Linzer Bauten und die Zukunft des Nordico

Vor der Übernahme der ehemaligen Tabakfabrik durch die Stadt Linz war Andrea Bina im Gebäude unterwegs, um Fundstücke für die jetzige Ausstellung im Nordico zusammenzutragen. Seit 1. Oktober ist die Kuratorin auch neue Leiterin des Hauses. Anlässe genug für ein Interview. Ein Gespräch mit Andrea Bina. Aufgezeichnet von Wolfgang Schmutz.

Andrea Bina braucht man nicht lange zu bitten. Noch bevor eine erste Frage seitens des Inter­vie­wers gestellt werden kann, befindet man sich schon mitten im Gespräch. Etwa über die Faszi­na­tion der Biographie von Tabakfabrik-Architekt Pe­ter Behrens:

Andrea Bina: (…) Von seiner Ausbildung her war er eigentlich Maler, Typograph und Kunst­hand­wer­ker. Aber da gab es diesen fantastischen Groß­her­zog Ernst Ludwig von Hessen, ein Urenkel der Queen Victoria, der den „Arts & Crafts“-Gedanken aus Großbritannien mitgebracht hat. Ernst Lud­wig fand, dass er sein kleines Fürstentum in der ganzen Welt bekannt machen müsse, und zwar mit KünstlerInnen und Kunsthandwerk. Er lud Joseph Maria Olbrich ein, die Mathildenhöhe in Darm­stadt, ein riesiges Areal, zu bebauen. Als dort 1899 die Künstlerkolonie gegründet wurde, gab’s noch gar nichts, keinen Werkbund und kein Bauhaus. Ei­ner der dorthin Eingeladenen war Peter Behrens, der sich auf der Mathildenhöhe sein eigenes Haus als Gesamtkunstwerk baute. Das war sein Start­schuss als Architekt.

Abgesehen von der historischen Gemengelage gibt’s da doch Parallelen zur Linzer Gegenwart: Die Hoff­nungen, die man jetzt mit der Tabakfabrik verbindet. Wenn man an die Stelle des Fürsten die Stadt Linz setzt, dann sind wir bei ganz ähnlichen Anlie­gen.
Das ist richtig, aber da muss man sehr aufpassen. Das afo setzt jetzt mit der Umbauwerkstatt jedenfalls eine wirklich gute Aktivität dazu. Fakt ist, dass das Areal zu groß für die Stadt ist, in Re­la­ti­on zum Wiener Museumsquartier, zu den Ein­woh­nern und zu den Touristen, die nach Linz kommen. Man muss sich fragen, ob Stadt, Land und Bund viel­leicht zu wenig miteinander reden. Der neue Science Park von den Caramel Architekten, den ich übrigens für das beste Bauwerk der letzten Jah­re halte, hat die gleiche Geschoßnutzfläche wie die Tabakfabrik und die Bruckner Universität wird in einem reinen Wohngebiet gebaut. Das ist doch ei­genartig! Dieser Prozess gehört jetzt jedenfalls im Blick auf Internationalität und mit internationalen Fachleuten geführt. Es gibt gute Beispiele wie die Van Nelle Fabrik in Rotterdam1 wo man ganz ähn­liche architektonische Voraussetzungen hatte. Dort hat man die Neuadaptierung tadellos hingekriegt, das funktioniert und floriert. Man muss so etwas in die Jetztzeit transformieren.

Der BeobachterIn drängt sich oft der Eindruck auf, dass man zuerst die Etiketten bei der Hand hat und dann die Konzepte den Etiketten hinterher entwickelt. Ist das ein Schicksal, das die Tabakfabrik auch ereilen könnte?
Das kann ich jetzt nicht sagen, aber ich hoffe es nicht. Es wäre extrem schade, denn das Gebäude ist eine unglaubliche Chance für die Stadt, sich neu­erlich gut zu positionieren. Denn in den Drei­ßiger Jahren gab es tadellose Architektur in dieser Stadt, was vor allem mit dem damaligen Stadt­baudirektor Kurt Kühne zusammenhängt, der ei­nige große Areale toll bebaut hat.

