Stadtkeller und Landschaftsparcour

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Kaum ein Gebäude wird derzeit so heftig diskutiert wie jenes, das den offiziellen Namen „ehemaliges Brückenkopfgebäude Ost“ trägt. Im Keller, dort wo sich bis in die 1970er Jahre das gutbürgerliche Restaurant namens Stadtkeller befand, befindet sich derzeit bereits einer der interessantesten, weil vielschichtigsten neuen Ausgehorte in Linz.

Erbaut während des Nationalsozialismus, hat das Gebäude bis vor kurzem die Finanzdirektion Linz beherbergt. Die Kunstuniversität will demnächst oder irgendwann in das sich im Besitz der Bun­des­immobiliengesellschaft befindliche Gebäude einzie­hen und wälzt derzeit Umbaupläne. Im Keller, dort wo sich bis in die 1970er Jahre das gutbürgerliche Restaurant namens Stadtkeller befand, ist der­zeit wohl einer der interessantesten, weil vielschich­tigs­ten Impulsorte von Linz – der wiederbelebte Stadt­keller. Hans Kropshofer, Kunst- und Kulturar­bei­ter mit Hang zu neuen, unmöglichen Orten, hat ihn gemietet und führt gemeinsam mit seinem Team Markus Gruber, Clemens Bauder, Amir An­da­my und vielen SympathisantInnen vor, was der Be­griff „Zwischennutzung“ wirklich bedeuten kann.

