Hommage an einen Seher des Düsteren

Was liegt näher, als Alfred Kubin 2009, im Jahr seines 50. Todestages, mit einer „Fact-Fiction-Comic-Biographie“ zu ehren? Hatte doch dieser selbst seinen phantastischen Roman „Die andere Seite“ mit zahlreichen Illustrationen versehen. Christoph Raffetseder und Herbert Christian Stöger veröffentlichten im November das Comic-Buch „Curt Kubin“.

Alfred Kubin hat in der Kunstwelt den Rang eines Popstars. Zumal in Ober­ös­terreich, wo dem Grafiker, Schriftsteller und Buchillustrator eine geradezu hündische Verehrung zuteil wird (inklusive Vereinnahmung als „österrei­chi­scher“ resp. „oberösterreichischer“ Künstler – Kubin wurde in Böhmen ge­boren, verbrachte prägende Jahre in München und wurde erst 29-jährig, im Jahr 1906, bei Wernstein am Inn auf dem alten Herrensitz Zwickledt an­sässig). Dieses Popstartum illustriert alleine der Titel des gemeinsamen Werks von Christoph Raffetseder und Herbert Christian Stöger: „Curt Ku­bin“, eine Anspielung auf den legendären Grunge-Rocker und „Nirvana“-Front­mann Kurt Cobain.

Was liegt näher, als Alfred Kubin 2009, im Jahr seines 50. Todestages, mit einer „Fact-Fiction-Comic-Biographie“ zu ehren? Hatte doch dieser selbst seinen phantastischen Roman „Die andere Seite“ (1909) mit zahlreichen Illus­tra­tionen versehen. Der Linzer Stöger, ein künstlerischer Grenzgänger u.a. zwi­schen neuen Medien, Literatur und bildender Kunst, hat einige Text­stel­len den Tagebüchern Franz Kafkas und dem Briefwechsel Kubins mit Fritz von Herzmanovsky-Orlando entnommen und montiert. Einiges ist, na­tur­ge­mäß, Fiktion. Raffetseder, dessen künstlerisches Schaffen bereits auf zahl­rei­chen Ausstellungen gezeigt wurde (u.a. Linzer Stifterhaus, Egon Schie­le Zentrum Krumlov), steuerte die kongenialen Zeichnungen bei. Etwa die wun­­derbar gezeichnete, alptraumhafte Beobachtung Kubins eines Mannes im Kaf­feehaus, aus dessen Nase er einen Wurm hervorlugen sieht.

Kubins düstere Visionen, die er auf seinen Bildern verewigen sollte, ziehen sich als Leitfaden durch das Buch. Es ist in kurze Episoden gegliedert, er­zählt in Ich-Form vom jungen Kubin („Im Sumpf des Anfangs“) bis – künstlerische Freiheit! – nach seinem Tod. Etwas Vorwissen kann zum Verständ­nis nicht schaden, doch auch der/die von Kubin bisher Unbeleckte wird sei­ne/ihre Freude haben.

Wir erfahren von einem Künstler, der sich vor allem für die Dinge interessierte, die ihn „ansprechen“, weniger aber für die Menschen. Dafür wiederum für die Frauen: Kubin wurde als Jüngling von einer Schwangeren verführt und sollte danach nur ältere Frauen als Liebhaberinnen haben. Der heiklen Frage nach Kubins Verhältnis zu den Nazis weichen Raffets­eder/ Stö­ger nicht aus, stellen aber auch keine wüsten Thesen auf. Eine Episode zeigt, wie einst der Gauleiter zu Besuch kam und Hedwig, Kubins Frau, noch rasch ein Porträt von Hitler an die Wand hängt. Tatsächlich wurden in der Zeit des Nationalsozialismus 63 Werke Kubins als „entartete Kunst“ diffamiert, trotzdem erhielt er kein Ausstellungsverbot.

Wenn man so will, hat Kubin auf einer Art eigenem Künstlerplaneten ge­lebt. Eine Episode zeigt ihn, wie er in stürmischer Nacht, als es blitzt und donnert, das Haus verlässt. Kubins vermutlich nicht einmal ironisch ge­mein­ter Kommentar: „Schöner Tag heute.“ Das ist Humor.

„Curt Kubin. Eine Fact-Fiction-Comic-Biographie über Alfred Kubin“.
Christoph Raffets­eder (Zeichnung), Herbert Christian Stöger (Text).
Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2009, 70 Seiten.
Ausstellung „Curt Kubin. Eine Fact-Fiction-Comic-Biographie über Alfred Kubin“
im Trans­public, bis 04. Dezember, geöffnet nach tel. Vereinbarung, Tel: 0669/117 196 31

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12/09
FotoautorInnen: 
Christoph Raffetseder

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