radiabled – der Versuch eines barrierefreien Radios

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Initiiert von Mitarbeiterinnen von Radio FRO fand im Juli ein zweitägiger Workshop für Radio­anfängerInnen statt. Das Besondere daran war: Mehr als die Hälfte der TeilnehmerInnen sind körperlich oder psychisch beeinträchtigt. Mit radiabled wurde das Experiment gestartet, auf Dauer eine Redaktion von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen aufzubauen, die es allen ermöglicht, die nötige Unterstützung zu erhalten, um auf Sendung gehen zu können. Michael Bönisch, Redaktionsmitglied von radiabled im Interview.

Michael, du bist einer der Workshopteilnehmer ohne körperliche Behin­de­rung. Wie hast du das Wochenende erlebt?
Ich habe den Workshop im Juli als sehr entspannt erlebt. Jedem war von An­fang an bewusst, dass es ein Experiment ist, dadurch ist das Konkur­renz­denken weggefallen. Niemand hat versucht, nur „seins“ möglichst schnell zu finden, alle haben auch auf die Bedürfnisse der anderen geachtet.
Es war auch ein AHA-Erlebnis für mich. Ich habe gelernt, dass körperliche Behinderung nichts Statisches ist und auch hier die Bedürfnisse von Tag zu Tag sehr unterschiedlich sind. Bei spastischen Lähmungen beispielsweise ver­ändert sich ständig etwas. Meine Kollegin Julia kommt vielleicht an einem Tag mit einer Situation sehr gut zurecht und braucht keinerlei Hilfe, an einem anderen Tag aber, wo sie es alleine probiert, schafft sie es nicht. Es geht darum, dass die Leute, die zufällig da sind, selbst­ver­ständlich die nö­tige Hilfe geben, wie es beim Work­shop der Fall war.

Aus dem Workshop heraus ist mittlerweile eine Redaktion entstanden, die demnächst auf Sendung gehen wird. Welche Erfahrungen habt ihr in diesen zwei Monaten der Vorbereitung gemacht? Was sind die tatsächlichen Handi­caps im Studio?
Allgemein ist zu sagen, dass die Begehbarkeit und die Infrastruktur inklusi­ve aller Sanitäranlagen bei FRO und im gesamten Haus ideal sind, das hat sich jetzt schon mehrmals gezeigt. Aber um nicht nur in eine Sendung als Gast eingeladen zu werden, sondern selbst zu produzieren, reicht das nicht aus. Schnell offensichtlich ist das Platzproblem im Studio, mit mehreren E-Roll­stüh­len wird es zu eng. Eine weitere Schwachstelle ist der Studio-PC. Kör­­­perlich beeinträchtigte Menschen können meistens mit einem PC sehr gut umgehen, benötigen aber eine Spezialausrüstung. Das Problem geht noch weiter, wie sich bereits gezeigt hat. Thomas, ein Mitglied unserer Re­dak­tion, kann aufgrund seiner Behinderung an den Händen im Studio gar nichts bedienen, er würde also immer eine Tech­nikunterstützung brauchen, was von FRO natürlich nicht geleistet werden kann. Jetzt ist es so ge­löst, dass er seine Sendungen vorproduziert. Es wä­re gut, die Möglichkeit zu schaf­fen, livestream von überall her empfangen zu können und gleich live auszustrahlen, denn zuhause kann Thomas sehr wohl mit seinem Spezial-PC unabhängig von jemand anderem gut ar­beiten.

Ihr werdet demnächst die ersten Sendungen ausstrahlen. Mit welchen Inhal­ten beschäftigt sich radiabled? Gibt es eine gemeinsame Sendung?
Nein. Es sind ganz unterschiedliche Sendungen entstanden. Es gibt den Schwer­­punkt Integration in „noHandicap“, die weiteren Sendungen verfolgen aber ganz andere, persönliche Interessen: Musik, Theater, Literatur, usw.. Es sind private Interessen, wie es eigentlich in „noHandicap“ auch der Fall ist, weil es Julia, die die Idee für „noHandicap“ hatte, ein großes An­lie­gen ist, das Thema Integration bekanntzumachen.

Was ist deine Motivation bei „noHandicap“ mitzumachen?
Mir gefällt an „noHandicap“, dass diese Sendung einen hohen Anspruch hat und die Aktivitäten über die Sendung hinausgehen. Es sollen nicht nur Tipps in der Sendung gegeben werden, es geht auch darum, gemeinsam öffentliche Orte in Linz auf ihre Barrierefreiheit zu testen usw..
Es ist zwar hauptsächlich Julia, die von der Behinderung betroffen ist, aber ich merke, ich bin selber mitbetroffen, wenn ich mit Julia im Rollstuhl un­ter­wegs bin, um etwas für die Sendung zu tun, oder auch nur, um Freizeit mit­einander zu verbringen. Ich merke, auch für die Begleitperson ist es an­stren­gend.

Es gab einen ähnlichen Versuch in Graz, eine gemischte Redaktion aufzubauen, (blind tv – Radio Helsinki). Wolfgang Temmel hat bei seinem Vortrag am Abend des Workshops davon sehr ernüchternd berichtet, wenngleich er auch die Hoffnung geäußert hat, es könnte hier in OÖ anders sein. Was ist deine Einschätzung?
Man darf die Erwartungen, gesellschaftlich etwas ändern zu können, einfach nicht zu hoch stecken. Wir möchten dort ansetzen, wo die Dinge leicht änderbar sind, bei Freizeiteinrichtungen etwa oder konkret bei der Um­set­zung unserer Sendungen.

Was kann radiabled auf Dauer zusammenhalten, wenn die Sendungen so un­ter­schiedlich sind?
Der Rahmen von radiabled war und ist grundsätzlich offen. Es sind bereits Leute ausgestiegen und es sind neue dazugekommen. Radiabled war der An­­stoß, etwas gemeinsam zu probieren, was wir alleine nicht getan oder ge­schafft hätten. Vielleicht löst sich radiabled irgendwann einmal auf, weil die einzelnen Sendungen ohnehin schon gut funktionieren.
 
Eure Erwartungen an FRO?
Nach der anfänglichen Unterstützung durch das FRO Team werden wir nun nur mehr inhaltlich weiterbetreut. Wir wünschen uns eine Ansprechperson auch für zukünftige praktische Probleme, mit der man gemeinsam nach Lö­sungen suchen kann. Es soll auch weiterbildende Seminare geben, Tech­nik, Sprechtechnik, Computerprogramme etc. Dieses Angebot ist großteils vor­han­den, es geht aber darum, bei allen Seminaren darauf zu achten, wer und mit welchen Bedürfnissen oder auch körperlichen Voraussetzungen daran teilnimmt.
 
Was sind deine persönlichen Erwartungen?
Spaß zu haben natürlich und zusätzliche Leute für die Redaktion zu gewinnen. Langfristig eine Community aufzubauen, eine Homepage für radiabled zu entwickeln und diverse Aktivitäten außerhalb der Sendung durchzuführen.

Radiabled startet am 10.10., die Sendungen finden jeden 2. Dienstag im Monat, von 16.00-17.00 h und 19.00-20.00 h statt (siehe Radiotipps).
Kontakt: radiabled@fro.at

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