15 Hässliche Entlein
Linz ist einzigartig
Und nicht nur weil dieses Jahr Kulturhauptstadt ist. Viel mehr, weil Linz etwas hat, was es in Österreich in dieser Dichte nicht noch einmal gibt: Absolut moderne Bauwerke der 60er und 70er Jahre, die in so großer Menge und Qualität und v.a. so dicht über die gesamte Stadt – inklusive dem Zentrum – vorhanden sind. In der mittlerweile jahrzehntelangen Anstrengung, das Image der Industriestadt loszuwerden und auch in der Außenwahrnehmung zu einer Kulturstadt bzw. Tourismusstadt zu mutieren (sowie einer international mangelnden Wertschätzung für die Bausubstanz dieser Zeit), drohen diese Bauwerke – weil „Schandfleck“ – entweder einfach komplett oder unter einer „Sanierung“ zu verschwinden.
Die Artikelserie „Hässliche Entlein – Architektur der 60er und 70er Jahre in Linz“, hat seit 2007 einige dieser Gebäude beschrieben und beleuchtet: Die Oberösterreichische Versicherung schwebt nach 35 Jahren immer noch wie ein blanker Aluminium-Koffer knapp über dem Boden, das WIFI in der Wienerstraße stellt in der radikal funktionalen Ausprägung österreichische Architekturgeschichte dar, das Neue Rathaus ist in Wirklichkeit eine Megastruktur und nicht ganz zu Ende gedacht; die Spardabank „hinter“ dem Bahnhof steht seit über einem Jahr leer und würde sich bestens eignen, den ökonomischen Zyklus Auszug, Leerstand, Abriss und Baulücke einmal experimentell-erforschend zu durchbrechen; und die Raiffeisenkassa beim Südbahnhof ist ein Zeuge vergangener, städtebaulicher Ambition und führt in all seinen drei Bauphasen überdeutlich vor Augen, wie Entwurfsqualität von einigen wenigen Individuen abhängen kann oder anders gesagt, dass Linz schon bessere Rahmenbedingungen für die Produktion herausragender Architektur geboten hat.
Nun wird, als Resultat dieser Recherchen und „Öffentlichkeitsarbeit“, im Mai diesen Jahres eine Ausstellung im und in Zusammenarbeit mit dem Architekturforum Oberösterreich sich dieser Häuser und dieser für Linz so prägenden Epoche annehmen.
Ein weltweiter Diskurs
Die Schwierigkeit mit diesem jung gebauten Erbe ist kein österreichisches Phänomen. Obwohl im deutschsprachigen Raum die Schweiz und Deutschland einen klaren Schritt weiter sind und zumindest die wesentlichsten Zeugen dieser Zeit erfasst und dokumentiert haben, ist die Wertschätzung und der entsprechende Umgang mit diesen Bauwerken weltweit problematisch.
Technisch ist die Sanierung eine Herausforderung (nach rund 40 Jahren Bestand) und erfordert zum Teil projektbezogene Forschung und Konzept. Was die Bildung einer positiven Wahrnehmung dieser Gebäude betrifft, ist noch viel Arbeit zu leisten. Die UNESCO ist wohl zu schwerfällig, um sich um diese Bauwerke zu kümmern und hat noch andere Schwerpunkte. Aber die in Holland Ende der 1980er Jahre entstandene und mittlerweile international vertretene Organisation DOCOMOMO (in Österreich seit 2000, Dokumentation und Erhalt von Bauwerken im Stil der Moderne) zeugt von Bewusstsein in der Fachwelt.
Allerdings hinkt die Realität stark hinterher: Selbst überregional bedeutsame Gebäude der Moderne in Österreich werden laufend von Eigentümern, der Politik oder dem österreichischen Denkmalschutz vernachlässigt, verstümmelt oder zum Abriss freigegeben. Beispiele hierfür gibt es genug. Oft verhindert nur der Einsatz von ein paar engagierten Menschen, dass wichtige Zeitzeugen still und heimlich abgerissen werden oder kurzfristig angelegten Mechanismen zum Opfer fallen.
Exemplarische Auswahl von 15 Bauwerken
„Hässliche Entlein – Architektur der 60er und 70er Jahre in Linz“ ist eine Initiative, um das Bewusstsein für die Linzer Moderne zu schärfen und eine Empfehlung für die Stadt Linz, dieses zu erarbeiten. Die Kampagne hat schon begonnen und setzt auf breite Vermittlung für die Bevölkerung, Politik und Planer. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht diese mit der Präsentation im Architekturforum.
Wesentliches Ziel ist, diese Bauwerke neu zu betrachten, ihre geschichtliche, soziale und ästhetische Relevanz zu erkennen (identitätsstiftend!) und in ihren kulturgeschichtlichen Kontext zu betten. Zu diesem Zweck kreist die Initiative um ca. 15 exemplarisch gewählte Gebäude. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Alltagsbauten und zum größten Teil „unbekannte“ bzw. kaum bis gar nicht dokumentierte Bauwerke. Bauwerke, die wir oft gar nicht mehr sehen, schon gar nicht verstehen, insbesondere aber als „zu jung“ erachten, um als Geschichte anerkannt zu werden, aber „alt genug“, um sie zu vernichten.
Die Ausstellung beinhaltet über das Erfassen und Dokumentieren der Bauwerke hinaus, Interviews wesentlicher, damals aktiver Architekten, eine Diskussionsrunde zu dem Thema und ein Kartographieren der Bauwerke. Interessierte Medien, Individuen und Planer sind aufgefordert, für diesen längerfristigen Prozess einen Beitrag zu leisten. Die Ausstellung entsteht in enger Kooperation mit den Eigentümern der Häuser und wird zu einem guten Teil von diesen getragen.
Eröffnung der Ausstellung am 14. Mai im afo, Herbert Bayer Platz.
www.afo.at, www.potocnik.net
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