Zeitgenössischer Autorenschmuck

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Für Ursula Guttmanns Schmuckkreationen ist der menschliche Körper „Initiation, Inspiration und notwendige Kontemplation“. Dabei führt der kreative Prozess vom dekorativen Schmuck-Phänomen zu einer weitreichenden Auseinandersetzung mit Körper und Raum. Ursula Guttmann im Interview.

Obwohl deine Schmuckkreationen das herkömmliche Verständnis von Schmuck ziemlich erweitern, deine Tätigkeitsbereiche sich von Designerin bis Ku­ratorin reichen, kennt man dich als „Schmuck­künst­lerin“. Ist das eine Bezeichnung, die für dich richtig ist?
Ja, denn der Schmuck lässt mich eigentlich nie ganz los, beziehungsweise holt er mich immer ir­gend­wie ein oder zurück. Da bleibt natürlich gleich die Frage, wo denn Schmuck überhaupt anfängt und aufhört.

Eine Vielzahl von Aktivitäten, Ausstellungen und Auszeichnungen reihen sich in deinem Lebenslauf aneinander. Derzeit nimmst du im Salzburger Trakl­haus bei einer Ausstellung teil, hast in New York eine Ausstellungsteilnahme bei „think twice“, hältst bei „Sperk Stret Conference Vol.4“ in Bratis­lava eine Lecture und hast Anfang November „was Grö­ßeres“ in Amsterdam …
Die Ausstellung zum Eligius Schmuckpreis findet gerade in der Galerie im Traklhaus in Salzburg statt. Das Land hat hier unter Frau Dr. Dietgard Grimmer mit großer Ambition etwas für Österreich einzigartiges ins Leben gerufen: eine Aus­stel­lung aktueller künstlerischer Positionen des ös­terreichischen Autorenschmucks. Dort bin ich mit einigen Arbeiten vertreten. Im Allgemeinen hat jedoch Schmuckkunst in Österreich keine Platt­form für Diskurs und Auseinandersetzung, außer zwei oder drei Galerien, und es gibt auch kein aka­demisches oder universitäres Studium. So bin viel mehr im Ausland unterwegs und vertreten. Ausgangspunkt für die Ausstellungsbeteiligung im Museum of Arts and Design MAD in New York ist etwas Lustiges. Ich lebte vor einiger Zeit in Me­xiko und daher wurde ich durch die Kuratorin eingeladen, ein Stück speziell für die Ausstellung zu schaffen. Die Ausstellung selbst ist von lateinamerikanischen SchmuckkünstlerInnen, bzw. Künst­­­lerInnen mit ein paar internationalen „Aus­nahmen“. Die Universität of Fine Arts in Bratis­la­va organisiert am 21. und 22. Oktober 2010 zum vierten Mal die internationale Konferenz Sperk­stret mit dem Thema „schmuck causa“. Sie be­steht aus einem großartigen Programm aus Vor­trä­­gen international tätiger SchmuckkünstlerIn­nen und TheoretikerInnen. Dort werde ich eine Lecture zum Thema „The Extension Impulse“ halten. Und nun zu Amsterdam: Für mich die Stadt zeitgenössischen Autorenschmucks, wie das so schön heißt. Vom 1. bis zum 4. November 2010 findet dort das B-Side Jewellery Festival statt. An verschiedenen Orten schaffen KünstlerInnen showcases und Ak­ti­onen. Ich werde in einem der größten und für mich schönsten Caféhäuser, im Café de Jaren, die Aktion „What Waiters Wear“ starten: An den Fes­ti­valtagen tragen dort die KellnerInnen meine Schmuckobjekte.

