Das ausgefaltete Werk
„Wörtliche Poesie“ (Lyrik, Haiku) steht gleichberechtigt neben „optischen“ und „akustischen“ Auseinandersetzungen (Ornithopoesie). Diese vom Künstler getroffene Werkeinteilung spiegelt sich in der von Steinbacher gemeinsam mit der Hamburger Künstlerin Lili Fischer (Jappes langjähriger künstlerischer Weggefährtin) entwickelten Ausstellungskonzeption. Während das StifterHaus die Künstlerbücher, Jappes Arbeiten zu Landschaften und seine Kaligramme zeigt, wird die MAERZ-Galerie Gelegenheit bieten, den akustischen Arbeiten von Jappe nachzuhören. Daneben zeigt die Galerie eine repräsentative Auswahl seiner Schriftbilder. Beide Ausstellungen bieten somit die einzigartige Gelegenheit, das Werk des 2007 verstorbenen Jappe in all seinen Aspekten differenziert erfahren zu können. Dabei wird schnell deutlich, dass es dem Künstler um mehr als eine bloße Vermittlung zwischen verschiedenen künstlerischen Sphären ging.
Die vom Künstler selbst getroffene Gattungseinteilung erweist sich im Rahmen der Werkschau als brüchig. Sein poetisches Tun scheint durch eine Durchlässigkeit gekennzeichnet, die die Hierarchie sinnlicher Wahrnehmung suspendiert. Dieser Kunst ist stets daran gelegen, das Optische im Akustischen aufzuspüren, das Literarische im Gesang der Vögel, das Bildhafte im Schreiben und so fort. Konsequent bearbeitet ihr Verfasser Fragen der Übersetzbarkeit und schlägt aus weitverzweigten Etymologien poetisches Kapital. Jappes Arbeit siedelt eben nicht in einem „Zwischen“, sie erschafft eigene Räume, die die Grenze zwischen Innen und Außen suspendieren wollen. Kunst ist weder mimetisches Abbild noch Spiegel einer immer schon vom Menschen geformten Natur, vielmehr ein vielstimmiger Kommunikationsprozess, der Spuren in der Umgebung hinterlässt, die ihrerseits auf die poetische Arbeit Einfluss nimmt. Die dadurch angestrebte Durchlässigkeit paart sich mit einer Transparenz des Tuns: „Das Tun darunter ist nicht verkümmert, verschwunden, ausgelöscht, sondern das Tun macht sich entschlossen bemerkbar, auch wenn es auf einer Oberfläche immobilisiert worden ist.“ (Elfriede Jelinek über die Arbeit von Jürgen Messensee). Das Prinzip der Frottage, das Jappe seinem in der Ausstellung sichtbaren Schreibtisch aus Kindertagen verdankt, entspringt dieser Idee. „Jappe erfährt die Spuren des Schnitzmessers, die Aureole von Rotweinrändern, die Schmutzpocken verklebter Überbleibsel als Zeichen gelebten Lebens, das in dem Möbel steckt. Jede Tischplatte hält ihre eigene Geschichte fest, ob darin nun eine umgestoßene Kanne Tee oder ein geborstener Riss tragende Rollen spielen.“ (Manfred Schneckenburger).
Beim Schreiben wird das bereits Geschriebene sichtbar. Schreiben ist Wiederholung. Schrift prägt sich in einen vermeintlichen Untergrund, der seinerseits bereits von Schrift strukturiert ist. Ein Ursprung ist nicht auszumachen. Die Kunst kennt keinen Ursprung. Lediglich verzweigte Genealogien. Das „Tun“ macht sich bei Jappe bemerkbar als chronologische Fortschreibung der Ereignisse als Leporello oder Schreibtischblätter, die zwar ein Datum, Verortung (Situation), aber wie Lektüre weder Anfang noch Ende kennen. Man weiß nie mit Sicherheit, wo man anfangen soll, wie man Orientierung erlangen kann. Das macht die Auseinandersetzung mit seinem Werk so lohnend.
Für die Beweglichkeit.
Die Tage der Poesie stehen 2009 unter dem Motto „Notizen, Ränder, Nomaden“.
Werkschau Georg Jappe Die Ausstellung läuft von 01. bis 19. April, täglich außer Montag. StifterHaus: 10.00–15.00 h, Maerz: 12.00–17.00 h.
Poesie-Tage 15. bis 18. April. Programmpunkte sind unter anderem:
Von den Transformationen: Textmaschine von Jean-Pierre Balpe; Lesung von Péter Esterházy; Performance von Blablabor. 15. April, 19.30 h, KV Maerz
Z.B. das Gedicht: Lesungen von Ann Cotten, Franzobel, Ilse Garnier (Projektionen), Ottó Tolnai, Anja Utler, 16. April, 19.30 h, StifterHaus
Lesung Lászlo Márton/Yoko Tawada, Buchpräsentation „RanitzDialoge“; 17. April, 15.00 h, Botanischer Garten
Lesung Tamás Jonás, Lajos Parti Nagy, „Les arts contigus“ = Lesung/Sprechauftritt: Michèle Métail/musikalische Korrespondenz: Louis Roquin. 17. April, 19.30 h, KV Maerz
Konzert mit Kompositionen von Peter Ablinger, Louis Roquin (UA), Anette Schmucki und Mathias Spahlinger. 18. April, 15.00 h, Rubble Master HMH Montagehalle
Vollständiges Programm unter www.maerz.at
„Haiku“ von Georg Jappe auf Foto von Lili Fischer
& Drupal
spotsZ - Kunst.Kultur.Szene.Linz 2006-2014