Auf der Suche nach Machtstrukturen

Wenn es Herbst wird und draußen ein kalter Wind bläst … dann ran ans Radio und Ohren auf. „Vom Rand in die Mitte – Frauen Macht im demokratischen Alltag“ heißt die die Spezial-Sende­reihe, die das Frauenkollektiv spacefemFM auf Radio FRO ab 18. September sendet. Roswitha Kröll bat Michaela Schoissengeier zu einem Interview.

Danke Michi für die Zeit zu diesem Gespräch.
Ja, hallo danke auch für die Einladung.

Du bist vom spacefemFM-Team und ab 18. September startet eine Sendereihe mit der Überschrift „Vom Rand in die Mitte – Frauen Macht im demokratischen Alltag“ bei der es um vielfältige Formen der Macht geht. 2008 wurde das Projekt beim Impulstopf der KUPF eingereicht und gefördert. Wie be­schreibst du die Entwicklung des Themas über die eineinhalb Jahre?
Macht ist ja immer und überall und betrifft jeden und jede. Also ein generelles Interesse am Thema. In den Redaktionstreffen haben wir brainstorm-mäßig gefiltert was ist aktuell bei uns da – was brennt uns unter den Nä­geln. Es wurden auch Themen wieder verworfen. Nach Recherchen ist zum Beispiel völlig was anders rausgekommen, als wir vor hatten. Zum Beispiel in der Gruppe Geld/Wirtschaft – da war anfangs der Fokus eigentlich Macht, Vergangenheitsbewältigung, Opfer/TäterInnen und dann ist das her­aus­ge­kom­men. Natürlich war letztes Jahr auch die aktuelle Lage Themen eingrei­fend.

Das heißt die Themen haben sich aus den Treffen entwickelt und es war nicht klar vorgegeben, wo es hingehen soll?
Das zum Einen, zum Anderen werfen wir immer einen feministischen Blick auf die verschiedenen Themen.

Was waren die besonderen geschlechtsspezifischen Aspekte von Macht, die ihr da beleuchtet habt oder die wichtig waren?
Ich kann da jetzt nur für „meine“ Themen (Geld/Macht) sprechen. Das wirtschaftliche Feld ist ganz klar männerdominiert. Es war mir wichtig, Frauen zu finden, die zu dem Thema was sagen können/wollen. Und ich hab sie gefunden! Auffällig war auch die Literaturrecherche zu dem Thema. Ganz schwie­rig, dort Wissenschaftlerinnen zu finden und das heißt aber nicht, dass es sie nicht gibt und schon gar nicht, dass sie nichts zu sagen hätten. Es ging auch um alternativ Konzepte: Können wir uns eine Welt ohne Geld vorstellen? Wo sind in dem Feld die Frauen vertreten ...
Ein anderes Thema waren „Mutter/Tochter/Macht-Strukturen“, die in einem Hörspiel von Mieze Medusa beleuchten wurden. Das war auch spannend, wie wir innerhalb des Frauenkollektivs das Thema reflektiert haben.

Eine andere Frage. Zwei Titel, wo ich mir gedacht habe, da könnte so etwas wie ein Opferdiskurs mitschwingen sind: „Frauenpotentiale – eine Reise ins Un­beforschte“ – als etwas, wo Frauen als weißes Blatt/Unbekanntes, jetzt ein­mal im Titel vorkommen oder als etwas das man(n)/frau? passiv (als Ob­jekt) be-forscht. Und „Neun Gedichte zur Macht der Machtlosen – Was Macht wäre – sollen die sagen – die keine haben!“. Wie sind diese Sendungen aufgebaut?
Gute Frage. Beim ersten wird das Thema anhand der Plazenta umkreist. Was passiert denn in der modernen oder neuen Medizin, mit so normalen Vorgängen wie der Geburt? Es war irgendwie schon geheimnisvoll, aber Op­fer? – kann ein bisschen durch leuchten, ist so aber nicht gedacht – ganz im Gegenteil: Es geht um dieses Kraftvolle, das da passiert und was passiert dann mit der Plazenta (lacht).
Und den nächsten Titel „Neue Gedichte zur Macht der Machtlosen“ – da muss ich jetzt wirklich passen. Vielleicht noch zur Entstehungsgeschichte: Uns war auch wichtig, Aufträge an Künstlerinnen zu vergeben und das war in dem Fall Brigitte Menne. Der Auftrag lautete zum Thema Macht und De­mo­kratie was zu machen … aber sehr offen. Neun Gedichte sind zu uns ge­kommen.

