„Weder zeitgenössisch noch künstlerisch.“

Es ist nicht nur der Verlust zweier spannender Projekte zu beklagen, sondern auch ein Verlust der transparenten Fördervergabe sowie ein Bekenntnis zu mutigen Diskussionen. Ganz abgesehen vom Imageschaden der progressiver ausgerichteten Kulturpolitik. Zum „Förderskandal“ rund um den KUPF-Innovationstopf 2010.

„Iraq War Ends“ – im Frühling dieses Jahres war im Rahmen der Ausstellung „Biennale Cuvee“ das Kunst­projekt „The Yes Men“ zu sehen. Ein kritisches Kunstprojekt (ja, darüber war man sich ei­nig), das mit den Äußerungsformen unserer Zeit spielt, den Medienbetrieb auf die Schippe nimmt und so Masternarrative enttarnt und ins Wanken bringt – etwa wenn in einer Fake-Ausgabe der New York Times das Ende des Irak-Kriegs postuliert wird. Geschützt im White Cube des OK Of­fe­nes Kulturhaus Oberösterreich und verschanzt im kaum greifbaren Cyberspace wurde das Projekt wenig besprochen bzw. blieb hinter seinem kritischen Potential zurück.

Zu Nah? Wenige Monate später steht es um zwei Projekte, deren Verständnis von Kunst und Kul­tur artverwandt ist, viel prekärer. Seit fünfzehn Jah­ren gibt es in Oberösterreich als alternatives Förder­ins­trument den KUPF-Innovationstopf. Eine un­ab­hän­gige ExpertInnenjury vergibt För­der­gelder des Lan­des an Projekte, die zu einem The­ma, heuer „Mit Sicherheit?“, eingereicht werden. Das war zumindest bis dato so. Wie bereits in vielen Medien be­sprochen, kam es bei der heurigen Auswahl zu einer kulturpolitischen Differenz. Erstmals kam das Land OÖ der Förderempfehlung nicht nach; bei­de Projekte thematisierten den Linzer Ord­nungs­dienst. Argumentiert wurde, dass sie dem künstlerisch-kulturellen Anspruch nicht gerecht werden, oder im O-Ton „weder zeitgenössische noch künstlerische Inhalte erkennbar sind“. Die Kultur­platt­form OÖ verstand die Entscheidung als politische und weniger als künstlerische Absichtser­klä­rung. Die Jury sieht ihre Expertise ad absurdum geführt.
Es scheint weniger verschwörungstheoretisches Hirngespinst als konkrete Vermutung, dass im Zeit­­raum der Ablehnung der Projekte die FPÖ ge­gen diese agierte und hier ein Zusammenhang besteht (Vgl. „Politik wird als Kultur getarnt“).

Unabhängig des Auslösers ist die Entscheidung ein Zugeständnis an Politiken, Begriffe und Pra­xen, die innerhalb der FPÖ zu verorten sind, je­doch auch von einer vermeintlichen Mitte mit entworfen wer­den. Das für sich ist natürlich schon fatal, allerdings auch nicht großartig verwunderlich. Die Cau­sa wirft jedoch darüber hinaus weitere Fra­gen auf, die der Entscheidung letztlich gesamtgesell­schaft­liche Dimension zukommen lassen. Stella Rollig ver­weist in ihrem Statement auf zumutungen.at da­rauf, dass die Entscheidung nicht nur die Fra­ge, was Kunst eigentlich sei, aufwirft, sondern da­mit einher auch fragt, wer das zu entscheiden hat.

Ohne sich im theoretischen Diskurs zu verlieren, kann von Dada bis Schlingensief attestiert werden, dass Kunst nur mehr kontextspezifisch begriffen werden kann und es daher auch nicht genügt, ei­nen starren, allgemeingültigen Begriff zu etablieren. Der Kunstbegriff, der sich hinter der Ent­schei­dung verbirgt, bringt uns retour zu einer Kultur­po­litik, die in Oberösterreich bisher nicht Praxis war. Ein hegemonialer Eingriff, der sich der Pro­the­se der Kulturpolitik bedient, um kontrollkritische Initiativen zu behindern, ist schwer nicht als Machtdemonstration zu verstehen.

