Kein Schaufenster, freie Wildbahn

Auch neben, unter und über dem Dach von „Kulturhauptstadt Linz09“ schlagen KünstlerInnen ihre Purzelbäume. Ganz ohne Nein und unbeleidigt, auf der Suche nach Schlupfwinkeln und Strategien, hierarchische und andere Ordnungen zerpflückend. Helga Schager und Veronika Merl, zwei von neun Frauen, die im April die Ausstellung „in_keinster_weise_nachhaltig_verortet“ eröffnet haben, im Gespräch mit Reinhard Winkler.

Ihr habt ja schon vor drei Jahren mit Eurer aktuellen Arbeit begonnen. Woll­tet ihr von Anfang an unabhängig bleiben, oder ist „in_keinster_weise_nachhaltig_verortet“ gewissermaßen Plan B, entworfen für den Fall, dass es eben mit 09 nicht klappt?
Helga Schager: Das war von Beginn an unser Plan A.
Veronika Merl: Es gab von Beginn an einfach das Bedürfnis, präsent zu sein.

Was heißt: „in_keinster_weise_nachhaltig_verortet“?
VM: Der Titel des Projekts setzt sich zusammen aus Un- und Schlagworten im Kunstbereich, tatsächlich auch auf 09 bezogen. Dem Wort Nachhal­tig­keit entkommt zur Zeit ja niemand. „Keinste“ ist eine üble Steigerungsform. Und „verortet“ – was ist das?
HS: Das ist schlicht ein Nonsens-Titel. Um das Wort „nachhaltig“ ist es übrigens wirklich schade. Das klingt nur mehr strapaziert. Wer kann das noch hören? Dabei bleibt Nachhaltigkeit natürlich wünschenswert für jede Künst­lerIn. Vor allem, weil Linz nicht nur Schaufenster ist, wie derzeit vermittelt wird, sondern vor allem auch freie Wildbahn für KünstlerInnen.

Hinter dem Titel steht noch: „Hierarchien im Kunstbetrieb“. Spürt ihr eine Hie­rarchie in der Zusammenarbeit mit Veranstaltern, Galeristen oder Kunst­managern?
HS: Hierarchien müssen ja nicht unbedingt negativ besetzt sein. Ist die über­geordnete Person bei einer Zusammenarbeit zu einer „Partnerschaft“ bereit, wird die hierarchische Ordnung als angenehm empfunden. Lässt eine Per­son einem die „Macht“ spüren, wird es als unangenehm empfunden. Aber selbst da kann ich darüber entscheiden, ob ich weiter mitspiele, ob es mir das wert ist. Ein Lieblingszitat von mir: „Das Ideal der Gleichheit ist deshalb so schwer, weil die Menschen Gleichheit nur mit jenen wünschen, die über ihnen stehen.“ (John B. Priestley). Ab und zu „sudern“ über die Hierarchien im Kunstbetrieb tut auch gut.

Wird vom Publikum erwartet, dass es zur Kunst aufschaut?
VM: Terminologien in Katalogen, Rezensionen und dergleichen sind für durch­schnittliche „Kunstkonsumenten“ oft nicht mehr verständlich. Als Kunst­­erzieherin stelle ich aber auch fest, dass KunstvermittlerInnen in Mu­seen und Galerien versuchen, das aufzubrechen. Auch die Frage: „was soll da Kunst sein?“, ist erlaubt.
HS: Werden die KünstlerInnen als Berufsgruppe respektiert, die für die Ge­sellschaft so wichtig ist wie andere Berufe, braucht niemand zu irgendwem aufschauen. Wir wollen keine „Devotheit vor der Kunst“. Unsere Kunst soll erfreulich und humorvoll sein. Auch über die eine oder andere Irritation.

Ein wichtiger Aspekt der Ausstellung wird Humor und Ironie sein. Auf Wiki­pedia ist zu lesen: „Im Unterschied zum Humor ist Ironie eher kritisch“. Und ich denk mir manchmal: Am Ende der Ironie steht der Zynismus. Möchtet lieber im Humoristischen bleiben, nur um nicht zynisch werden zu müssen?
VM: Da könnt was dran sein. Aber Humor ist immer ein gutes Mittel, auch gegen Pathos. Und Leichtigkeit ist mir lieber als Schwere.
HS: Gerade in der Berufsgruppe „KünstlerIn“ ist die Gefahr oft groß, ins Zy­nische zu fallen. Nur wenige können von ihrer Arbeit leben, müssen oft mit wenig Anerkennung auskommen. Bei unserer Ausstellung ist es uns aber wichtig, die Ironie in ihrer humorvollen Eigenschaft darzustellen.

Ein alter Lehrer von mir hat einmal, ganz im Ernst, durchs Klassenzimmer gebrüllt: „Kunst ist nicht witzig!“ Warum lächeln so wenig Künstler auf ihren Portraits?
VM: Ich glaube, dass es schon viel Humor in der Kunst gibt, diese Werke überdauern vielleicht nicht so sehr die Jahrhunderte. Und wer lächelt schon bei intensiver Arbeit?

Ausstellung „in_keinster_weise_nachhaltig_verortet“
Terri Frühling, Dana Jerabek, Veronika Merl, Monika Migl Frühling, Kazuko Miyamoto, Toki Ozaki, Elfrie­de Ruprecht-Porod, Helga Schager, Charlotte Wiesmann. Kuratiert von Helga Schager.
Berufsvereinigung Bildender KünstlerInnen OÖ., Landeskulturzentrum Ursulinenhof
Ausstellungsdauer: bis 27. Mai 2009

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05/09
FotoautorInnen: 
Veronika Merl

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