intuition, jedes Thema verlangt nach einer anderen Bearbeitung und Erzählmethode. In Istanbul waren es vor allem die zufällig entstandenen Kontakte und Bekanntschaften, die die Inhalte mitbestimmt und immer wieder umgeformt haben.
Gibt es Eindrücke, die speziell in Erinnerung geblieben sind?
Unser Dolmetscher … er ist Türke und lebt in Linz. Ihn fesselt das Thema mehr als gedacht, möglicherweise kommt da noch ein Interview dazu. Der Dolmetscher wird ja zu Unrecht immer im Hintergrund gehalten mit seiner persönlichen Meinung. Das könnte noch eine spannende Erweiterung sein. Und etwas anderes Interessantes: In Istanbul selbst war eine Flucht aus einem Flohmarktareal sehr abenteuerlich, allerdings ist die nur akustisch dokumentiert. Mal sehen, ob sich das einbauen lässt. Probleme mit Securities und Verweigerung von Drehgenehmigungen in den Luxus-Shoppingmalls zwangen uns zum Kauf einer Handycam zum Zwecke des „heimlichen Dokumentierens“ und damit nobel gesagt häufig zur „hand held-Ästhetik“.
Präsentationsabend von Stefanie Mold, Margit Greinöcker und Tobias Hagleitner im Lentos: 03. April, 19.00 h.
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