Ob er Kartoffeln brauche, wurde Kropshofer von einem Herren gefragt, der eines Tages den Stadt­kel­ler betrat. Er, der Herr, habe nämlich jahrelang das Stadtkeller-Restaurant mit Kartoffeln be­liefert. Ähnliche Geschichten gab es in den letzten Wochen viele, erzählt Kropshofer, viele wurden durch das nunmehr wieder beleuchtete Entree an jene Zeit erinnert, in der der Stadtkeller eines der beliebtesten Linzer Restaurants war. Dieser Stadt­keller hat eine Geschichte wie sonst kaum ein Ort in Linz: Im Keller eines „typischen“ Nazige­bäu­des, ein gutbürgerliches Restaurant bis in die 1970er Jahre, ein Burschenschaftslokal, ein Ausstel­lungs­ort und nun: Der Stadtkeller. Konzerte, Buchprä­sen­tationen und demnächst „golf the house“. Eines Ta­ges jedenfalls, im Herbst des vergangenen Jah­res, machte sich Kropshofer auf, um mit der Bun­desimmobiliengesellschaft einen Mietvertrag für die Räumlichkeiten im Brückenkopfgebäude Ost zu unterzeichnen. Kein Strom, keine Sanitär­an­la­gen, dafür jede Menge Geschichte erwarteten den Verein „happening – KV“, den Hans Kropshofer mit Clemens Bauder und Markus Gruber als Pro­jekt­träger gegründet hat. Ein richtiges Nutzungs­konzept gibt es bis heute nicht, und das macht doch den Reiz der ganzen Geschichte aus, irgendwie, so sicher ist sich Kropshofer da nicht, einfach weil alles so kurzfristig von statten gehen musste, so ungeplant und doch nur für so kurze Zeit, „voraussichtlich“ maximal ein Jahr, ohne die Möglich­keit, aus Fehlern zu lernen. Ein regelrechter Sprung ins kalte Wasser sei es gewesen, gibt Kropshofer zu. Das „transpublic“ am Alten Markt hat er für den Stadtkeller aufgegeben, jahrelange Kulturar­beit für ein Jahr intensivster Veranstaltungs­ar­beit aber auch möglichen Scheiterns eingetauscht. Die bislang für das „transpublic“ erhaltenen Förde­run­gen habe er umgeschaufelt, so Kropshofer, was nach 2009 kommt, wenn die Kunstuniversität wirk­lich einzieht und im Keller Werkstätten errichtet, wisse er nicht. Ohne die Unterstützung von BIG und Kunstuni und vor allem ohne das vielfache Ma­terialsponsoring, um Sanitäranlagen, Stromlei­tun­gen, Bars, Sitzgelegenheiten zu schaffen, hätte der Stadtkeller innerhalb so kurzer Zeit gar nicht eröffnet werden können. Zwischennutzung, das im­pliziere eben auch Recycling und den kreativen Um­gang mit Material, man habe gebastelt und das verwendet, was da war oder was man geschenkt be­kommen habe, immer im Hinblick darauf, es in wenigen Monaten wieder abbauen zu müssen. „Per­fektion durch Improvisation“ sagt Kropshofer läch­elnd, das habe schließlich eine besondere Quali­tät. Und an dieser prozesshaften Atmosphäre kön­nen BesucherInnen nun an jedem Wochenende teil­haben. Wer die Granitstiege hinabsteigt und den holzvertäfelten Raum betritt – der mittlerwei­le ob seiner Ostblock-Ästhetik Honegger-Saal ge­nannt wird – ist bereits mitten drin in einer Um­ge­bung, in der einerseits die Zeit stehen geblieben zu sein scheint und die andererseits eine für Linz wohltuende urbane Lebendigkeit ausstrahlt. Der Stadtkeller, so Kropshofer, soll einen kreativen Umschlagplatz für interessierte AkteurInnen bieten und so finden hier ebenso Jazzkonzerte von Studierenden der Bruckneruniversität statt, die Buch­präsentation des Linz0nein Buches, legen hier Dancefloor-DJs auf oder stellen sich die legendären Mollies ein – angeblich – letztes Mal auf die Bühne. Die passen mit ihrer Linzgeschichte ja wie­derum perfekt in das Ambiente, das Kropshofer als eine Art Missing Link zwischen Vergangenheit, Ge­genwart und Zukunft sieht. Eine kleine „Geschich­te nach der Geschichte“ wolle er dazwischen schrei­ben, eine Zwischennutzung, wie sie in vielen an­de­ren europäischen Städten längst Usus ist. Zu die­sem Thema gibt es in Linz wenig Erfahrung, das weiß Kropshofer nicht erst durch sein Enga­ge­­ment am Frachtenbahnhofsgelände, wo nichts von dem, was das Projekt transareale ausgearbei­tet hat, in die Bebauungspläne der Stadt Linz aufgenommen wurde. Der Stadtkeller aber entziehe sich als selbstorganisiertes Projekt bislang jegli­cher politischen Instrumentalisierung, und Krops­ho­fer sagt das mit einem skeptischen Lä­cheln, so als wür­de er jederzeit damit rechnen, ein entsprechen­des Angebot zu erhalten, damit auch aus dem Stadt­kel­ler ein weiteres Puzzleteil einer „Kultur-für-Al­le“ Struktur wird.
Noch aber sieht es nicht danach aus und der Kel­ler am prominenten Standort zieht sein bemerkens­wert vielschichtiges Publikum an. Eines der kommenden größer angelegten Projekte ist „golf the house“. Hier setzt Kropshofer gemeinsam mit Cle­mens Bauder einmal mehr sein Prinzip von Zwi­schennutzung und offenen Beteiligungsformen um. Mit den Mitteln der Kunst und Architektur soll der Ort zu einer inszenierten Landschaft erweitert wer­den und sich spielerisch zu einer „transistorischen Stadtoase“ entwickeln. Einmal im Monat wird eine KünstlerIn eingeladen, um den „wandelbaren Land­schaftsparcours“ zu verändern.

Alle anderen Veranstaltungen lässt Kropshofer auf sich und das Publikum zukommen, je mehr, umso besser. Beteiligung ist gefragt, und bislang ist das Interesse an diesem neuen, charmanten, irgendwie skurrilen Raum groß. Wie es weiter geht, nach 2009, kann bislang niemand sagen, Kropshofer wür­de sich freuen, wenn sich eine weitere Ko­o­pe­ration mit der Kunstuni ergeben würde, wenn die­se im Brückenkopfgebäude einzieht. Die Chancen da­für stehen grundsätzlich nicht schlecht, schon alleine deshalb, weil der Stadtkeller kein Projekt von Linz 09 ist, sondern ein eigenständig in Linz entstandenes, sich selbst finanzierendes Projekt, ein flexibler Freiraum eben, in mehrfacher Hin­sicht.

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04/09
FotoautorInnen: 
Ingrid Bartel

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