Appetite for Transmission

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Im März und April lud Radio FRO zu einer Reihe von Impulsreferaten und ging dabei der Frage „Was kann Radio?“ nach. Der Diskurs zur Entwicklung neuer Perspektiven für das Medium wurde damit intensiviert. SpotsZ sprach mit den Organisatoren Ingo Leindecker und Thomas Kreiseder über Zukunftsszenarien des Freien Radios in einer sich rasant verändernden Medienlandschaft.

Vor gut zehn Jahren wurde schließlich auch in Ös­ter­reich als einem der letzten europäischen Län­der das Rundfunkmonopol gebrochen. Die politischen Initiativen für „Freies Radio“ spielten dabei keine unwesentliche Rolle. Sie wollten offene Zu­gän­ge zum Medium schaffen, Meinungsvielfalt im Rundfunk ermöglichen und ein Sprachrohr für Min­derheiten sein. Inwieweit konnten diese ursprünglichen Ziele erreicht werden?
IL: In Linz konnte mit FRO ein Radio etabliert wer­den, dass sich abseits der Trampelpfade der kom­merziellen und öffentlich-rechtlichen Medien vor allem mit lokalen, aber auch international re­le­van­ten Themen auseinandersetzt. Und zwar aus den un­­­terschiedlichsten Blickwinkeln der einzelnen Com­­munities. Ein Blick auf das aktuelle Pro­gramm genügt also, um durchaus positiv zu resümieren. TK: Dass durch das konsequente Brechen von Hör­gewohnheiten und Erwartungen eine gewisse Be­wusstseinsverschiebung auf Seiten der Hören­den als auch der Sendenden erreicht wurde, war vielleicht eine der wichtigsten Leistungen dabei. Ra­dio FRO hat sich nicht zuletzt auch durch seine Ver­ankerung in der Linzer Kulturszene als ernstzunehmendes, kritisches Medium etablieren können.

In 10 Jahren Radio FRO hat sich auf gesellschaftli­cher, politischer und vor allem technischer Ebe­ne einiges getan. Technische Ent­wicklungen im Inter­net haben das Radio von ei­nem flüchtigen zu ei­nem zeit- und ortsunabhängigen Medium ge­macht. Wel­che Relevanz haben für euch diese Entwick­lun­gen?
IL: Eine sehr hohe! Mit dem Cultural Broad­cas­ting Archive (CBA), das Radio FRO bereits 2000 ent­wickelt hat, wurde schon recht bald dieser ab­sehbaren Verschiebung zu „on demand“-Inhalten begegnet. Dort finden sich Programme von freien RadiomacherInnen aus ganz Österreich.
TK: Der nächste Schritt steht schon an, nämlich die bestehenden Kanäle auszubauen. Dies betrifft sowohl die Nutzung von Mobilfunk als auch die Weiterentwicklung von neuen Partizi­pa­tions- und Distributionsmöglichkeiten. Über kurz oder lang werden alle bisher getrennten Bereiche wie das altbekannte Radio „on air“, Website, Archi­ve und weitere Anwendungen in einer webbasier­ten Platt­form aufgehen. Radio, so wie wir es jetzt kennen, wird es dann wahrscheinlich nicht mehr geben.

