„Weder zeitgenössisch noch künstlerisch.“
„Iraq War Ends“ – im Frühling dieses Jahres war im Rahmen der Ausstellung „Biennale Cuvee“ das Kunstprojekt „The Yes Men“ zu sehen. Ein kritisches Kunstprojekt (ja, darüber war man sich einig), das mit den Äußerungsformen unserer Zeit spielt, den Medienbetrieb auf die Schippe nimmt und so Masternarrative enttarnt und ins Wanken bringt – etwa wenn in einer Fake-Ausgabe der New York Times das Ende des Irak-Kriegs postuliert wird. Geschützt im White Cube des OK Offenes Kulturhaus Oberösterreich und verschanzt im kaum greifbaren Cyberspace wurde das Projekt wenig besprochen bzw. blieb hinter seinem kritischen Potential zurück.
Zu Nah? Wenige Monate später steht es um zwei Projekte, deren Verständnis von Kunst und Kultur artverwandt ist, viel prekärer. Seit fünfzehn Jahren gibt es in Oberösterreich als alternatives Förderinstrument den KUPF-Innovationstopf. Eine unabhängige ExpertInnenjury vergibt Fördergelder des Landes an Projekte, die zu einem Thema, heuer „Mit Sicherheit?“, eingereicht werden. Das war zumindest bis dato so. Wie bereits in vielen Medien besprochen, kam es bei der heurigen Auswahl zu einer kulturpolitischen Differenz. Erstmals kam das Land OÖ der Förderempfehlung nicht nach; beide Projekte thematisierten den Linzer Ordnungsdienst. Argumentiert wurde, dass sie dem künstlerisch-kulturellen Anspruch nicht gerecht werden, oder im O-Ton „weder zeitgenössische noch künstlerische Inhalte erkennbar sind“. Die Kulturplattform OÖ verstand die Entscheidung als politische und weniger als künstlerische Absichtserklärung. Die Jury sieht ihre Expertise ad absurdum geführt.
Es scheint weniger verschwörungstheoretisches Hirngespinst als konkrete Vermutung, dass im Zeitraum der Ablehnung der Projekte die FPÖ gegen diese agierte und hier ein Zusammenhang besteht (Vgl. „Politik wird als Kultur getarnt“).
Unabhängig des Auslösers ist die Entscheidung ein Zugeständnis an Politiken, Begriffe und Praxen, die innerhalb der FPÖ zu verorten sind, jedoch auch von einer vermeintlichen Mitte mit entworfen werden. Das für sich ist natürlich schon fatal, allerdings auch nicht großartig verwunderlich. Die Causa wirft jedoch darüber hinaus weitere Fragen auf, die der Entscheidung letztlich gesamtgesellschaftliche Dimension zukommen lassen. Stella Rollig verweist in ihrem Statement auf zumutungen.at darauf, dass die Entscheidung nicht nur die Frage, was Kunst eigentlich sei, aufwirft, sondern damit einher auch fragt, wer das zu entscheiden hat.
Ohne sich im theoretischen Diskurs zu verlieren, kann von Dada bis Schlingensief attestiert werden, dass Kunst nur mehr kontextspezifisch begriffen werden kann und es daher auch nicht genügt, einen starren, allgemeingültigen Begriff zu etablieren. Der Kunstbegriff, der sich hinter der Entscheidung verbirgt, bringt uns retour zu einer Kulturpolitik, die in Oberösterreich bisher nicht Praxis war. Ein hegemonialer Eingriff, der sich der Prothese der Kulturpolitik bedient, um kontrollkritische Initiativen zu behindern, ist schwer nicht als Machtdemonstration zu verstehen.
„Kulturpolitik versteht sich wiederum als eine Summe von Aktivitäten und Maßnahmen, die Rahmenbedingungen schafft, in denen Kultur gedeihen kann, und so zur positiven Entwicklung der Gesellschaft im humanistischen Sinn beiträgt. (...) Kulturpolitik ist Demokratie- und Gesellschaftspolitik“ verweist Karl Klar, einer der betroffenen AktivistInnen, in seiner Stellungnahme auf der Kampagnenseite auf das oberösterreichische Kulturleitbild. Und die IG Kultur meint, dass die Aussage von Landeshauptmann Dr. Pühringer – wonach Kultur Geld koste, Unkultur aber noch mehr – durch die Entscheidung konterkariert wird.
Eine Umkehrung. Versucht man, der Debatte etwas Positives abzugewinnen, so könnte man als kleinste Errungenschaft attestieren, dass Kulturpolitik medial wieder eine Rolle spielt bzw. der Versuch, zwei kritische Projekte zu verhindern, erst recht für Aufregung sorgt. Beides sind ernüchternde und wenig zufrieden stellende Feststellungen, geht es hier doch nicht nur um zwei konkrete Projekte, die ein spezifisches, brennendes Thema verhandeln, sondern viel mehr auch um die Frage, welcher gesellschaftliche Verlust durch das Abdrehen Projekte dieser Art bzw. das Aushebeln autonomer Fördermodelle und ExpertInnenjurien entsteht. Während sich in diversen Internet-Kommentaren die wahren ExpertInnen für Kunst und Kultur genussvoll ins Fäustchen lachen und einmal mehr Kunst mit Können verschränken bzw. den gesamten Setzkasten bornierter Stammtischvokabel auffahren, droht ein wesentlicher Rückschritt, was Förderpraxen angeht. Das Aushebeln der Jury ist hier nicht etwa als machtkritische Auseinandersetzung mit ExpertInnentum zu verklären, sondern als Übergehen unabhängiger Expertise, die natürlich auch mal gegen Masternarrative argumentieren.
Perfekt würde dieser „Skandal“, um ein in der Debatte inflationär gebrauchtes Wort heranzuziehen, den linken Mythos bedienen, wonach die Projekte den „MachthaberInnen“ zu gefährlich, zu kritisch geworden wären. Eine Behauptung, die ebenso unglaubwürdig erscheint, wie das völlige Gegenteil. Natürlich kann diese Entscheidung aus der Perspektive zeitgenössischer Ordnungs- bzw. Verdrängungspolitik verstanden werden, die darauf aufbaut, GefährderInnen zu produzieren. Die Ausnahme wäre, so überlegt, nicht der 15. Innovationstopf, sondern die progressive Förderpolitik in den Jahren zuvor. Zynisch könnte man auch meinen, dass zeitgenössische Verdrängungs- und Ordnungspolitik in Oberösterreich einfach mit Verspätung realpolitisch spürbar wird.
Die zugegeben verlockenden Überlegungen über Motive, warum das Projekt tatsächlich abgelehnt wurde, darf jedoch keineswegs darauf verzichten, den realpolitischen Verlust in den Fokus zu nehmen: Zusammengefasst ist durch die Entscheidung nicht nur der Verlust zweier spannender Projekte zu beklagen, die nun in adaptierter Form stattfinden müssen (Projekte, wie die beiden, haben nicht nur das Potential, Ordnungs- und Sicherheitspolitik mit den Werkzeugen der Kunst zum Thema zu machen, sondern hätten auch das Potential Kritik an kontrollkritischen Initiativen zu üben und dabei z. B. auf die unverhältnismäßige öffentliche Wahrnehmung, Überwachung treffe alle gleich, hinzuweisen). Sondern es ist auch ein Verlust der transparenten, fairen Fördervergabe zu beklagen, sowie ein Bekenntnis zu mutigen Diskussionen. Ganz davon abgesehen, dass das Land OÖ sein, durch in Ansätzen progressive Kulturpolitik entstandenes Image, aufgibt.
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