Dein Schmuck stellt andere Körperlichkeiten her als herkömmlicher Schmuck das tut. Ich frage mit Schlagworten, die üblicherweise im Zusammen­hang mit Schmuck genannt werden – „Material“, „Form­ge­bung“, Sinnlichkeit“, etc. Was sind deine Zu­gän­ge?
Schmuck hat für mich auf jeden Fall etwas mit äs­thetischen Erfahrungen zu tun, was aber nicht heißt, ihn hässlich oder schön zu finden, sondern spannend, langweilig, aufrührend, peinlich, ekelhaft oder anziehend. Gerade meine Schmuck­ob­jek­te wirken oft verstörend, da gerade in ihrem Zu­sammenhang mit „tragen“ und „schmücken“ eine spezielle Erwartungshaltung vorherrscht. Es geht mir aber mehr um Empfindungen, und zwar um möglichst nicht klare und eindeutige, sondern um solche, in der viele unterschiedliche und widersprüchliche zur selben Zeit auftauchen. So sollen Abscheu und Anziehung gleichzeitig, oder besser in fast gleichzeitigem Wechselspiel auftreten. Das Schlimmste ist, die Schmuckobjekte als langweilig zu empfinden. Das „Schöne“ ist ja oft langweilig, oder? Meine Ambition ist es, Skulpturen zu schaffen, die den Betrachter in eine Stimmung versetzen, ihn verweilen lassen, weil sie irritieren. Viel­leicht erst dadurch werden neue Bedeu­tungs­qua­litäten sichtbar. Folglich geht es daher auch um Material und Form, doch eben nur sekundär.

Kannst du das vielleicht noch anhand der Arbeit, die am Bild zu sehen ist, erläutern – „organic symbiosis“?
Die Serie [x] : tension ist eine Symbiose zwischen Schmuckskulpturen und dem Körper selbst. Durch Form und Materialität, durch Ausformungen von Innerlichkeit und Körperlichkeit, treten die Schmuck-Skulpturen in direkten Dialog mit dem „Darunterliegenden“, es wächst Beziehung zum Kör­per, zum Träger, zum Inneren, emotional und physisch. Durch das Durchbrechen treten sie je­doch in Kommunikation nach außen. Der Körper ist nicht einfach nur „dekoriert“, sondern integriert. Er wird Teil der ästhetischen Trans­for­ma­ti­on. Das Schmuckstück wird Teil des Ganzen und umgekehrt wird der Körper Teil des Schmuck­stücks. Irritiert und gefangen zwischen Anzie­hung und Abscheu soll der Betrachter sein.

Deine Arbeiten stehen auch sehr stark im Be­rüh­rungsfeld zum Textilen, bzw. zu textilen Mate­ri­a­lien. Weiters stellst du Kleidung, Schmuck oder Kör­per als Installationen aus. Wie ist hier das Span­nungsverhältnis zur Kunst, bzw. zu Themen der Kunst wie Abstraktion oder Raum?
Mich interessiert schon seit längerem Körper, Haut und Gewand als Schnittstelle zwischen Identität und Öffentlichkeit. Da Kleidung und Accessoire in Bezug zum Menschen stehen, sind sie Verbin­dungs­­­element und Kommunikationsmittel zwischen In­dividuum, also dem persönlichen Empfinden, und Gesellschaft. Diese besondere Eigenschaft ist für mich der aufregende Ansatz. In der Folge ist es dann eigentlich gar nicht wichtig, ob ein Stück tragbar ist oder nicht, oder ob es sich um eine In­stallation handelt. Es die Thematik an sich, die den Stücken innewohnt und die so die Mög­lich­keit bietet, Tatsachen, Visionen und Empfin­dun­gen bezüglich Mensch und Gesellschaft of­fen­zulegen. Dies war auch mein Konzept für die Aus­stellung „in addition“ 2008 im Schloss­mu­se­um Linz.

Dein Atelier ist eine fixe Station hier in Linz?
Das Atelier „himbeer“ ist meine Werkstatt, mein fixer Platz, mein Rückzugspunkt, es ist aber auch ein Treffpunkt verschiedenster Leute und Präsen­ta­tionsraum. Und es ist noch dazu in einer Straße, die ich ganz gerne mag, der Fadingerstraße.

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11/10
FotoautorInnen: 
Elisabeth Grebe

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