Noch zu einer anderen Sendung zum Thema „Macht und Sprache – Ge­sprä­che mit Luise F. Pusch“ – einer echten Koryphäe in der Analyse der Zu­sam­menhänge von Sprache und Sprachmacht. Vor Kurzem habe ich ein Inter­view mit der ehemaligen Frauenbeauftragten der Stadt Linz, Elvira Toman­cok ge­führt. Und sie hat in dem Interview bestätigt, das eines der schwierigs­ten Din­ge durchzusetzen war: Ein gendergerechter Sprachgebrauch – trotz des Argumentes, das sei ein „Nebenschauplatz“. Für mich liegt darin schon ein Widerspruch. Also einerseits darf man/frau das nicht fordern, weil so un­wich­tig und andererseits man bzw. frau darf’s einfach nicht ändern. Was war euer Zugang?
Es ist schon klar, Sprache schafft Realitäten. Das bestätigt sich immer wieder. Ich war am Wochenende auf einem Kongress und dann sagt der Vortra­gen­de schon wieder: „Ja ich spreche in der männlich Form, aber ich möchte gleich zu Beginn sagen, die Frauen sind auch mit gedacht.“ Ja, es ist nett aber auch nur nett. Ich finde es ganz wichtig, besonders unter dem Macht­as­pekt, dass Frauen in der Sprache und im geschriebenen Wort präsent sind. Es gibt da aber auch das Problem, dass frau/man halt in etwas Allge­meines verfällt. Diese geschlechtsneutrale Sprache von der halte ich nicht wirklich viel, weil es was zu bedeuten hat, ob du in der Sprache vor kommst oder nicht. Luise F. Pusch schätze ich besonders, weil sie so einen Witz hat in ih­ren Arbeiten – „wieder ertappt“ sozusagen (lacht). Auch in der freien Kul­tur­szene (Linz) wird schon sehr drauf geachtet, aber trotzdem habe ich den Eindruck, gibt’s da ein ganz eigenes Machotum diesbezüglich.

Du meinst „political correctness“ – aber nur oberflächlich?
Ja. Da fällt mir eine Situation ein: Bei der Eröffnungsfeier vom Salzamt in Linz hat der Kulturstadtrat Watzl, der diesbezüglich ja immer sehr drauf achtet, gesagt: „... ja, und die Künstler und Künstler ...“ – statt Künstler­in­nen und Künstler. Das de-maskiert ihn diesbezüglich wieder – ich meine, dass es ihm eigentlich ziemlich wurscht ist.
So was schafft Realität und es zeigt, wie wenig Bewusstsein es gibt – trotz Gen­dermainstreaming und Richtlinien. Ich glaub, da braucht es noch lange, bis das im Bewusstsein von jeder und jedem angekommen ist. Das frau/ man wirklich sagt, es ist ganz normal Frauen und Männer anzusprechen. So wie jetzt die männliche Form genommen wird. Das würde mir gefallen.

Wie geht ihr mit einer queerfeminstischen Kritik um, wo der Diskurs um die Unterschiedlichkeiten von Körpern und der heteronormative Diskurs: Frau­en und Männer gibt es – erstens und sonst nix – und zweitens sind sie in einem hierarchisch Verhältnis zueinander – aufgelöst werden?
Ich finde es ein total spannendes Thema – weil ich mir denke, das ist eine Kategorie (Geschlecht), die das ganze Leben in einer ganz gewissen Form beeinflusst. Wenn das verschwindet, gerät die Welt aus den Fugen. Nicht be­drohlich, nein, sondern wo ich mir denke: Was heißt das eigentlich? Das müsste uns doch alle interessieren und spannend vorkommen! Das ist vielleicht ein naiver Blick drauf, aber herunter gebrochen auf den Alltag ... frau/man merkt ja, wenn Frauen einem bestimmten Bild nicht entsprechen – oder auch Männer, was das öfter für Verwirrung erzeugt. Und wenn du das noch ein paar Schritte weiter denkst ...

Ist vielleicht was für eine nächste Sendereihe?
Ja unbedingt!

Danke für das Interview.

Die Themen der Reihe: • 18.09. „Her mit der Marie! Standpunkte zur Wirtschaftskrise und mögliche Stra­te­gien für die Zukunft“ • 25.09. „Brot von gestern oder: Worauf Irene Ingrid Isebil Weichselbaumer so rumkaut und zu welchem Gedankenbrei sie dabei kommt.“ • 02.10. „Frauenpotentiale – eine Reise ins Unbe­forschte“ • 16.10. „Grimmige Geschichten“ Teil 1 • 23.10. „Grimmige Geschichten“ Teil 2
• 30.10. „Die Macht der Sprache – Gespräch mit der deutschen Schriftstellerin und Linguistin Luise F. Pusch“ • 06.11. „Ave Marie“ – DJini Godez und die Margit stöbern in der Plattenkiste nach Geld.
• 20.11. „Neun Gedichte zur Macht der Machtlosen – Was Macht wäre – sollen die sagen – die keine haben!“

Sendezeit: jeweils Fr 19.00–20.00 h (Wh. Sa 11.00–12.00 h) auf Radio FRO oder www.fro.at Live Stream. Weltweit an- und nachhörbar im Sendungsarchiv: http://cba.fro.at  Suchbegriff: spacefemfm.

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10/09
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