Begley trifft Bernhard
US-Autor Louis Begley wurde aus Anlass des 20. Todestages von Thomas Bernhard nach Linz eingeladen. Er ist hierzulande weniger als Bernhardkenner, denn als der Autor von „About Schmidt“, das später auch verfilmt wurde, bekannt. Germanist und Bernhard-Experte Manfred Mittermayer führte durch den Abend, dessen Ziel es war, in einer Kombination von Gespräch und Lesungen eine Annäherung nicht nur an Thomas Bernhard, sondern an beide Autoren zu ermöglichen. Im Vordergrund stand schnell die gar nicht so einfache Frage, was diese abseits frappant ähnlicher Empfindungen bei der Ankunft in New York eigentlich gemeinsam haben. Autobiographisches Schreiben scheint ein Anhaltspunkt.
Begley wurde als Ludwig Beglejter 1933 im damals polnischen Stryj (Galizien) geboren, konnte mit Hilfe gefälschter Papiere, die seine jüdische Familie als katholische Polen tarnten, flüchten und 1947 mit den Eltern schließlich in die USA emigrieren. Dort gelang es ihm mit anfangs spärlichen Sprachkenntnissen in erstaunlich kurzer Zeit an der Harvard University Jura und am Harvad College Englische Literatur zu studieren. Es folgten 2 Jahre Dienst in der US-Armee, die letzten 18 Monate verbrachte er in Göppingen, was ihm sehr gute Deutschkenntnisse einbrachte. Trotz seiner literarischen Erfolge blieb er bis 2004 als erfolgreicher Anwalt tätig.
Schon sein 1991 erschienener Erstlingsroman „Lügen in Zeiten des Krieges“ schilderte die überlebensnotwendigen Lügen in Zeiten des Holocaust aus der Sicht eines kleinen polnischen Jungen. „Ehrensachen“ (2007 erschienen) erzählt die Geschichte der nur auf den ersten Blick erfolgreichen Amerikanisierung des aus Polen geflüchteten Juden Henry White. Hätte White noch immer Weiß geheißen, und nicht mittlerweile White und wäre sein Aussehen etwas jüdischer gewesen, wäre er nie in die Verlegenheit geraten, sich dafür rechtfertigen zu müssen, jüdisch zu sein, worüber er eigentlich nicht sprechen will: „Solange es Leute gibt, die es kümmert, ob ich ein Jude bin, der vorgibt, keiner zu sein, so lange muss ich Jude bleiben, auch wenn ich mir innerlich nicht jüdischer vorkomme als ein geräucherter Schweineschinken. Wenn jemand mich fragt, muss ich sagen, dass ich Jude bin – es sei denn, diese Wahrheit bringt mich in ein Konzentrationslager oder kostet mich das Leben.“ White’s späterer Versuch, sich ein anderes Ich zu beschaffen, bedeutet Verrat an seiner eigenen Familie.
Über sein eigenes Leben sagt Begley, es wäre gelungen (und man glaubt ihm das), im Roman scheint die Suche nach Identität ein nicht auflösbares Problem zu bleiben, weil es eben nicht möglich ist, eine Identität zu finden, wenn sie einem einmal, freiwillig oder unfreiwillig, genommen wurde.
Begley erzählt wohl autobiographisch, lässt seine Erfahrungen einfließen und diese nachempfinden. Im Interview betont er jedoch die Unwichtigkeit der Biographie eines Autors neben der Wichtigkeit dessen, dass ein Text eigenständig funktionieren muss. So personen- und geschichtenlos entstanden seien auch seine Beziehungen zu Bernhard, Kafka und zu anderen Autoren, die er schätzt und verehrt.
Es war sehr schade, dass ausgerechnet der Autor akustisch sehr schlecht zu hören war. Die deutsche Übersetzung seiner Antworten im sensibel und spannend geführten Gespräch haben’s gerettet und Burgschauspieler Johannes Terne hat mit seiner Lesung aus „Ehrensachen“ (ebenfalls in deutscher Sprache) zum Entschluss beigetragen, die eigene Bibliothek wieder mal zu erweitern.
Was hat das alles mit Wertschätzung zu tun? Wie ich später hörte, hat Begley den Abend sichtlich genossen. Aber nicht nur Begley konnte sich wohlfühlen, auch das Publikum, obwohl dieses durch die Herausforderung von englischer Sprache in Kombination mit schlechter Akustik tatsächlich sehr angestrengt wurde, jedoch durch eine in alle Richtungen hin auffällig wertschätzende Moderation immer wieder gut zurückgeholt und weitergeführt wurde.
Es ist gelungen, ein riesiges Fachwissen auch für Nicht-GermanistInnen verständlich rüberzubringen und mittels kleiner respektvoller Bemerkungen sowohl an den Autor, als auch an sämtliche Menschen im Saal diese immer wieder daran zu erinnern, dass sie soeben wahrgenommen werden. Womit ich nicht nur den bereits zu Beginn liebevollen Hinweis auf die Übersetzung „für alle, die vielleicht nicht alles gut verstanden haben“ meine. Erfahrungsgemäß ist dies bei einer Literaturveranstaltung ja nicht selbstverständlich.
Und Thomas Bernhard alleine hätte dies wohl auch nicht geschafft.
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