Innenblick von und nach Außen
Seit genau zehn Jahren richtet das Außenblick-Projekt „European Eyes on Japan/Japan Today“ europäische Augen in unterschiedlichste Landstriche Japans. 45 europäische Fotokünstler haben seitdem ihre Blicke auf bislang 30 der 47 Provinzen individuell festgehalten. Das Projekt wird jährlich fortgesetzt, bis sämtliche der 47 Präfekturen gesichtet worden sind. Die Arbeiten wurden und werden dann bei Ausstellungen sowohl in Europa als auch in Japan gezeigt. Die elfte Ausgabe von „European Eyes on Japan“ war eben in der Partnerkulturhauptstadt in Vilnius und ist jetzt in der Galerie der Stadt Wels zu sehen, bevor sie nach Japan „nach Hause“ zieht. Diese Ausstellung ist nach dem MKH-Großprojekt „What you really need“ im Frühjahr der zweite Welser Linz09-Überläufer.
In diesem Frühjahr haben die Fotografen Andrew Phelps (Österreich), Arturas Valiauga (Litauen) und Hans-Christian Schink (Deutschland) Niigata besucht und aus ihren jeweiligen Blickwinkeln erforscht. Die Provinz Niigata erstreckt sich, 300 km nördlich von Tokio, über 240 km entlang der Küste zum Japanischen Meer. In dieser Präfektur, deren Hauptstadt das namensgebende Niigata ist, wohnen 2,5 Millionen Menschen. Niigatas Wirtschaft wird nach wie vor von der Landwirtschaft dominiert. Die Provinz ist die japanische Reiskammer und ebenso bekannt für die Produktion des japanischen Reisweins „Sake“. Spannend ist dieses Projekt nicht nur seines Innenblicks von und nach Außen wegen, sondern es werden damit Bilder – und dies in höchster künstlerischer Potenz – aus einer fernen und so ungeheuer vielfältigen Welt präsentiert, die nicht den gängigen Klischees entsprechen wollen und können. Und dabei sogar in manchem an eine sehr nahe, verschneite Mühlviertler Hügellandschaft zu erinnern vermögen, als japanische Landschaften, wie sie der deutsche Fotograf Hans-Christian Schink eingefangen hat. Er hatte zuerst vor, sich der Küstenlandschaft zu widmen, war aber dann von der rauhen Natur der Berglandschaft fasziniert, die eine Atmosphäre „der Mischung aus Winter und Frühling in Verbindung mit der Architektur der Häuser“ schafft. „Japans tägliches Menü wurde meine tägliche Realität. Es bestand aus dem Abstellen der Schuhe vor der Tür und dem Einschlafen der im Sitzen verschränkten Beine; aus dem eigenwilligen Essen mit Stäbchen, die zwischen meinen Fingern drücken; aus dem unruhigen Schlaf mit einer Wärmflasche in einem ungeheizten Raum. Es war das sanfte Lied des Wirten, das mich weckte, und eine kleine Tasse Grüner Tee.“, schreibt Arturas Valiauga über seine Japanerfahrung. Der unaufhörliche Singsang einer unbekannten Sprache, die beständig in seinem Kopf weiter kreiste, animierte den Litauer Valiauga den Menschen von Niigata ins Gesicht zu blicken, um dabei ihre – ansonsten für Europäer schwer interpretierbare – Aura in großer Subtilität sichtbar zu machen. Der aus Arizona stammende und jetzt in Salzburg lebende Fotograf Andrew Phelps merkt zu seinen Japan-Erfahrung an: „Wenn ich an einen fremden Ort reise, bin ich von der Exotik ebenso fasziniert wie vom Alltäglichen bzw. von der astronomischen Kluft zwischen Alt und Neu.“ – dies hat ihn besonders an Japan interessiert. Seine Arbeitsweise besteht ein bisschen daraus, „aus einem Strauch einen Pudel oder einen Schwan zu machen.“ Am Ende kommt er vielleicht bei etwas an, das entfernt einem Pudel oder einem Schwan ähnelt, ... „und es ist ganz sicher nicht Niigata.“ Phelps Bilder erblicken und entdecken viele Seiten: Ob ein auf eine Ladenrollwand gemalter John Lennon, ein Vater mit seiner Tochter an der Hand vor einer Steinlandschaft, oder eine Schar von Möwen, die sich am nachtschwangeren japanischen Himmel orientiert – alles ist Alltägliches, Spontan-Ersehenes, in dem Phelps eine kraftvolle Poesie des scheinbar Zufälligen ortet und zu entfalten weiß. Die Ausstellung wurde kuratiert von Mikiko Kikuta – und Niigata strahlt in den Bildern von Schink, Phelps und Valiauga eine amorphe Gelassenheit aus, die, zumindest bis 13. Dezember, eine mehr als einmalige Fluchtmöglichkeit aus dem Vorweihnachtsstress anbietet.
PS, Innenblick nach Wels: Bürgermeister Koits – und damit Wels – ist bei der Stichwahl gerade noch einmal mit einem „blauen“ Auge davongekommen. Trotz deutlicher Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat, ist in der Stadtregierung vieles beim Alten geblieben. Gut so! – Aber hoffentlich bleibt damit nicht alles beim Alten. Mancher Blick der Stadtväter und -mütter von „Außen“ ins Stadtinnere könnte wieder mehr Bewusstsein für die Realität gewinnen lassen; und damit können wesentliche Entwicklungen nicht mehr ignorierbar sein. Weitere Rechtsaußenerfahrungen müssten damit in Zukunft noch verzichtbarer werden, als sie es ohnehin sind.
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