Fröhliche AutorInnenverlage
Ilse Kilic betreibt mit ihrem Lebensgefährten Fritz Widhalm selbst einen AutorInnenverlag: Das Fröhliche Wohnzimmer. Im Shop und Veranstaltungszentrum des Fröhlichen Wohnzimmers, dem originellen „Schweinemuseum“ in der Florianigasse 54 mitten im achten Wiener Gemeindebezirk, plauderten Ilse Kilic, Fritz Widhalm und Günter Vallaster über Licht- und Schattenseiten des Autorenverlegertums.
Die Edition ch feiert ihr zwanzigjähriges Bestehen. Wie kam es zu dieser Gründung, und was hat sich in diesen zwanzig Jahren alles getan? Und was lässt sich unter einem Autorenverlag überhaupt verstehen?
Günter Vallaster: AutorInnenverlage sind Verlage, bei denen die, die so einen Verlag betreiben, auch selber schreiben, und es AutorenkollegInnen ermöglichen, Bücher zu publizieren, die sonst in Verlagen nicht unterkommen. Nicht weil sie schlecht wären, sondern weil sie ästhetisch und poetisch aus der Reihe tanzen und gewissen schematisierten Erwartungshaltungen widerlaufen. Die Edition ch wurde Ende der 80er Jahre von der Schriftstellerin Christine Huber gegründet. Huber selbst hatte als Autorin starke Anknüpfungspunkte zu anderen Bereichen der Kunst, der bildenden Kunst, der Musik, der Lithographie, insgesamt dem Bereich der visuellen Poesie. Dieses Konzept mit Schwerpunkt Visueller Poesie sollte im Rahmen dieses AutorInnenverlages umgesetzt werden, und das ist auch geschehen, das ist das, wofür die Edition ch bis heute steht. Wenngleich es innerhalb dieser Kontinuität allerdings auch Bruchstellen gab, denn die Edition ch wurde in diesen zwanzig Jahren der Reihe nach von vier verschiedenen Personen geleitet. So hat Huber die Edition ch in den frühen 90er Jahren an Franzobel weitergegeben; da war sie bereits gut eingeführt, hatte einen Namen in einem Segment, einer Nische. Man wusste, wofür die Edition ch steht. Nachdem sich Franzobel stärker auf das eigene Schreiben konzentriert hat, hat 1997 dann Lisa Spalt die Edition übernommen, die sie aus ebendiesen Gründen dann 2004 an mich weitergegeben hat. Ich hatte gerade an der Uni Innsbruck ein Forschungsprojekt beendet, und auch selbst Texte geschrieben, da hat mir das gleichsam gut in meinen eigenen Lebensplan und zu meinem eigenen Zugang zur Literatur gepasst. Und es war für mich auch eine sehr gute Gelegenheit, mit dem fröhlichen Wohnzimmer, in dem ich 2001 mein erstes Buch herausbringen konnte, in direkten Kontakt und Austausch vor Ort zu treten.
… mit dem fröhlichen Wohnzimmer, das ebenfalls ein Wiener AutorInnenverlag ist, und beinahe 25 Jahre auf dem Buckel hat.
Ilse Kilic: Das Fröhliche Wohnzimmer ist eigentlich aus einer Band mit dem gleichen Namen hervorgegangen. Aus der persönlichen Freundschaft mit Christine Huber haben sich zwischen uns viele Diskussionen ergeben über die Literatur, die wir selber machen und die wir gerne lesen. Wir haben dann auch eine Literaturzeitschrift gegründet und gesehen, dass es viele Texte gibt, von denen man weiß, dass sie wichtig wären und die literarische Landschaft wesentlich bereichern würden, ja, die innerhalb dieser Landschaft eigentlich notwendig wären. Manche Texte, die vielleicht sehr experimentierfreudig oder ungewöhnlich sind, finden aber schwer ein Forum, und überhaupt haben es speziell junge AutorInnen sehr schwer, bei einem Verlag unterzukommen.
Fritz Widhalm: Wir sahen auch, dass es andere AutorInnenverlage gab, das Freibord zum Beispiel, die Edition Neue Texte und die Herbstpresse, das hat uns gezeigt, es ist also möglich, als Teil der eigenen AutorInnentätigkeit auch anderen Texten an die Öffentlichkeit zu helfen. Wir haben begonnen, handgebundene und vom Cover her handbemalte Bücher herauszugeben, und sie über den Handverkauf zu vertreiben, um den Wirkungskreis zu erweitern. Heute sind diese Bücher im Übrigen alle vergriffen. Da diese Arbeitsweise aber mit der Zeit zu aufwendig wurde, haben wir uns an die damalige Brücke-Druckerei gewandt, eine selbstverwaltete, linke Druckerei, und auf diesem Weg dann zum ersten Mal eine Anthologie mit gut 40 AutorInnen herausgegeben. Die AutorInnennamen, das war das besondere, standen nicht über oder unter dem jeweiligen Text, sondern in einem weiterführenden Verzeichnis. Die Idee dabei war, dass das Publikum nicht gleich auf die bekannteren AutorInnen zugeht und die anderen außen vorlässt, sondern ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu verwirklichen. Da haben wir im Übrigen auch zu unserem Logotier gefunden: Dem Schwein. Ein angeblich dreckiges Tier, aber auch ein sozial kompetentes, ein spürnasiges, das Leckerbissen wie die Trüffel erschnüffeln kann.
