Zunder, nicht Zander

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Ein Jubiläum der anderen Art. Ein Festival als glatter Selbstreinigungsprozess in Zeiten der Cholera. Ein Haus am Zündeln. Eine Stadt im Zustand der Ausnahme. Ein C. Well war mitten im Streufeuer – gezeichnet von Stiften, deren Farbe Kohlen zum Glühen bringt.

Anlässlich der Festivitäten zum Kapuzunder-Fes­tival im Linzer Kulturselbsthilfeverband „KAPU“ blieben einige Feuerwerke auf der Strecke und kre­pierten noch im Rohr. Obwohl angekündigt, blieb die Lunte unter dem Radar. Die um sich schlagende Kulturverbindung benannt nach der Straße, in der seit 26 Jahren das ein oder andere Schandluder betrieben wird, lief justamente zu diesem unrunden Jubiläum auf keinen Fall die Re­serve aus. Ein eine Woche dauerndes Festival wurde unter die Linzschaft geworfen, sozusagen als Gaul, dem nicht ins Innere des Kopfes ge­schaut wird. Tradition hat das schon in diesem Haus, rund oder gar angekündigt feiert man hier schon gar nicht. In feiner Gesellschaft der Franz-Von-Assi-Treuen-Kapuzuinerschaft gelegen, Kirche und Gruft wohlgemerkt, und im großzügigen Res­pektabstand von 40 Metern zur Postadresse des Kameradschaftsbundes und anderer burschikoser Versuchungen lässt es sich schön auf die Kasta­nienbäume schauen. Also, wer die Kapu bis hierher nicht kennt, möge auf die Homepage verwiesen sein, oder hat die letzten 26 Jahre unter der Heizdecke der Oma verbracht, was aber an dieser Stelle eher nachrangig ist.

Um einen Einblick ins verd(r)eckte Szenario dieses überschätzten Kulturschuppens zu gewinnen, möge folgende Situationsbeschreibung, die sich so oder so ähnlich bei diesem Festival zutrug, als Aus­­gangssituation dienlich sein: Der Hausmeis­ter flucht alkoholgeschwängert durch den Korridor, noch immer weiß niemand, wer eigentlich ausstellt. „Wer hat die Türschnalle abgebrochen?“, schallt es vom einzig funktional denkenden Menschen, natürlich dem Hausmeister, der gesamten Be­leg­schaft entgegen. Welche sich, das sei an dieser Stel­le erwähnt, aus sogenannten „ehrenamtlichen“ Ro­botniks zusammensetzt, und ob dieses nicht un­wichtigen Details vor den Büro-Bildschirmen in De­ckung geht. Der Tontechniker verkriecht sich ob dieser Tatsache gleichfalls tunlichst in Erle­di­gungen, da muss noch irgendwo ein Kabel gelötet werden. Objekte wollen in den richtigen Kontext gebracht werden, was aber beim Galeristen, der sich nebenberuflich in der Rapformation Texta ver­­­dingt, nur einen müden Lächler hervorzurufen weiß. Dass diese ganze Sache nach mächtig Ärger riecht und völlig unbezahlt über den Jordan geht, ist für die Beteiligten längst Gewissheit, zu sehr klaffen die eitrigen Wunden der Nichtbeachtung innerhalb dieser schadstofffreien Kult(ur)-Stadt, zu sehr ist das mediale Schweigen ebenfalls allen einerlei. Wobei meine Einschätzung, jetzt darf ich’s ja sagen, als jahrzehntelanger „Program­ma­teur Pro­vocateur“ vor Ort, schwer in Richtung „Wo an­ders wär ich Millionär“ schlägt, zu oft passierten hier Diversitäten, die als Ösi-, oder Was-Auch-Im­mer-Premiere passieren. Diese Tatsache macht das Spiel an diesem Ort, der KAPU auf seine Fah­nen schreibt, gerade erst reizvoll. Leiden und das Los immer wieder voll motiviert die nächste Ver­an­staltung abzuziehen, auch wenn das zumeist ähnlich charmant wie ein glatter Durchschuss durch die Vorderzähne rüberkommt. Irgendwie Schuld oder Sühne, oder eine Art von Minder­wer­tig­keits­komplex.

Als Herzstück des Kapuzunder-Festivals darf wohl die im Mittelpunkt stehende, eine Wo­che dau­ernde Ausstellung zur Thematik „Machine Rocks“ dienen. Flankiert von Film und Lecture, ein­gebettet in ein ultra-chilliges Dub-Cafe, das nach Ewigkeiten in die Spätrenaissance getrieben wurde und ein Comeback feierte. Vom Dub-Meis­ter Marc 9 gebraut, der bei Time’s Up, dem wohl kreativsten Platz der Stahl-, nein, Hafenstadt Linz, seine biomechanischen Maschinen in die weite Welt loslässt. Außerdem thronte im Herzstück der Ausstellung seine umwerfende Klanginstallation „Der Vibrant“. Eine mechanische Skulptur mit der Aura einer Winderzeugungsmaschine.

Das Festival im Keller. Am Eingang liegen die sogenannten Kapuzünder, ein nicht-kommerzielles Bi-Produkt des Festivals, was als in sich ge­schlossener Kreislauf gesehen werden darf. Nach­dem ich zweifelsohne keineswegs unbefangen in die Schlacht dieser Zeilen trete, darf dieses Festi­val – das immerhin eine ganze Woche andauerte (also ein All-Weeker) – getrost mit dem Wort „le­gendär“ beschrieben werden. Und das nicht nur wegen des Tischtennis-Turniers. Also darf es durch­aus als runderneuertes Festival 2.0 („Wenn, dann gscheit ...“) gesehen werden. Ob du deine bessere Hälfte unter der Gürtelschnallen-Grenze lieber zu Metal, HipHop, Kunst oder Disco bewegst oder dich lieber optisch gehen lässt, während dieser Woche war dann wohl wahrlich deine Zeit. Das Programm, um dies en passant auch noch zu er­wähnen, umfasste von den euphorisch aufspie­len­den Attwenger (ist ja sowas wie ein Heimspiel in der Kapu) zur Bike Kitchen, wo ein Tall-Bike ent­stand, zu den ehrfürchtig metallenen Mono­li­thic über Filmvertonungen mit Cherry Sunkist & 68 Dreadlocks, die sich dem Egoshooter-Business gewagt näherten und verstörte Seelen zurückließen, Comic-Kitchen Drawings (ungezwungene [Zei­chen-]Zusammenkünfte in Küchen, in diesem Fall in der Kapu), den discoesquen Laine, mit dem röchelnden Dr. Bruckmayr oder den mit Band auf­­wartenden, grenzenüberschreitenden Black Milk, der HipHop ein smoothes Update in Sachen „Fresh­ness“ verpasste und im Nu den Saal in ein Toll­haus verwandelte, das sich Fliegenpilze-Suppe zum Dessert reingezogen hat.

Wer jetzt eine detailverliebte Darstellung der Er­eig­nisse wünscht, war entweder natürlich nicht dabei oder hat den falschen Text gelesen.

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11/10
FotoautorInnen: 
zoe* Fotografie

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