Der Jugend eine Bühne

JungkritikerInnen schreiben über das Jugendtheaterfestival Zündstoff. Für spotsZ macht das Simone Altendorfer.

Alle zwei Jahre lockt das Schultheaterfestival Zünd­stoff Schul- und Ju­gend­theatergruppen nach Linz, wo Landes­thea­ter, Theater Phönix und das The­ater des Kindes Tür und Tor öffnen. Or­ga­ni­siert wird es vom gleichnamigen Verein. 4 Tage lang bie­ten 14 Vorstellungen Jugendtheater pur auf höchs­tem Niveau – dafür sorgt die Fachjury. Neben 11 ausgewählten Gruppen aus ganz Ober­ös­terreich präsentierten sich heuer auch zwei aus­ländische Gäste: Das Market theatre aus dem Township Süd­afrikas und die Alrowwad Theatre and Dance Group aus Palästina. Als spezielles Zu­ckerl wur­de auch die beim Festival Premiere fei­ernde Produktion „komA“ aus dem BRG Fadin­ger­straße angeboten. Das Stück behandelt das topak­tuelle Thema Amok­läufe, und zeigt als Statio­nen­theater quer durch das Schulgebäude die mögliche Vorge­schichte ei­ner solchen Tragödie. Zünd­stoff bereichert Linz mit Stücken zum Weinen und zum Tränen lachen, Eigenproduktionen wie auch namhafte Stü­cke wie von Peter Turrini oder Samuel Beckett.

Bei unserem ersten Vorstellungsbesuch im Thea­ter des Kin­des stifteten wir an der Kassa gleich mal etwas Verwirrung: Was ist denn bitte der Un­ter­schied von Zündstoff-Zeitung und Jungkri­ti­ker­Innen? Denn Zündstoff bietet auch ein reich­haltiges journalistisches Angebot. Während die seit vie­­­len Jah­ren schon eingesetzten Jung­kritiker­In­nen für Lin­zer Tageszeitungen schrei­ben, gab es heu­er erstmals ergänzend eine eigene Festi­val­zei­tung, den „Zünd­brief“, ein Pro­jekt der 2AKM der HLW Steyr. Die JungkritikerInnen sind als Einzel­per­so­nen beteiligt und werden mit Workshops vor­be­rei­tet und für ih­re Verantwortung als Me­dien­trä­ger sensibilisiert, bevor sie auf die Öffentlichkeit losgelassen werden.
Im Jahr der Kulturhauptstadt konnte man auch auf die Un­ter­stützung von Linz09 hoffen. Es wur­de Kontakt zu den in­ternationalen Gastgruppen und auch die neue Hafenhalle zur Verfügung ge­stellt. Besonders abends, wo die Theater ihre eigenen Produktionen spielen, darf man sich hier über eine zu­sätzliche Spielstätte freuen. So war es auch Abend, als ich mir meine Frei­kar­te abholte und hin­ter mir eine tiefe, laute Stimme vernahm. „EUR 2,50  Ein­tritt“, lachte ein Junge kaum einen Schritt von mir entfernt, „das ist ja gar nichts.“ Ja, so schülerfreundlich kann Theater sein.

Im Laufe der Jahre hat sich Zündstoff viele Freun­de ge­macht (der neueste Sympathisant: die Lin­zer Arbeiter­kam­mer) und wird großzügig gesponsert. Denn das ist Kultur. Da geht’s um mehr als Geld. Um Bühne. Um einen Aus­bruch aus dem All­tag. Um das, wonach die Jugend strebt: Ein­zig­artige Mo­men­te und Besonderes zu erleben.

„Das Unglaubliche am Schauspielern ist, wie man sich selbst ausdrücken kann. Du musst kreativ sein und schnell denken. Im Moment, in dem man die Büh­ne betritt, sind alle Probleme vergessen“, sa­gen zum Beispiel die südafrikanischen Mäd­chen, die mit ihrer Produktion „Thursday’s Child“ die Ge­­schichte einer jungen Afrikanerin erzählen, die von ihrer Mut­ter verlassen, von deren Freund ver­gewaltigt wird und mit zwölf anfangen muss, sich zu pros­tituieren um überhaupt durch zu kommen. Sie sprechen den anderen Schau­spie­lern mit Si­cherheit aus der Seele. Theater ist besonders für Ju­gend­liche eine der schönsten Ar­ten, den Cha­rak­ter zu formen und beim Schlüp­fen in andere Rollen sich selbst zu finden.

Meiner Meinung nach ist „Schultheaterwoche“ auch der falsche Begriff da­für. Es sollte „Schul- und Jugendthea­ter­wo­che“ genannt werden, denn nicht nur Schulgruppen von VS, HS, AHS bis BHS, auch freie Jugendtheater sind herzlich eingeladen, sich bei Zündstoff zu beteiligen, stehen allerdings im Verhältnis 2:12.
Freies Jugendtheater kämpft sich noch durch den großen Bühnen­dschun­gel. Zündstoff ist eine der wenigen Plattfor­men, wo sich freie Gruppen me­dien­wirksam präsentieren können. Junge Erwach­sene fallen jedoch auch hier durch den Rost.

Die Schultheatergruppen konnten dabei sein, weil sich en­gagierte Lehrer ge­funden hatten, die ih­nen ermöglichten, als Gruppe ein unvergessliches Fes­­tival zu erleben und ein bisschen Büh­nenluft zu schnuppern. Aber heißt das, die Chan­­ce in Be­rüh­rung mit dem Theater oder anderen Pro­jekten zu kommen, hängt davon ab, ob man das Glück hat, einen engagierten Lehrer er­wischt zu haben?
Hängt es davon ab, in welche Schule man geht, ob die Schu­le sich von ih­rem Schultheater Prestige verspricht oder einfach Kultur schätzt und fördert, oder ob man in einer landet, die einem bei den tapsigen Schritten auf den Brettern, die die Welt bedeuten, nur Steine in den Weg legt? Vielleicht muss man aber auch als Schüler selbst manchmal einfach nur die Augen aufmachen, um zu se­hen, was für Möglich­keiten direkt vor einem liegen.

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05/09
FotoautorInnen: 
Magali Bragard

Alrowwad aus Palästina

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