FLAUM – Nach 120 Tagen im Raum

Städte(bau) anders erleben und erforschen, das wollten fünf Studierende der Kunstuniversität Linz, Studienrichtung Architektur. Anna Wolf, Petra Stiermayr, Stefan Edmund Groh, Markus Jeschaunig und Alexander Kollmann gründeten kurzum das „Forschungslabor öffentlicher Raum“ – FLAUM. Als externen Berater konnten sie den Architekten Lorenz Potocnik gewinnen. Präsentiert wird eine Forschungsarbeit der besonderen Art am 19. Oktober im Architekturforum OÖ in der Prunerstraße 12 in Linz.

Die klassische Art, das Thema Städtebau zu bearbeiten, mit Hilfe von Flächenwidmungsplänen, Be­­bauungsplänen etc. wird zur Genüge an Uni­ver­­sitäten gelehrt und war unbefriedigend ge­wor­den. Das FLAUM-Team wollte von her­kömm­­li­chen Analysemethoden wegkommen und das The­ma sensibler und sinnlicher durch persönliche Beobachtungen an der Stadt, ihren Be­woh­ner­Innen und ihren BesucherInnen aufarbeiten. Das Projekt begann im Herbst 2005 mit Expe­ri­menten in Linz und führte das FLAUM-Team auf der Suche nach „wilderen“ Orten nach Belgrad, Sofia und Istanbul. Mit Stadtkarten­verbot. Mehr dazu in folgendem Interview von Margit Grein­öcker.

Was war die Intention zu FLAUM? Welche Gedan­ken steckten dahinter?
In erster Linie wollten wir etwas Eigenes machen. Die Ausschreibung zum Jahresthema vom AFO – „Vor der Haustür“ – kam gerade rechtzeitig und wir setzten uns zusammen, um ein Konzept zu er­arbeiten. Dass das Ganze in Richtung Städtebau gehen würde, war von Anfang an klar. Wir wollten hier eine Alternative zur Universität haben. Unser Projekt wurde vom AFO genommen und so konnten wir Anfang dieses Jahres mit FLAUM starten. Ein konkretes Thema steckte damals noch nicht dahinter und das gibt es auch heute noch nicht. Wir hatten vor, uns sehr frei und ungebunden mit Städtebau, Urbanismus, Aktion und verwandten Themen zu beschäftigen. Nach einiger Zeit blieb nur mehr eine Kerngruppe – Anna, Petra, Markus, Stefan und Alexander – übrig. Sehr schnell war uns klar, dass ein Input von außerhalb unverzichtbar ist und so haben wir über Rainer Zendron/Kunstuni einen Kontakt zu Lorenz Potocnik geknüpft und ihn als Berater gewonnen. Die ganze Arbeit hat danach im März unter dem Titel „FLAUM – in 120 Tagen durch den Raum“ begonnen.
 
Wie habt ihr das Thema bearbeitet? Welche Fra­gen habt ihr euch/der Stadt gestellt?
Wir haben sehr frei begonnen – fast ziellos. Mit kleinen Übungen zur Stadtwahrnehmung, wie Ver­folgungen, Beobachtungen oder das Abfahren der Straßenbahnlinie 1 – von der Kepler-Uni bis in die Solarcity. Es war ein Suchen nach einer kon­kreten Aufgabe für Linz, für unsere Stadt. Wir haben immer ein Problem gesucht und sind nach einiger Zeit zur Erkenntnis gelangt, dass das Problem von Linz ist, dass es keine Probleme hat. Es ist alles so gut geregelt und ruhig, beschaulich, sodass es ideal ist – ein bisschen wie in ei­ner Utopie. Mit diesem ersten Ergebnis sind wir auf Reise gegangen. Unter dem Motto „wild und sinnlich“ versuchten wir in Belgrad, Sofia und Istanbul einen anderen Charakter von Stadt zu entdecken. Um der ganzen Reise etwas mehr Wür­ze zu verleihen, haben wir nur die Zugtickets gekauft – wir sind ohne Buchungen losgefahren – also frei. Am wichtigsten war aber ein selbst auferlegtes Kartenverbot. Demnach musste alles aus dem Gedächtnis heraus passieren – wir wollten keine vorherige Determinierung unserer We­ge und Wahrnehmung. Zusätzlich haben wir uns kleine Aufgaben in den Städten gestellt – wie den höchsten Punkt zu finden, Kontakt zu Einheimi­schen zu knüpfen, usw.. Wir haben uns auf der Rei­se treiben lassen, sind flaniert und haben beo­bachtet. Auf der Reise entwickelte sich eines un­ser­er Hauptthemen – die Karten. Wir haben an­ge­fangen, alles zu kartographieren, unsere eigenen Stadt­karten zu zeichnen. Über diese Arbeit sind wir zu den psychogeographischen Karten und den Situationisten gekommen. Bei FLAUM ist es immer ein Weiterarbeiten von einem zum näch­sten. Es existiert selten ein exaktes Thema und doch beschäftigt sich jeder mit der Stadt. Und die Themen greifen auch immer wieder ineinander – wie die Karten, der Situationismus, die Stadt­wahr­nehmung und deren Aufzeichnung wie­derum in Karten. Das ganze ist wie ein Sog, in den man im­mer tiefer eintaucht.