Seit geraumer Zeit befinden sich die traditionellen Medien Radio, TV und Print in einem starken Ver­än­derungsprozess. Die (analogen) Massenmedien verlieren zusehends an Öffentlichkeit zugunsten der Angebote im Internet und suchen aus diesem Grund ihre Verbreitungswege vermehrt auch dort. Mit welchen Fragen beschäftigt ihr euch angesichts dieser rasanten Veränderungen?
IL: Mit dem derzeit geplanten Radiodigi­tali­sie­rungs­modell versuchen diejenigen, die sich in der analogen Ära Marktmacht aufbauen konnten, die Regulierungsfrage angesichts der drohenden Kon­kurrenz in einem globalen Markt in den Griff zu kriegen. Ein neuer Standard soll eingeführt werden, dessen Nutzung nach wie vor stark re­gle­men­tiert wird. Aber egal ob und in welcher Form dieser digitale Rundfunk auch immer zustande kommt, eines scheint unabwendbar: Wir sind auf dem Weg in eine Medienlandschaft, in der die tech­nischen Eigenheiten einzelner Me­dien (Te­le­fon wird zu VoIP, Radio und Fern­sehen zu Strea­ming- und onDemand Angeboten auf Basis digitaler Me­diencodecs, etc.) in den Hintergrund treten, weil alle Inhalte letztendlich über ein Sam­mel­medium – dem www – empfangen werden.
TK: Eigentlich ist das ja eine positive Entwick­lung, da der Zugang zu Medienproduktion (durch Blogs, Podcasts, Wikis, etc.) allgemein – zumindest in unseren Breiten – einfacher wird und da­durch immer mehr Menschen ihre Anliegen in unterschiedlichste Medienformate gießen können. Dabei wird die Frage nach Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit und wie ihrer Mono­polisie­rung ent­gegengetreten werden kann, sicherlich in den Vor­­dergrund treten. Es ist ja bereits zu beobachten, dass sich die Machtstrategien verändern, mit de­nen die neuen Medienkonzerne versuchen werden, die Autorität der alten Massenmedien in das digitale Medienzeitalter zu übersetzen.

Wo lokalisiert ihr Freies Radio in einer solchen Land­schaft und wo muss angesetzt werden, um mit neuen Strategien die ursprünglichen Ziele weiter verfolgen zu können?
IL: Um es zuzuspitzen könnte man sich z.B. folgende Fragen stellen: Welchen Nutzen hat eine Plattform wie Radio FRO in Zukunft noch, wenn ohnehin eine Vielzahl anderer ausreichend Mög­lichkeiten bietet, Inhalte in die Öffentlichkeit zu bringen? Wie stellen sich die momentanen Stra­te­gien wie der offene Zugang, der in seiner jetzigen Form ja ganz klar auf Mankos im analogen Rund­funksystem abzielt, in einer digitalisierten Land­schaft zukünftig dar? Wie wichtig wird es in Zu­kunft sein, verstärkt im Sinne eines Empower­ments tätig zu werden und wie sieht das aus?
TK: Die große Öffentlichkeit, die die klassischen Massenmedien noch erreichen, differenziert sich zu Mikroöffentlichkeiten, was für uns zwar nichts Neues ist, denn Radio FRO ist gewissermaßen be­reits ein Medium von und für Mikroöffent­lich­kei­ten. Die kommerziellen werden ihre Inhalte­palet­te ausbauen und wiederum viele „Special Inte­rest“-Gruppen zu binden versuchen. Das können freie Radios zwar jetzt schon, aber mit der Frage, wie wir in einer solchen Situation unseren Sendungs­macherInnen noch „Gehör“ verschaffen können, wer­den wir uns sicherlich noch eingehender auseinandersetzen müssen.
IL: Vielleicht liegt die zukünftige Funktion von „Freiem Radio“ daher einerseits in der Organi­sa­tion von größeren Öffentlichkeiten, aber auch in der Aneignung der notwendigen Produktions­mit­tel – also Zugänge zum Netz, Bandbreiten, offene Räume – und deren Zurverfügungstellung. Das wird auch ein Teil des Angebotes sein, den die sg. „Mitmach-Medien“ nicht zu leisten im Stande sind: Die Zurverfügungstellung der Produktionsmittel nicht nur im Sinne der „Software“, die der Infor­ma­tion zu ihrer Verbreitung verhilft, sondern vermehrt im Sinne der „Hardware“ – der Infra­struk­tur, die notwendig ist, um technisch unabhängig zu sein. Daneben sind natürlich Begriffe wie Par­ti­zipation ganz wichtig, da man sich nicht von den Teilhabemöglichkeiten kommerziell orientier­ter Plattformen blenden lassen darf.

Tele-Lectures der Vortragsreihe „Appetite for Transmission“ online unter www.fro.at/appetite

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