Appetite for Transmission
Vor gut zehn Jahren wurde schließlich auch in Österreich als einem der letzten europäischen Länder das Rundfunkmonopol gebrochen. Die politischen Initiativen für „Freies Radio“ spielten dabei keine unwesentliche Rolle. Sie wollten offene Zugänge zum Medium schaffen, Meinungsvielfalt im Rundfunk ermöglichen und ein Sprachrohr für Minderheiten sein. Inwieweit konnten diese ursprünglichen Ziele erreicht werden?
IL: In Linz konnte mit FRO ein Radio etabliert werden, dass sich abseits der Trampelpfade der kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Medien vor allem mit lokalen, aber auch international relevanten Themen auseinandersetzt. Und zwar aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln der einzelnen Communities. Ein Blick auf das aktuelle Programm genügt also, um durchaus positiv zu resümieren. TK: Dass durch das konsequente Brechen von Hörgewohnheiten und Erwartungen eine gewisse Bewusstseinsverschiebung auf Seiten der Hörenden als auch der Sendenden erreicht wurde, war vielleicht eine der wichtigsten Leistungen dabei. Radio FRO hat sich nicht zuletzt auch durch seine Verankerung in der Linzer Kulturszene als ernstzunehmendes, kritisches Medium etablieren können.
In 10 Jahren Radio FRO hat sich auf gesellschaftlicher, politischer und vor allem technischer Ebene einiges getan. Technische Entwicklungen im Internet haben das Radio von einem flüchtigen zu einem zeit- und ortsunabhängigen Medium gemacht. Welche Relevanz haben für euch diese Entwicklungen?
IL: Eine sehr hohe! Mit dem Cultural Broadcasting Archive (CBA), das Radio FRO bereits 2000 entwickelt hat, wurde schon recht bald dieser absehbaren Verschiebung zu „on demand“-Inhalten begegnet. Dort finden sich Programme von freien RadiomacherInnen aus ganz Österreich.
TK: Der nächste Schritt steht schon an, nämlich die bestehenden Kanäle auszubauen. Dies betrifft sowohl die Nutzung von Mobilfunk als auch die Weiterentwicklung von neuen Partizipations- und Distributionsmöglichkeiten. Über kurz oder lang werden alle bisher getrennten Bereiche wie das altbekannte Radio „on air“, Website, Archive und weitere Anwendungen in einer webbasierten Plattform aufgehen. Radio, so wie wir es jetzt kennen, wird es dann wahrscheinlich nicht mehr geben.
Seit geraumer Zeit befinden sich die traditionellen Medien Radio, TV und Print in einem starken Veränderungsprozess. Die (analogen) Massenmedien verlieren zusehends an Öffentlichkeit zugunsten der Angebote im Internet und suchen aus diesem Grund ihre Verbreitungswege vermehrt auch dort. Mit welchen Fragen beschäftigt ihr euch angesichts dieser rasanten Veränderungen?
IL: Mit dem derzeit geplanten Radiodigitalisierungsmodell versuchen diejenigen, die sich in der analogen Ära Marktmacht aufbauen konnten, die Regulierungsfrage angesichts der drohenden Konkurrenz in einem globalen Markt in den Griff zu kriegen. Ein neuer Standard soll eingeführt werden, dessen Nutzung nach wie vor stark reglementiert wird. Aber egal ob und in welcher Form dieser digitale Rundfunk auch immer zustande kommt, eines scheint unabwendbar: Wir sind auf dem Weg in eine Medienlandschaft, in der die technischen Eigenheiten einzelner Medien (Telefon wird zu VoIP, Radio und Fernsehen zu Streaming- und onDemand Angeboten auf Basis digitaler Mediencodecs, etc.) in den Hintergrund treten, weil alle Inhalte letztendlich über ein Sammelmedium – dem www – empfangen werden.
TK: Eigentlich ist das ja eine positive Entwicklung, da der Zugang zu Medienproduktion (durch Blogs, Podcasts, Wikis, etc.) allgemein – zumindest in unseren Breiten – einfacher wird und dadurch immer mehr Menschen ihre Anliegen in unterschiedlichste Medienformate gießen können. Dabei wird die Frage nach Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit und wie ihrer Monopolisierung entgegengetreten werden kann, sicherlich in den Vordergrund treten. Es ist ja bereits zu beobachten, dass sich die Machtstrategien verändern, mit denen die neuen Medienkonzerne versuchen werden, die Autorität der alten Massenmedien in das digitale Medienzeitalter zu übersetzen.
Wo lokalisiert ihr Freies Radio in einer solchen Landschaft und wo muss angesetzt werden, um mit neuen Strategien die ursprünglichen Ziele weiter verfolgen zu können?
IL: Um es zuzuspitzen könnte man sich z.B. folgende Fragen stellen: Welchen Nutzen hat eine Plattform wie Radio FRO in Zukunft noch, wenn ohnehin eine Vielzahl anderer ausreichend Möglichkeiten bietet, Inhalte in die Öffentlichkeit zu bringen? Wie stellen sich die momentanen Strategien wie der offene Zugang, der in seiner jetzigen Form ja ganz klar auf Mankos im analogen Rundfunksystem abzielt, in einer digitalisierten Landschaft zukünftig dar? Wie wichtig wird es in Zukunft sein, verstärkt im Sinne eines Empowerments tätig zu werden und wie sieht das aus?
TK: Die große Öffentlichkeit, die die klassischen Massenmedien noch erreichen, differenziert sich zu Mikroöffentlichkeiten, was für uns zwar nichts Neues ist, denn Radio FRO ist gewissermaßen bereits ein Medium von und für Mikroöffentlichkeiten. Die kommerziellen werden ihre Inhaltepalette ausbauen und wiederum viele „Special Interest“-Gruppen zu binden versuchen. Das können freie Radios zwar jetzt schon, aber mit der Frage, wie wir in einer solchen Situation unseren SendungsmacherInnen noch „Gehör“ verschaffen können, werden wir uns sicherlich noch eingehender auseinandersetzen müssen.
IL: Vielleicht liegt die zukünftige Funktion von „Freiem Radio“ daher einerseits in der Organisation von größeren Öffentlichkeiten, aber auch in der Aneignung der notwendigen Produktionsmittel – also Zugänge zum Netz, Bandbreiten, offene Räume – und deren Zurverfügungstellung. Das wird auch ein Teil des Angebotes sein, den die sg. „Mitmach-Medien“ nicht zu leisten im Stande sind: Die Zurverfügungstellung der Produktionsmittel nicht nur im Sinne der „Software“, die der Information zu ihrer Verbreitung verhilft, sondern vermehrt im Sinne der „Hardware“ – der Infrastruktur, die notwendig ist, um technisch unabhängig zu sein. Daneben sind natürlich Begriffe wie Partizipation ganz wichtig, da man sich nicht von den Teilhabemöglichkeiten kommerziell orientierter Plattformen blenden lassen darf.
Tele-Lectures der Vortragsreihe „Appetite for Transmission“ online unter www.fro.at/appetite
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