Von Ästhetik und Subversion

Eine Szene in der Linzer Altstadt. Der gelbe Zug tuckert vorbei, im Off ist jemand beim Herum­hantieren zu hören. Plötzlich taucht eine Spraydose auf und sprüht das Kamerabild zu. Schau­platzwechsel in die Hafenhalle: Die verwandelt sich scheinbar in ein zweites Designcenter. Aber das geschieht nicht zur Stärkung der Wirtschaft. Linz soll im Mai mit Social Impact zum Widerstandsstandort werden.

Mit „Ausblenden“ und der Subversivmesse starten gleich zwei Linz09-Projekte des „Social Im­pact“-Kollektivs. Vom 10. bis 16. Mai führen die „Ausblenden“-Touren auf überwachungsfreien We­gen durch das Zentrum. Und vom 14. bis 17. Mai okkupiert die „Fachmesse für Gegenkultur und Wi­derstandstechnologie“ die Hafenhalle.
Die beiden Projekte verbindet der Wille zur ge­wieften Subversion: Interventionen mit Irritation und Humor. Dem Ziel fehlt es nicht an Ambition: der radikale Umsturz der Gesellschaft. „Geht’s der Subversion gut, geht’s uns allen gut“ heißt es et­wa auf der Homepage der Subversivmesse.
Die Strategien hinter den Projekten sind komplex. „Ausblenden“ stattet die TeilnehmerInnen mit Tarn­kleidung aus und schickt sie robbend, rückwärts gehend und in Formationen durch den öffentli­chen Raum. So passiert eine ironische Ver­schie­bung der Sichtbarkeit: Unsichtbar für die Überwachungskameras, dank der Spezialkleidung und auffälliger Fortbewegungsarten umso sichtbarer für die zufällig anwesende Öffentlichkeit. Es gilt den Blick der Öffentlichkeit für ihre Überwachung zu schärfen, die Beobachter zu beobachten.
Komplex und „gfeanzt“ ist auch schon alleine die Aufmachung der Subversivmessen-Homepage: Rechts oben hält – gemäß der Ikonographie herkömmlichen Marketings – eine gut frisierte Da­me lächelnd ihren Daumen in die Höhe, hinter ihr sprin­­gen in sinnloser Freude Anzugträger he­rum. Dazu ein Text als Bankwerbungs-Persiflage: „Fra­gen zu Ihren Widerstandsoptionen: Wenn Sie persönliche Fragen zur Entwicklung Ihrer Wi­der­stands­anlage, Ihres Subversions-Depots, Ihrer Markt-Ana­lyse, oder zu einem auf der Messe präsentierten Produkt haben, bitten wir Sie, Ihre persönlichen Be­treuerInnen direkt auf der Messe zu kontaktieren, damit ihr Widerstandsvermögen auch in stür­mi­schen Börsezeiten sicher auf Kurs hält.“
Im Outfit einer herkömmlichen kapitalistischen Ver­kaufs- und Präsentationsmesse wird der Öf­fent­lichkeit also das untergejubelt, was am Ast dieses Systems sägt. Subversion durch Überidentifikati­on: das Richtige, Normgerechte am falschen Ort, zur falschen Zeit. „Wir wollten eine Vermitt­lungs­form mit einer sehr niedrigen Hemmschwelle finden. JedeR weiß, wie man sich auf einer Messe ver­hält. Zur Subversivmesse gehen vielleicht auch Leu­­te, die nie ins Lentos gehen würden. Anders als bei einer Ausstellung sind die KünstlerInnen vier Tage lang da, sie sind verfügbar“, sagt Harald Schmutz­hard, der die Idee zur Subversivmesse hat­te (Projektleiterin ist Barbara Pitschmann).
Geladen sind mehr als 40 AktionistInnen und Künst­­lerInnen. Die autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe gibt Tipps, wie die „Redeveranstaltung eines Regie­rungs­politikers zu ruinieren“ sei. Peter Krobath bietet in seinem Sabotage-Beichstuhl die Gelegenheit, von Unbotmäßigkeiten und Sabotageakten in der Arbeitswelt zu berichten. Es gibt eine Einladung zur Dinnerparty – gekocht wird mit Zutaten, die Dumpsters aus den Mülltonnen von Super­märk­ten gezogen haben. Dazu Trainings mit der Basic Rebel Clown Army, Performances, Konzerte und das Symposium „Normzustände in der Krise“.

So viel Aufwand lädt ein zum Selberdenken. Et­wa darüber, wie Subversion und Kapitalismus zu­einander stehen. „WiderständlerInnen“ eignen sich kapitalistische Strategien und Ästhetiken an und spielen damit. Wie aber können sich subversive Methoden davor bewahren, vor den Marke­ting­kar­ren gespannt zu werden? „Radical Chic“ lautet das Motto, Konzerne bedienen sich gerne selbst quasi-subversiver, „revolutionärer“ Verkaufs­stra­te­gien, um ihre Sneakers, Mopeds, Jeans zu verkaufen. „In der Werbung wird versucht für Waren und Marken die nötige Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Strategien und Methoden, die bei subversiven Aktionen angewendet werden, funktionieren eben auch im Werbekontext. Das ist nicht weiter tragisch; ist glaube ich auch nichts Neues“, er­klärt Johann Schoiswohl vom Subversiv-Team.
Er sieht den springenden Punkt nicht in der subversiven Methode selbst, sondern im Inhalt und darin, was daraus gemacht wird: „Radikale Ideen können mit subversiven Praxen auf den Punkt ge­bracht, Herrschaftsstrukturen erkannt und ver­ändert, Machtmechanismen analysiert und angegriffen werden.“
Beim Thema „Ausblenden“ schreit der Wider­streit zwischen dem Protest gegen die Staats­spionage und der grassierenden freiwilligen Selbst­preis­ga­be auf Twitter, Facebook oder Blogger nach einer Analy­se. Wer dort über die Hautausschläge seiner Kin­der schreibt, liefert sich einer potenziell glo­balen Öf­fent­lichkeit ja weit stärker aus als beim besoffe­nen Heimtorkeln durch die videokontrol­lierte Alt­stadt.

Vollständiges Programm unter:
http://ausblenden.net, http://subversivmesse.net

Hinweis: Symposium „Normalzustände in der Krise“
Radikale soziale Kunstpraxen und Interventionen hinterfragen gesellschaftliche Normalzustände. Im Rahmen der Subversiv Messe wird in Kooperation mit dem Festival der Regionen ein Symposium abgehalten: Alejandra Aravena, Marina Grzinic, Ruth Noack, Gerald Raunig, Dmitry Vilen­sky und Stephen Wright werden sich mit Möglichkeiten und Fallen politischer/subversiver Kunstpraxen auseinan­dersetzen, diese historisch verorten und die Potentiale der zahlreichen feministischen, antirassistischen und ka­pi­talismuskritischen Projekte der letzten Jahre im Kontext der aktuellen gesellschaftlichen Umbrüche diskutieren. Das Spektrum reicht von kooperativen sozial engagierten und partizipatorischen Projekten bis hin zu symbolpolitisch-provokanten Aktionen.
16. Mai, 09.30–20.00 h, Hafenhalle09

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05/09
FotoautorInnen: 
Brody Pateau, Social Impact

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