Linzer Bauten und die Zukunft des Nordico
Andrea Bina braucht man nicht lange zu bitten. Noch bevor eine erste Frage seitens des Interviewers gestellt werden kann, befindet man sich schon mitten im Gespräch. Etwa über die Faszination der Biographie von Tabakfabrik-Architekt Peter Behrens:
Andrea Bina: (…) Von seiner Ausbildung her war er eigentlich Maler, Typograph und Kunsthandwerker. Aber da gab es diesen fantastischen Großherzog Ernst Ludwig von Hessen, ein Urenkel der Queen Victoria, der den „Arts & Crafts“-Gedanken aus Großbritannien mitgebracht hat. Ernst Ludwig fand, dass er sein kleines Fürstentum in der ganzen Welt bekannt machen müsse, und zwar mit KünstlerInnen und Kunsthandwerk. Er lud Joseph Maria Olbrich ein, die Mathildenhöhe in Darmstadt, ein riesiges Areal, zu bebauen. Als dort 1899 die Künstlerkolonie gegründet wurde, gab’s noch gar nichts, keinen Werkbund und kein Bauhaus. Einer der dorthin Eingeladenen war Peter Behrens, der sich auf der Mathildenhöhe sein eigenes Haus als Gesamtkunstwerk baute. Das war sein Startschuss als Architekt.
Abgesehen von der historischen Gemengelage gibt’s da doch Parallelen zur Linzer Gegenwart: Die Hoffnungen, die man jetzt mit der Tabakfabrik verbindet. Wenn man an die Stelle des Fürsten die Stadt Linz setzt, dann sind wir bei ganz ähnlichen Anliegen.
Das ist richtig, aber da muss man sehr aufpassen. Das afo setzt jetzt mit der Umbauwerkstatt jedenfalls eine wirklich gute Aktivität dazu. Fakt ist, dass das Areal zu groß für die Stadt ist, in Relation zum Wiener Museumsquartier, zu den Einwohnern und zu den Touristen, die nach Linz kommen. Man muss sich fragen, ob Stadt, Land und Bund vielleicht zu wenig miteinander reden. Der neue Science Park von den Caramel Architekten, den ich übrigens für das beste Bauwerk der letzten Jahre halte, hat die gleiche Geschoßnutzfläche wie die Tabakfabrik und die Bruckner Universität wird in einem reinen Wohngebiet gebaut. Das ist doch eigenartig! Dieser Prozess gehört jetzt jedenfalls im Blick auf Internationalität und mit internationalen Fachleuten geführt. Es gibt gute Beispiele wie die Van Nelle Fabrik in Rotterdam1 wo man ganz ähnliche architektonische Voraussetzungen hatte. Dort hat man die Neuadaptierung tadellos hingekriegt, das funktioniert und floriert. Man muss so etwas in die Jetztzeit transformieren.
Der BeobachterIn drängt sich oft der Eindruck auf, dass man zuerst die Etiketten bei der Hand hat und dann die Konzepte den Etiketten hinterher entwickelt. Ist das ein Schicksal, das die Tabakfabrik auch ereilen könnte?
Das kann ich jetzt nicht sagen, aber ich hoffe es nicht. Es wäre extrem schade, denn das Gebäude ist eine unglaubliche Chance für die Stadt, sich neuerlich gut zu positionieren. Denn in den Dreißiger Jahren gab es tadellose Architektur in dieser Stadt, was vor allem mit dem damaligen Stadtbaudirektor Kurt Kühne zusammenhängt, der einige große Areale toll bebaut hat.
Themenwechsel: Wie fühlt sich denn Ihr neuer Job als Leiterin des Nordico an?
Och! Also ich finde, so ein Museum ist das Gedächtnis der Stadt. Meine persönlichen Schwerpunkte sind eigentlich die Schnittstellen zwischen Architektur und Kunst, Urbanität, Stadtleben. Aber wann hat man schon im Leben die Gelegenheit, quasi bei Null anzufangen, alle Möglichkeiten offen zu haben, wie damals Wolfgang Kos (seit 2003 Leiter des Wien Museums). Über die Jahre bin ich draufgekommen, dass es nichts Spannenderes als ein Museum gibt, das Themen inhaltlich gut aufarbeitet und sie formal und ästhetisch in die Jetztzeit transformiert.
In einem Interview haben Sie gesagt, sie wollen aus dem Nordico ein „Museum der Linzer Identität“ formen. Wie sieht sich denn die Stadt Ihrer Einschätzung nach selbst?
Die Stadt muss viel selbstbewusster werden. Wenn man sich die letzten Jahrzehnte anschaut, hat sich viel getan. Ich bin ja auch mit achtzehn Jahren einfach weg gegangen. Mit der Errichtung des Lentos bin ich zumindest pendelnd wieder nach Linz zurückgekehrt. Das Lentos ist auch in baulicher Hinsicht eines der besten Häuser, finde ich, da muss man stolz darauf sein. Keine österreichische Stadt hat in den letzten Jahren so viele neue Kulturbauten errichtet, wenn auch nicht alle gut geworden sind. Und die Kulturhauptstadt hat schon auch Auftrieb gegeben.
Gerade hat Hans Kropshofer seine Raumkapsel vor dem AEC aufgestellt und lädt dazu ein, sich diese Transformationen der Stadt vor Augen zu führen. Das könnte thematisch auch ein Projekt des Nordico sein. Wollen Sie in Zukunft verstärkt in die Stadt hinausgehen?
Ja, das ist mir sehr wichtig. Ich habe ja auch hier zur Ausstellung den Rauchersalon am Vorplatz aufstellen lassen, um die Leute hereinzuholen und schon draußen ein Zeichen zu setzen. Das erste Ding, das ich unbedingt realisieren will, ist eine begehbare Skulptur am Vorplatz, etwas das man benützen und transformieren kann. Etwas wie die Badeinsel von Hans Kupelwieser in Lunz am See, die am Abend zur Konzertbühne wird. Ich will, dass man den Platz nützt, ich will ihn lebendig haben.
Was haben Sie in nächster Zeit im Nordico vor?
Zunächst gibt es noch eine Ausstellung zur Steinzeit und eine Personale zu Hans Franta, die noch vor meiner Bestellung festgesetzt worden sind. Am weiteren Programm arbeite ich derzeit intensiv. Es wird im Dezember vorgestellt und da möchte ich vorab nichts verraten.
Das Lentos hat ja in den letzten Jahren quasi vorexerziert, wie man lokale KünstlerInnen in die Schauen einbindet und den eigenen Freiraum bespielt. Jetzt möchten Sie im Nordico in Zukunft auch mehr „nach Außen“ gehen, wie wird man sich da vom Lentos unterscheiden?
Ich würde da keine strenge Grenze ziehen. Wir harmonieren sehr gut. Es soll auch in beiden Häusern weiterhin und noch stärker Kooperationen mit Institutionen universitärer Natur aber auch Schulen geben, mit angehenden Kunsthistorikern und auch mit Vereinen.
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