Irritation – Manchmal ist es schwierig, sich ei­nem Buch anzu­nähern, aber es lohnt sich oder darf man ein Buch einfach spüren?

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GOTT SAH DASS ES GUT WAR RUDI SAH DASS ES RUTH WAR

Schon erwartet liegt in meinem Post­­kasten ein harmlos unscheinbares Buch, neutrales seriöses Cover, wei­ßer Hintergrund mit schwar­zer und roter Schrift. Der dritte Teil der April­jahrs­bucht oder besser „April­jahrs­buch 3“ ist erschienen.

Gierig möchte ich zu lesen beginnen. Wechselnde Lay­out­spie­le von Seite zu Seite – dann die Frage: Absicht oder einfach nur Spiele? – lassen mich fürs erste rätseln.  Ver­schie­dens­te Stellen ausprobierend versuche ich, er­folg­los auf die Schnel­le, dann etwas langsamer, einen Fa­den ähnlich je­nem in des Autors letztem Buch (April­jahrs­bucht 2) zu finden.

Ich erkenne zunächst: Das braucht mehr Zeit.

Ein Freund klärt mich auf, dass ich Apriljahrsbucht 1 nicht ken­ne und Apriljahrsbucht 2 – laut Autor – ein Ausfaller war.

Zweiter Versuch, was ist es? Das Material stammt laut „EDI­TORISCHER NOTIZ“ aus dem Zeitraum 1994–2000, aber nix is fix, auch mit einer (?) „Einspielung 2003–2004“. Tage­buch­­aufzeichnungen? Ich tast mich weiter vorwärts, erst lang­sam, dann immer schneller, und ahne schon, dass es wohl mei­ne Ungeduld ist, die mein Verstehen verhindern, ob­wohl mich einzelne Stellen immer wieder fesseln.

Bei der Rückseite angelangt, sagt diese mir: „Opus Mag­num auf gut zweihundert Seiten. In der Absicht (uns das Leben zu erklären? nein) uns weiter zu helfen (in Trans­kript­form) – darüber hinweg, dass es ohne Erklärungen weiter gehen wird. Weiter vor allem.“

Das Werk eines Meisters, das mir nichts erklären will. Ich bin beruhigt (was das Buch betrifft) – und beginn noch einmal zu ahnen. Resultat: Mehr Zeit.

Dritter Versuch: Ein zweiter Freund klärt mich auf, dass es ihn an Rudi Leitners Mi­schun­gen aus Texten, Zeichnungen, gra­fischen Texten, Schreibmaschinentypographie im Hil­lin­ger (Linz anno ca. 1995–1997) erinnert.

Phase 1: Spontaner Impuls: Alles schon mal dagewesen, nix Neues.
Phase 2: Mehrere Gefühlsregungen: Schon wieder irritiert und jetzt frustriert gelingt es mir, mich von einigem loszulösen. Von den Vorstellungen eines Buches, in das ich einfach nur reinfallen kann, einer Geschichte, die mir Erlö­sung, Ent­spannung, Vergnügen, unkompliziertes Nach­den­ken macht. Von der Vorstellung, dass ein Buch in irgendeine formale oder ideelle Kategorie hineinfallen soll und dass ein Buch von vorn bis hinten eine einheitliche Form aufweisen muss, damit ich mich darin zurechtfinden kann, es erkennen und – zugegeben – in ein zwei Sätzen drüber reden kann.

Also hat es so ein einfaches, unscheinbares Buch ge­schafft, meine schöne Welt, die ich brauche und tatsächlich liebe, ins Wanken zu bringen. Dafür bin ich irgendwie dankbar.

NUR LANGSAM KOMMT MAN DEN SCHNELLEN DAVON, steht irgendwo auf einer Seite.

Vierter Versuch: Wie das Buch ist auch der Autor (den ich kenne) sicher einer, der gegen den Strom schwimmt. Aber hat nicht Louis Begley kürzlich in Linz gesagt (Annäherung an Thomas Bernhard), es ist nicht wichtig, etwas über den Autor zu wissen, ein Text (in diesem Fall ein Buch) muss für sich alleine funktionieren, für sich alleine etwas bewirken?

Und halt: Steht nicht auf der Rückseite, das Buch will nichts erklären? Soll ich endgültig aufgeben, es erklären zu wollen?

Hochphilosophisch, sagt ein Freund. In der Philosophie hab ich mir schon immer herausgenommen, nur das zu lesen, was mir grad passt, denk ich patzig. Das Leben abbildend fällt mir ein und froh bin ich: Mein anderer Freund würde mir das be­stä­ti­gen. Aber er braucht Menschen = Namen, die dafür stehen.

Was stimmt, das dürfen der Autor und alle LeserInnen entscheiden. Mir hat’s jedenfalls, nach dem Entschluss, mir das rauszupicken, was mir nachvollziehbar ist, Lust ge­macht, wo­mit Begleys Anspruch in einer anderen Form er­füllt wäre. Und meine Vorstellung eines Buches, das ich als solches an-er-ken­ne, erweitert.

Mehr möchte ich nicht verraten, weil es zu privat wäre, ich wünsche jedem das eigene Erlebnis beim Herantasten an dieses Buch, und das Be­wusstsein, dass ein wenig Geduld vonnöten ist.

PS: Tipp: Diese Seite hat mir geholfen.
„GOTT SAH DASS ES GUT WAR
RUDI SAH DASS ES RUTH WAR“

Christian Krall-Wartlsteiner: Apriljahrsbucht 3:
NUENO TAMBRA/Sinne mit Kopfschwanz
Der Tag war so jung, wie das Jausenbrot groß
Passagen Verlag (2009), Wien
ISBN: 978-3-85165-838-5

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03/09

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