Weltauswahl der Gegenwartskunst
Der Claim von Biennale Cuvée „Weltauswahl der Gegenwartskunst“ ist ohne Zweifel mit einem Augenzwinkern zu verstehen, verweist aber zugleich auf die Gewichtung von Biennalen als Trendbarometer für zeitgenössische Kunst. Nicht zuletzt deswegen, weil Biennalen weniger eine Repräsentation territorialer Gemeinschaften darstellen, sondern aus ihrer jeweils eigenen Position die Frage von Zentrum und Peripherie verhandeln. Besonders in Asien, und das ist der heurige Schwerpunkt der Ausstellung, glaubt man an Biennalen als Imageträger und City Marketing Tool. Zum anderen übernehmen hier die Großausstellungen vielfach eine Rolle, die Museen im Westen innehaben.
Mobilitätspolitik und ihre Auswirklungen, lokale Ausformungen globaler Wirtschaftszusammenhänge und die ihnen inhärenten Migrationsströme sind nur ein paar der Themen, derer sich die Ausstellung annimmt. Der gemeinsame Nenner, der unter dem Strich der Ausstellung steht, heißt Globalisierung. Viele der gezeigten Arbeiten unterbreiten Vorschläge, wie man persönliche und kollektive Handlungsspielräume durch Brüche und Umbrüche generieren kann. Querverweise dazu lassen sich, so der Tenor der Ausstellung, anhand des öffentlichen Raums, in den die Ausstellung auch erstmals expandierte, verhandeln. Rund um das neue Bahnhofsviertel wurden Energie AG, Arbeiterkammer und der Wissensturm zu Außenstellen von Biennale Cuvée. Dieser konzeptuelle Gang in den öffentlichen Raum ist ein weiterer Schritt in der Intention des Offenen Kulturhauses, die zeitgenössische Kunst in die Stadt auszuweiten. Weiters zeigen die dort ausgestellten Arbeiten einen direkten Zusammenhang zu den ausgewählten Orten. Die Assoziationen sind vielschichtig. In der Arbeiterkammer konzentrierte man sich in der Auswahl der künstlerischen Projekte auf das Gebäude als Institution mit politischem Auftrag.
Veränderte Arbeitsbedingungen, Produktionsmaschinerien und verschobene Machtstrukturen im Kontext neoliberaler Globalisierung zwingen uns zu neuen Lebensmodellen – aber auch zu notwendigen Widerstandstechnologien. Andreas Siekmanns Installation korrespondiert nicht nur durch ihre Außenanbringung auf sehr direktem Weg mit dem öffentlichen Raum. Der Titel selbst verweist auf ein Grundproblem desselben, wollen wir heute noch von „öffentlich“ sprechen. Die Installation „Trickle Down. Der öffentliche Raum im Zeitalter seiner Privatisierung“ (bezogen auf die neoliberale Trickle-Down-Theorie von Adam Smith) hat Siekmann für das Skulptur Projekt Münster produziert. Siekmann analysiert als Künstler und Theoretiker die Ideologie des Neoliberalismus, die alle Aspekte der Gesellschaft durchdringt und äußert scharfe Kritik an dessen Manifestation in der Arbeitswelt, der Politik und des öffentlichen Raums. In Form eines Piktogramme-Frieses an der Außenwand der Arbeiterkammer und einem Video im neu gestalteten Atrium des Gebäudes visualisiert er mit außerordentlicher Kraft die komplexen und abstrakten Prozesse politischer Ökonomie. Diese Umhüllung von Siekmann markiert die AK als Ort des Protests, dessen unterschiedliche künstlerische Möglichkeiten im Inneren der Arbeiterkammer ihre Fortführung finden. Während die deutsche Künstlerin Petra Gerschner in ihren Fotografien die Potenzialität und Möglichkeiten sozialer Bewegungen dokumentiert, stellt der taiwanesische Künstler Chen Chih-Jen die Notwendigkeit von Protestieren durch eine symbolische Ebene her. Er rollt ein Ereignis, oder besser, ein nicht-stattgefundenes Ereignis des weltweiten Streiks der Dockarbeiter gegen die Privatisierung im Jahr 1995 noch einmal auf. Das Schiff Neptune Jade, das als Zeichen dieser weltweiten Solidarisierung in keinem Hafen einlaufen durfte, und somit einige Monate durch die Weltmeere irrte, landete schließlich im größten Hafen von Taiwan. Dort wusste man weder von den Vorfällen rund um das Schiff noch von einem globalen Dockerstreik. Nachdem im Jahr 2006 diese Geschichte ans Tageslicht kam, überredete Chen Chih-Jen dieselben Arbeiter, an einer filmischen Aktion mitzuwirken, indem sie eine symbolische Streikpostenkette im Hafen bilden sollten. Das Video ist ein poetisches Dokument über die Notwendigkeit von vereintem Widerstand.
Konsequente Ortsbezogenheit findet in der Energie AG auf völlig andere Weise statt. Hier wird weniger auf eine gesellschaftliche Dimension verwiesen, als mehr auf die Betriebsstrukturen selbst: Wissenschaft und Technologie, die durch ein drittes Element, nämlich die Magie, ihre Zusammenführung finden. Das Spiel mit Wirklichkeit und Realität wird dabei in verschiedenen Variationen durchdekliniert. So steht ein schwebender Stein des chinesischen Künstlers Zhan Wang Arbeiten, wie jene der brasilianischen Künstlerin Renata Lucas gegenüber. Lucas inszeniert eine Überwachungsfarce, indem sie in die realen Bilder der Überwachungskameras auf die Räume der Energie AG Bilder von umher wandernden Tieren einspeiste.
Diese unterschiedlichen Zugangsformen von Gegenwartskunst, wie die Außenprojekte darlegen, manifestieren sich in der Hauptausstellung im Offenen Kulturhaus. Aus ihr schließt man, dass, will man von Weltauswahl sprechen, die künstlerischen Ausdrucksformen vielschichtig sind: Kunst als Forschungslabor und Rechercheformel, die sich zum einen mit formalen Aspekten beschäftigt und zum anderen Möglichkeiten sucht, realpolitische Ereignisse zu erfassen. Der Versuch, in einem Cuvée all diese Tendenzen zusammenzufassen, ist zugegeben ambitioniert. Dennoch zeigt die dritte Ausgabe von Biennale Cuvée eine Schärfe, die sich vor allem durch inhaltliche Kohärenz ergibt. Dies auch durch Kontextualitäten, die sich paradoxerweise aus den standortbezogenen Unterschieden von Kunst und Kunstauftrag ergeben. Die Frage, wie derartig site-spezifische Arbeiten von Biennalen überhaupt in Kontexten anderer Orte und anderer Ausstellungen funktionieren können, kann bei diesem Format eines Cuvées zugunsten der Ausstellung von unterschiedlichen Produktions- und Arbeitsprozessen selbst beantwortet werden.
Installation von Kuswidananto, bei der O.K-Ausstellung „Biennale Cuvee“ zu sehen.
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