Viel sprechen, alles meinen

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Im Theater Phönix wird „wohnen. unter glas“ vom Ober­österreicher Ewald Palmetshofer gespielt, eines der derzeit meistgespielten Stücke auf deutschsprachigen Bühnen.

Das Stück beginnt mit einer kleinen Dia­log­kom­position des Wortes „Du“. Babsi und Jeannie, zwei der drei Prota­gonist­In­nen des Stückes „wohnen. un­ter glas“ rich­ten zuerst ihr „Du“ ins Publikum. Was als Ansprechen eines möglichen Gegen­übers beginnt, kippt schnell in ein „Du“ der vielerlei Va­rianten: Die beiden verfallen in ein „Dududu“, das gleich zu Beginn eine Art kindlichen Regress der beiden Fi­gu­ren andeutet. Der äußerlich sich als in­­tel­lektuell überlegen gebende Max, der drit­te im Bunde, betritt die Bühne und be­ginnt einen seiner „inneren“ Monologe. Er spricht über seinen frü­­her geäußerten An­spruch von etwas „Gro­ßem“, und „darunter gerutscht“ zu sein, was er weiterre­dend und weiterdenkend auf „einfach drun­ter rut­schen“, „drunter rutschen un­ter das emotionale Mittel­maß“ fixiert – bei­nahe pedantisch verklemmt.

Drei Freunde, die einst das gemeinsame Wohnen verbunden hat, treffen einander wieder. Sie reiben sich an einer gemeinsamen Geschichte – und der nunmehrigen Sprachlosigkeit der wirklichen Be­dürf­nisse. Man redet, man denkt nach. Über die ge­meinsamen Ver­hält­nisse, übers gemeinsame Woh­­­nen. Wohin man gekommen ist. Man denkt nach übers Aus­brechen, Verlassen werden, darin versagt zu haben, sich „eine Vision, eine Perspek­ti­ve“ zu entwickeln, über „Kreuzungen, an denen einer einfach abbiegt“. Es begleiten die drei Pro­ta­go­nist­Innen: Unfähigkeit zum Genuss, emotionale Ver­störung, keine Höhepunkte im (Lie­bes-)Leben. Man spricht in Sätzen, die nicht ganz werden wollen, in Wörtern, die sich in den Körpern der Prota­go­nisten selbst erst beim Sprechen zusammenzusuchen scheinen. Und die manchmal, während des Sprechens, sprunghaft ihre Farbe wechseln. „Kri­tisch war das zwischen uns. Links“ ist so eine Pas­sage, die andeutet, wie viel Meinen in einer Ana­ly­se stecken kann und wie wenig tatsächliches Sa­gen sich hinter den verschluckten Be­dürf­nis­sen auftut. Denn was im Stück inhaltlich fast ideologiefrei daherkommt, als Bezie­hungsanalyse und klischeehafte Konsumkritik, als sogenannte „So­zi­alstudie“, wird gerade durch eine unfreiwillig ko­mische Sprache auf eine Ebene der Kritik ge­hoben, die von nichts weniger als vom „gänzlich kapitalisierten Menschen“ und seiner emotionalen Verarmung handelt. Beiläufige Satzfragmente und emotionale Wirtschaftlichkeit schaffen jene Leer­stel­len und Leerläufe, die die wahre Be­klem­mung der drei Mittdreißiger eröffnet: Babsi sehnt sich nach körperlicher Nähe, Jeannie nach dem „richtigen Wohnen“, das wohl die angestrebte Ehe inkludiert. Max hingegen philosophiert sich eine Weltsicht zusammen, die in ihrer Empörung in je­dem Moment an die gläserne Decke des eigenen Egos stößt. Was übrig bleibt: Das illusionslose War­ten auf den Messias – in aller postmodernen Zer­ris­sen­heit. Äußerst gelungene Inszenierung, The­a­tertipp!

Über den Zusammenhang von Individuum und Post­moderne, von Begehren, Versagen und dem schö­nen Rest des coolen, kapitalisierten Men­schen gibt das Programmheft Auskunft – inklusive eines Interviews, das Julia Engelmayer mit Ewald Pal­mets­hofer geführt hat.

„wohnen. unter glas“ noch bis 12. April im Theater Phönix.

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04/09
FotoautorInnen: 
Christian Herzenberger

Judith Richter, Simon Jaritz und Lisa Fuchs – unter Glas

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