„Kulturpolitik versteht sich wiederum als eine Sum­me von Aktivitäten und Maßnahmen, die Rahmen­be­dingungen schafft, in denen Kultur gedeihen kann, und so zur positiven Entwicklung der Gesellschaft im humanistischen Sinn beiträgt. (...) Kulturpolitik ist Demokratie- und Gesellschaftspolitik“ verweist Karl Klar, einer der betroffenen AktivistInnen, in seiner Stellungnahme auf der Kampagnenseite auf das oberösterreichische Kulturleitbild. Und die IG Kultur meint, dass die Aussage von Landes­haupt­mann Dr. Pühringer – wonach Kultur Geld koste, Unkultur aber noch mehr – durch die Entschei­dung konterkariert wird.

Eine Umkehrung. Versucht man, der Debatte et­was Positives abzugewinnen, so könnte man als kleinste Errungenschaft attestieren, dass Kultur­po­litik medial wieder eine Rolle spielt bzw. der Ver­such, zwei kritische Projekte zu verhindern, erst recht für Aufregung sorgt. Beides sind er­nüch­ternde und wenig zufrieden stellende Fest­stel­lungen, geht es hier doch nicht nur um zwei konkrete Projekte, die ein spezifisches, brennendes Thema verhandeln, sondern viel mehr auch um die Frage, welcher gesellschaftliche Verlust durch das Abdrehen Projekte dieser Art bzw. das Aushebeln autonomer Fördermodelle und Expert­In­nenjurien entsteht. Während sich in diversen In­ternet-Kommentaren die wahren ExpertInnen für Kunst und Kultur genussvoll ins Fäustchen la­chen und einmal mehr Kunst mit Können verschränken bzw. den gesamten Setzkasten bornier­ter Stammtischvokabel auffahren, droht ein we­sent­licher Rückschritt, was Förderpraxen angeht. Das Aushebeln der Jury ist hier nicht etwa als machtkritische Auseinandersetzung mit Expert­In­nentum zu verklären, sondern als Übergehen un­abhängiger Expertise, die natürlich auch mal ge­gen Masternarrative argumentieren.

Perfekt würde dieser „Skandal“, um ein in der De­batte inflationär gebrauchtes Wort heranzuziehen, den linken Mythos bedienen, wonach die Pro­jek­te den „MachthaberInnen“ zu gefährlich, zu kritisch geworden wären. Eine Behauptung, die eben­so unglaubwürdig erscheint, wie das völlige Ge­gen­­teil. Natürlich kann diese Entscheidung aus der Perspektive zeitgenössischer Ordnungs- bzw. Ver­drängungspolitik verstanden werden, die darauf aufbaut, GefährderInnen zu produzieren. Die Aus­nahme wäre, so überlegt, nicht der 15. Inno­va­ti­ons­topf, sondern die progressive Förder­poli­tik in den Jahren zuvor. Zynisch könnte man auch meinen, dass zeitgenössische Verdrängungs- und Ord­nungspolitik in Oberösterreich einfach mit Ver­spä­tung realpolitisch spürbar wird.

Die zugegeben verlockenden Überlegungen über Motive, warum das Projekt tatsächlich abgelehnt wurde, darf jedoch keineswegs darauf verzichten, den realpolitischen Verlust in den Fokus zu nehmen: Zusammengefasst ist durch die Entschei­dung nicht nur der Verlust zweier spannender Projekte zu beklagen, die nun in adaptierter Form stattfinden müssen (Projekte, wie die beiden, haben nicht nur das Potential, Ordnungs- und Sicherheits­poli­tik mit den Werkzeugen der Kunst zum Thema zu machen, sondern hätten auch das Potential Kritik an kontrollkritischen Initiativen zu üben und da­bei z. B. auf die unverhältnismäßige öf­fent­liche Wahr­nehmung, Überwachung treffe alle gleich, hin­zuweisen). Sondern es ist auch ein Verlust der transparenten, fairen Fördervergabe zu beklagen, sowie ein Bekenntnis zu mutigen Diskussionen. Ganz davon abgesehen, dass das Land OÖ sein, durch in Ansätzen progressive Kulturpolitik entstandenes Image, aufgibt.

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09/10
FotoautorInnen: 
Johanna Wögerbauer

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