100 Jahre Radio, 10 Jahre Radio FRO
Es gibt ja innerhalb der EU das Bestreben, den Rundfunk zu digitalisieren. Warum dieses Begehren?
Dazu muss man sagen, dass damit nicht die digitale Produktion von Radio gemeint ist, denn Radio wird ja jetzt schon digital produziert, sondern es dabei um das digitale Senden von Radio geht. Hintergrund sind von der EU geförderte Finanzierungs- und Forschungsprojekte, die von der Telekommunikationswirtschaft und den Universitäten gemeinsam vorangetrieben werden, unter anderem seit 1980/81 das „Heureka“ Programm. Da ist der Ruf laut geworden, gemeinsam einen Digital Audio Broadcasting-Standard zu entwickeln. Dieser ist heute schon lange fertig entwickelt und firmiert unter DAB. Das, was auch in der Fernsehlandschaft letztes Jahr vonstatten gegangen ist, das Umschalten auf DVB (Digital Video Broadcasting). Es ist eine Entwicklung, in der es darum geht, wie man analoge Signale so verpacken kann, dass mehr in eine Frequenz reinpassen. „Frequenzen sind rare Güter“, sagt man in der Telekommunikationswirtschaft und es braucht einen gewissen Abstand von einer Sendefrequenz zur anderen, um akustische Informationen transportieren zu können. Das ist der eine technische Hintergrund, warum die EU das wollte. Zum anderen hat analoges Radio das Problem, dass Radio-Wellen an den nationalen Grenzen nicht halt machen. Digitales Radio funktioniert mit Multiplexverfahren. Dabei werden in eine Frequenz mehrere Audioprogramme hineingepackt, die dann durch Decoder in einzelne Programme zerlegt werden. Die digitalen Radios haben sich aber deshalb nicht durchgesetzt, weil es dabei nicht reicht, eine sogenannte Set-Top-Box zu haben. Die 680 Millionen, die jetzt in den europäischen Haushalten herumstehen, müssten ersetzt werden. Dies war eigentlich der Hauptgrund, warum digitales Radio seitens der politisch Verantwortlichen nachgefragt worden ist, weil es einen Markt generiert hätte. Millionen Geräte ersetzen zu müssen wäre ein riesiger interner wirtschaftlicher Auftrag gewesen, der die Binnenwirtschaft der EU gestärkt hätte. Ein anderer Hintergrund ist die internationale Konkurrenz auf diesen Telekommunikationsmärkten. Ziel ist, da den Anschluss nicht zu verlieren, über gebündelte Maßnahmen einer starken Förderung durch die EU wieder in eine bessere Position zu kommen.
Dinge, die in diesem Zuge der Digitalisierung entstanden sind, sind die uns allen bekannten Codecs wie MPEG-2 und MP3, um Audiodateien so zu komprimieren, dass weniger Datenbreite und weniger Speicherplatz nötig ist um auf einer Trägerfrequenz mehr Informationspakete parallel transportieren zu können.
Muss ich jetzt also mein schönes altes Radio entsorgen?
Ich zitiere eine Aussage der letztjährigen Konferenz zu diesem Thema: „Es ist nicht absehbar, wann das digitale Radio Einzug halten wird.“ Die österreichische Rundfunk- und Telekommunikations-Regulierungsbehörde RTR hat zum Beispiel gemeint, es sei eine Marktfrage, ob analoges terrestrisches Radio verschwindet und digitales terrestrisches Radio entsteht. Solange die Leute die digitalen Radios nicht kaufen und nicht kaufen wollen - solange wird Digitalisierung nicht zur Anwendung kommen, wie es im Fernsehbereich schon passiert ist. Digitale Radios gibt es ja bereits zu kaufen, aber scheinbar interessiert das die Leute nicht.
Länder wie Großbritannien oder Deutschland, die da schon viel mehr investiert haben, sind auch wieder am Zurückrudern. Ich glaube nicht, dass die Angst bestehen sollte, dass die Radiosender in nächster Zeit zum Wegwerfen sind.
Ich möchte noch auf digitales Radio auf einer anderen Ebene eingehen. Radio per Stream, Radio on Demand. Das sind Dinge, wo Radio FRO von Anfang an dabei war. Denn als lokales Radio sind wir auf Sendeebene limitiert. Eine gewisse Reichweite und die Stärke des Senders sind uns vorgeschrieben. Aber Radio FRO wird weltweit über den Stream und über die Homepage empfangen. Nicht zu vergessen ist auch das Cultural Broadcasting Archive CBA. Es ist nicht nur ein Archiv von Radio FRO, es werden auch Produktionen von allen freien Radios in Österreich und auch manchen im deutschsprachigen Raum archiviert. Hörer und Hörerinnen können dort nach Bedarf Sendungen nachhören. Das zeigt, dass sich das Medium Radio durch die Digitalisierung auch weiter entwickelt. Die Nutzungsgewohnheiten entwickeln sich in dem Maße, wie sich die Gesellschaft entwickelt, auch weiter. Gleichzeitig bin ich Befürworter und Verfechter des simultanen analogen Radios, weil das Schöne daran das Wissen ist, wenn jetzt ausgestrahlt und gesendet wird, gibt es einen gewissen Kreis, den ich erreichen kann und wir sind gleichzeitig verbunden.
Angenommen ich sitze jetzt in einem sogenannten Entwicklungsland und habe einen Weltempfänger, einen Apparat, mit dem ich Sendungen aus Übersee empfangen kann. Als Bürger dieses Entwicklungslandes bin ich aber bei digitalem Radio von den Industriestaaten abgeschnitten. Ist das nicht eine Zwei-Klassen-, eine Zwei-HörerInnengesellschaft, die da entsteht?
Die Zwei-HörerInnengesellschaft besteht ja heute schon. Die Frage ist, welche Teile der Welt uns überhaupt hören können. Ich denke da an die Möglichkeit, irgendwo einen Computer zu betreiben, was ja nötig ist, um einen Stream zu empfangen. Es gibt zwar Bestrebungen, Computersysteme zu entwickeln, die auch dort funktionieren, wo kein Strom-, kein Telefonnetz vorhanden ist, zum Beispiel Initiativen wie „one laptop per child“, aber es ist eine Frage des politischen Willens, auch der politischen Finanzierung, das zu überwinden.
Angenommen, es kommt in den nächsten Jahren digitales Radio. Was passiert eigentlich mit den freien analogen Sendeplätzen, kann man die in irgendeiner Form weiter nutzen?
Das ist eine sehr spannende Frage, denn die EU hat Bekenntnisse, dass sie, ich glaube bis zum Jahr 2013, den analogen „Turn Off“ plant. Und auch weltweit gibt es internationale Verbände wie die International Telecommunication Union ITU, die vorhaben, den analogen Rundfunk weltweit abzudrehen und durch einen digitalen Standard zu ersetzen. Die EU sagt aber kein Wort, was mit den analogen Frequenzen wirklich passieren soll.
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