Themenwechsel: Wie fühlt sich denn Ihr neuer Job als Leiterin des Nordico an?
Och! Also ich finde, so ein Museum ist das Ge­dächtnis der Stadt. Meine persönlichen Schwer­punkte sind eigentlich die Schnittstellen zwischen Architektur und Kunst, Urbanität, Stadtleben. Aber wann hat man schon im Leben die Gelegenheit, quasi bei Null anzufangen, alle Möglichkeiten of­fen zu haben, wie damals Wolfgang Kos (seit 2003 Leiter des Wien Museums). Über die Jahre bin ich draufgekommen, dass es nichts Spannenderes als ein Museum gibt, das Themen inhaltlich gut aufarbeitet und sie formal und ästhetisch in die Jetzt­zeit transformiert.

In einem Interview haben Sie gesagt, sie wollen aus dem Nordico ein „Museum der Linzer Identität“ for­men. Wie sieht sich denn die Stadt Ihrer Einschät­zung nach selbst?
Die Stadt muss viel selbstbewusster werden. Wenn man sich die letzten Jahrzehnte anschaut, hat sich viel getan. Ich bin ja auch mit achtzehn Jahren ein­fach weg gegangen. Mit der Errichtung des Len­tos bin ich zumindest pendelnd wieder nach Linz zu­rückgekehrt. Das Lentos ist auch in baulicher Hin­sicht eines der besten Häuser, finde ich, da muss man stolz darauf sein. Keine österreichische Stadt hat in den letzten Jahren so viele neue Kultur­bau­ten errichtet, wenn auch nicht alle gut geworden sind. Und die Kulturhauptstadt hat schon auch Auf­trieb gegeben.

Gerade hat Hans Kropshofer seine Raumkapsel vor dem AEC aufgestellt und lädt dazu ein, sich diese Transformationen der Stadt vor Augen zu führen. Das könnte thematisch auch ein Projekt des Nor­di­co sein. Wollen Sie in Zukunft verstärkt in die Stadt hinausgehen?
Ja, das ist mir sehr wichtig. Ich habe ja auch hier zur Ausstellung den Rauchersalon am Vorplatz auf­stellen lassen, um die Leute hereinzuholen und schon draußen ein Zeichen zu setzen. Das erste Ding, das ich unbedingt realisieren will, ist eine be­gehbare Skulptur am Vorplatz, etwas das man be­nützen und transformieren kann. Etwas wie die Ba­deinsel von Hans Kupelwieser in Lunz am See, die am Abend zur Konzertbühne wird. Ich will, dass man den Platz nützt, ich will ihn lebendig haben.

Was haben Sie in nächster Zeit im Nordico vor?
Zunächst gibt es noch eine Ausstellung zur Stein­zeit und eine Personale zu Hans Franta, die noch vor meiner Bestellung festgesetzt worden sind. Am weiteren Programm arbeite ich derzeit intensiv. Es wird im Dezember vorgestellt und da möchte ich vorab nichts verraten.

Das Lentos hat ja in den letzten Jahren quasi vorexerziert, wie man lokale KünstlerInnen in die Schau­en einbindet und den eigenen Freiraum be­spielt. Jetzt möchten Sie im Nordico in Zukunft auch mehr „nach Außen“ gehen, wie wird man sich da vom Lentos unterscheiden?
Ich würde da keine strenge Grenze ziehen. Wir har­monieren sehr gut. Es soll auch in beiden Häusern weiterhin und noch stärker Kooperationen mit Ins­ti­tutionen uni­versitärer Natur aber auch Schulen geben, mit an­gehenden Kunsthistorikern und auch mit Ver­ei­nen.

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11/10
FotoautorInnen: 
Archiv der Stadtmuseen Linz

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