Was sind so die Freuden und Leiden des Autorenverlagbetreibens? Man kann damit angeblich sehr viel Geld verdienen.
GV: Das, was ich da mache, ist natürlich eine Art unbezahltes Ehrenamt, und ich selbst muss unabhängig davon ganz normal arbeiten. Geld gibt’s dafür keines, aber: Die Bücher gibt’s! Und das finde ich schön. An Geld habe ich ja auch gar kein Interesse. Ich kann publizieren und etwas schaffen, und habe da immer wieder meine Glücksmomente. Materiell kann man von so einer Sache nicht leben, immateriell jedoch kann ich davon sehr gut leben!
IK: Die Idee vom Geldverdienen kann man im Zusammenhang mit Kleinverlagen sicher und schnell vergessen. Im Wesentlichen läuft’s darauf hinaus, dass wir pari sind, und das ist schon gar nicht einmal so wenig. Am Anfang haben wir auch Schulden gemacht, und oft keine Unterstützung erhalten. Worauf man bei Projekten dieser Art aufpassen muss ist, dass man vor lauter Begeisterung und Tatendrang nicht stark in die roten Zahlen rutscht und sich dauerhaft verschuldet. Bereuen tun wir unsere damalige Idee heute selbstverständlich nicht. Wir haben jetzt 88 Bücher von 51 AutorInnen herausgebracht, sehr viel gelernt, gelacht … Es ist eine Art Lebenshaltung geworden.
Wie blickt ihr allgemein in die Zukunft von Autorenverlagen? Tatsache ist, dass wie in der Wirtschaft allgemein kleinere Verlage von den größeren zusehends an die Wand gedrückt werden, wenngleich man auch darüber diskutieren könnte, ob das jetzt grundsätzlich etwas Neues darstellt. Im Rahmen der Wirtschaftskrise dürften aber davon unabhängig Kürzungen der öffentlichen Förderungen ins Haus stehen. Können Autorenverlage da längerfristig überleben?
IK: Werden die Mittel reduziert, bleibt nichts mehr übrig. Vor fünf Jahren hätten wir wohl gesagt: Es wird in der Zukunft schon irgendwie gehen. Heute bin ich da vielleicht pessimistischer. Und zwar im ganz allgemeinen Sinn: Wird es überhaupt noch Möglichkeiten geben für einen AutorInnen-Verlag, zu entstehen? Wird es für AutorInnen, die sich abseits vom Mainstream bewegen, Möglichkeiten geben, irgendwo unterzukommen? Oder wird alles immer stromlinienförmiger und profitorientierter, sodass es – neben der alltäglichen Sorge ums eigene Überleben – kaum noch Möglichkeiten gibt, sich „non-profit-mäßig“ für ein Miteinander und für das Entstehen neuer (Lebens- und Schaffens)Formen einzusetzen? Es wird ja immer viel darüber geschimpft, aber: Ich bin ein Fan des Gießkannenprinzips der öffentlichen Förderungen. Denn wo nicht gegossen wird, da kann auch nichts wachsen.
FW: Die Subventionen sind sowieso schon minimal. Aber wir arbeiten ja daran, das zu ändern: Wir schaffen das Bundesheer ab und stellen die Gelder dann für die Kultur zur Verfügung (lacht). Und zwar für die ganze Kultur.
GV: Die Mittel, die uns von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden, sind so und so schon mal relativ bescheiden, wenn’s noch weniger wird, würde gar nichts mehr gehen. In der öffentlichen Kulturförderung klafft die Schere weit auseinander, und oftmals werden unter dem Deckmantel der staatlichen Förderung ganz einfach Gelder verschoben. Aber es wird natürlich weiterhin eine Edition ch geben! Die Edition ch wandert ja auch schließlich. Allerdings kann die Edition ch nur funktionieren, wenn auch die AutorInnen mitmachen und sich einbringen.
IK: Ja, das Gemeinsam-an-einem-Strang-ziehen, das ist auch unsere Wunschvorstellung. Wir wollen einfach, dass in gemeinsamer Arbeit ein schönes Buch entsteht, an dem Autor oder Autorin und wir unsere Freude haben. Und gerade, weil es für uns Kleinverlage vertriebsmäßig nicht so viele Möglichkeiten gibt, hoffen wir auch hierbei auf Zusammenarbeit mit den AutorInnen. Und das hat sich bisher meistens bewährt.
Links, Veranstaltungen: Das fröhliche Wohnzimmer www.dfw.at
In Oberösterreich gehen Ilse Kilic und Fritz Widhalm demächst auch dem Thema „What you really need“ im Rahmen eines Projekts des MKH Wels auf den Grund, Termine:
14.04. in Linz in der Buchhandlung Thalia, 17.00 h
16.04. im MKH Wels, 20.00 h
Im AutorInnenverlag „Das fröhliche Wohnzimmer“ von Ilse Kilic und Fritz Widhalm erschienen: Ein Schweinecomic.
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