Welche Aktionen hat es in den letzten Monaten ge­geben?
Da war einerseits die Reise – für uns persönlich sehr wichtig. Dann haben wir regelmässige Dis­kus­sionsabende als „FLAUM.Salon“ organisiert – mit den verschiedensten Themen, zu denen wir auch Gäste eingeladen haben. Themen waren: Vi­deo­überwachung, Reisen und Recording, Metro­pole versus Prärie, Situationismus, Grenzen, und vieles mehr. Wir haben das genützt, um zusätzliche Impulse zu erhalten, aber auch um Architek­ten einzuladen, deren Arbeit uns interessiert hat. Außerdem unternahmen wir zwei Spaziergänge mit Walter Zschokke unter dem Titel „FLAUM.flaniert“ in Wien und Linz. Diese waren sehr persönlich und aufschlussreich bezüglich ihrer Be­o­bachtungspräzision. Unsere vorerst letzte Aktion wird eine Ausstellung im Oktober sein. 

Welche Erfahrungen/Erkenntnisse habt ihr ge­macht?
Wir sind uns nicht sicher, ob es sich schon ab­schätzen lässt, was der Erfolg war und ist. Das heurige Jahr war jedenfalls eine Bereicherung für jeden von uns. Die Arbeit bei FLAUM würden wir sicher nicht missen wollen. Es war aber auch viel Arbeit, mehr als jeder von uns vermutet hät­te. Man hat fast zu wenig Zeit für alle Aspekte von Stadt, mit denen man sich beschäftigen möch­te. Für die Zukunft war dieser Lernprozess mit allen seine Leiden und Freuden sicher das wichtigste. Man lernt ununterbrochen dazu. Es ging auch nie darum, sich in einer Sparte zu spezialisieren, es ging um ein allgemeines, anderes Verständnis von Stadt. Als Erkenntnis lässt sich als erstes mitnehmen, dass Stadt unheimlich kom­plex und ineinander vernetzt ist. Man muss sich Zeit nehmen für die Beobachtung, für die Aufzeichnung, um die verschiedenen Aktionen in ihr wahrzunehmen. Die Erkenntnis über das an­dere Gelernte kommt sicher noch. 
 
Was zeigt die Ausstellung in Oktober?
Was die Ausstellung anbelangt, so haben wir aus verschiedensten Strategien eine ausgewählt. Aus der Beobachtung heraus, dass 90% der Besucher­In­nen zur Vernissage kommen, haben wir uns ent­schieden, dies zu einem Hauptteil der ganzen Aus­­stel­lung zu machen. Sie soll sich in die Serie der Sa­lons eingliedern, mit unserer Gruppe als Thema. Was uns aber wichtig ist, ist etwas zu hin­terlassen. Wir wollten nicht einfach aufhören, oh­ne ei­ne Zusammenfassung von FLAUM zu ha­ben. So kam die Idee mit dem Skript. Eine Nach­lese – einfach und schnell. Hier ist von allen un­serer The­­men etwas drin. Es ist collagiert, wie ein zu­sammen kopiertes Skript – im Umfang von ca. 200 Sei­ten – teilweise Farbe, teilweise Schwarz
/Weiß. Das Skript stellt keine abgeschlossene Ar­beit dar, sondern ist ähnlich offen wie unsere Arbeit selbst und als ein Schritt wieder zurück in die Uni gedacht. Dieses gibt es dann bei der Aus­stel­lung. Ansonsten wollen wir einen Abend, der ein Abschluss des Jahres sein soll. 
 
Wie geht’s dann mit FLAUM weiter?
In dieser Form sicherlich nicht – schon allein deshalb, da einige von uns nicht in Linz bleiben werden. Wir wollen als Fortsetzung zur ersten Reise auch andere Routen in Europa einschlagen. An­sonsten ist FLAUM eine offene Plattform – es kann sich eine neue Gruppe von StudentInnen finden, die hier weiter arbeiten will, die eigenständig werden will. FLAUM soll uns überraschen.

Der Duft von FLAUMigem Bisquit möge sich vermehrt in luftleeren Architekturlehrstätten verbreiten ...

Das vollständige Interview ist am 6. Oktober um 17.30 Uhr bei Radio FRO zu hören.
Weitere In­formation auch auf folgenden Internet­seiten:
www.afo.at, www.flaum.org

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10/06
FotoautorInnen: 
FLAUM

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