Aus der Ferne – Flutlicht

AutorIn: 

Wir wurden rausgezerrt, in das Licht, aus dem Dunkel der Provinzialität. Um uns zu zeigen, wie es gehen könnte. Das mit der Kultur, der Kunst, der Internationalität und der Par­ti­zipation. Ich mochte die Tiere aus Moosgummi. Und ich hatte Respekt vor den Menschen, die da mitmachten. Ich mochte bloß das Thema nicht. Die Veran­stal­ter mochten es auch nicht mehr, als sie merkten, wie nahe es an der Rea­li­tät vieler Men­schen lag. Und deshalb die freiwillige Feuer­wehr zum Sammeln aufforderten, für echte Flutopfer. Abends dann. Schon am Nachmittag wurde mein Kameramann von der Flut der größtenteils im Schritttempo vor der Flut flüchtenden Tiere mitgerissen und verlor sich im Dickicht der Tier­welt aus Dinosauriern und Enten. Ich fand ihn wieder, als er einem Haifisch von unten auf den Bauch filmte. Wir hatten schöne Bilder von netten Tieren vor blauem Himmel, die vor der Flut flüchteten. Das war dann doch etwas wider­sprüch­lich. Ich jedenfalls staunte nicht schlecht, als ich merkte, wie ernst es den Veranstaltern da­mit war, das The­ma Flut und die Flucht davor choreographisch zu steuern und zu kontrollieren. Ein ganz klein wenig habe ich tief in meinem auf Irritation in der Kunst vertrauenden Her­zen darauf gehofft, dass dann doch noch al­les außer Kontrolle ge­rät und in eine echte Mas­senflucht ausartet. War aber nicht. Gefürchtet ha­ben sich nur die kleinen Kinder und die Hun­de, die echten und ich, weil ich Massen nicht so gerne mag. Irgendwie blieb mir der Sinn des The­mas Flut verborgen, und irgendwie kann ich nicht umhin, anzunehmen, es ging in erster Linie da­rum, möglichst viele Menschen partizipativ in die­se Klangwolke einzubinden. Eine echte Aus­ei­nan­der­set­zung mit dem Thema ist vielleicht an­­gesichts einer Mas­senveranstaltung wie der Klang­wolke ein unangebracht heh­res Motiv, ei­nen Versuch wäre es jedoch wert gewesen. Flut aber ist ein so großes, breit gefächertes Thema, das nicht nur angesichts echter Flutwellen, die echte Menschen töten und um ihre Existenz brin­gen, etwas sauer aufstößt.

Kein Zuschauer ist nass geworden bei dieser Klang­wolke, kei­­ner wurde weggespült, und die Katharsis ist bislang auch aus­geblieben. Und by the way: Die Tiere wissen es nicht im­mer als ers­te: Noah hat’s gewusst und schließlich ja die Ar­che gebaut, nicht die Dinosaurier oder Hams­ter – die ha­be ich beim nachmittäglichen Tier­auf­marsch übrigens schwer vermisst, aber wo­hin soll­te ein Hamster in seinem Käfig schon flüchten.
Trotzdem: Gibt es nicht schon genug Flutwellen, im metaphorischen Sinn, emotionaler, politischer, persönlicher Na­tur, die täglich über uns hereinbrechen, sodass wir biblischer Fluten eigentlich eher nicht bedürfen? Wäre eine Aus­einan­der­set­zung, subtiler und fernab der knallharten bi­bli­schen Übersetzung der „Flut“ nicht auch eines kulturellen Großevents wie der Klangwolke viel besser angestanden? Ein Thema, das, wenn es denn schon überhaupt herhalten muss, um Mas­sen zu begeistern – was ausreichend fragwürdig ist – klug und innovativ aufbereitet an die intimen, persönlichen Flutwellen appellieren hät­te können, sodass ein Verstehen, ein Anhalten, ein Begreifen dieses weiten The­mas jedem und je­der möglich gewesen wäre. An das selbstverständliche partizipative Statement vieler Radio­ge­räte in privaten Fenstern reicht man mit dem Her­bei­­schaf­fen möglichst vieler Menschen an einem Samstag­nach­mit­tag mitnichten heran. Aber: Man könnte ja die Tiere noch mal verwenden im nächs­ten Jahr: Karneval der Tiere wäre auch ein schönes Thema, und viel politischer noch dazu.

23
Zurück zur Ausgabe: 
10/09

& Drupal

spotsZ - Kunst.Kultur.Szene.Linz 2006-2014