Mit Gesprächen gegen das Gerede

Die Gesprächsreihe „Der öffentliche Raum der Stadt“ verortet sich derzeit in Auwiesen und der solarCity, wo so manch Stadtpolitiker die im Steigen begriffene Jugendkriminalität „eindämmen“ möchte und „Planquadrate“ als realpolitisches Instrument der Stunde anpreist. Ist angesichts dessen ein Kunstdiskurs über städtische Lebensräume überhaupt angebracht? Wolfgang Schmutz formuliert im dritten Teil der spotsZ-Serie zum FdR eine Antwort.

Der südliche Stadtrand von Linz ist wieder einmal ins Gerede gekommen. Die Kriminalität unter Jugendlichen würde in Auwiesen bereits ein virulentes Problem darstellen, vernimmt man aus den lokalen Medien, der Vanda­lis­mus nimmt zu. Die lokalen Streetworker sehen die Situation differenzierter und verweisen auf die Stigmatisierung durch eine schiefe Bericht­er­stat­tung. Diese nimmt im Falle Auwiesens auch gerne die Pichlinger solarCity hu­ckepack, was nicht nur angesichts der Unterschiede in der Bewohner­struk­tur zu kurz gegriffen ist.

In Pichling und in Auwiesen fanden 2004 Bürgerbefragungen2 statt, die ne­ben knapp gehaltenen Fragen zur Infrastruktur vor allem dem Thema „öf­fent­liche Sicherheit“ breiten Raum gaben und somit eher einer Evaluierung von Polizeiarbeit gleichkamen. Dass Prävention und ein funktionierendes Ge­­mein­schaftswesen nicht zwingend Uniform tragen, blieb im Fragenkatalog au­ßen vor. Jedenfalls beanstandeten 46 % der Befragten in Pichling die Dis­tanz zum nächsten Polizeiwachzimmer, das sich damals noch in Ebelsberg befand. Bei den Fragen zur Infrastruktur bemängelten 25 % der Befragten die fehlen­den Jugendeinrichtungen als zweitgrößtes Problem. Ergebnis: Ein neu­es Wach­zimmer bekam die solarCity, eine permanente Jugend­einrich­tung nicht. Da­für gäbe es noch zu wenig Nachfrage, beruhigte das Stadt­teil­büro im Herbst 2005, angesichts der vielen Sechs- bis Dreizehnjährigen be­stehe noch kein Be­darf. Man genehmigte sich Zeit und initiierte eine „Ju­gend­raum-Analyse“. Ein fruchtbares Ergebnis zeitigte diese nicht. Heute verweist man lieber auf den gerade fertig gestellten Sportpark, der ja ein gutes Angebot für die mittlerweile rund 1000 (!) Jugendlichen darstellen würde.

In Auwiesen gab es in den 70ern keine geplante soziale Durchmischung, wie man sie später in der solarCity unternahm. In Pichling lässt sich ein deutlich höherer Bildungsgrad feststellen und die Gruppe der 26- bis 45-jährigen macht stolze 50 % aus, im Gegensatz zur deutlich älteren Bevölkerungsstruktur in Au­wiesen. Die jeweiligen Anteile der BewohnerInnen mit migrantischem Hin­tergrund wurden 2004 nicht gesondert ausgewiesen, die offene Frage nach Problemen im Wohngebiet beantworteten in Auwiesen jedoch 28 % mit „Ausländerproblematik“, in Pichling tauchte diese gar nicht im Ranking auf.

Gemeinsam haben die beiden Stadtteile jedenfalls ihren Mangel an involvie­ren­der Infrastruktur, die Menschen in jenen Lebensraum einbindet, der durch Partizipation erst entsteht. In Auwiesen fehlte es wohl an erforderli­cher Moderation, in der solarCity moderierte man bereits ausdefinierte Räume, die nicht mehr „belegbar“ waren. Die Vermittlungsebene „Stadt­teil­bü­ro“ dünnte man in der solarCity personell aus, in Auwiesen soll nun eines gegründet werden. Die Stadtväter und -mütter scheinen sozialpolitische JoJo-Spielchen zu mögen und definieren Bedarf gern zeitlich begrenzt. Von einem in den Medien herbeizitierten „Ghetto“ sind Auwiesen und die solarCity je­den­falls weit entfernt, auch wenn der Vandalismus zunimmt und die Ge­walt­be­reitschaft der Jugendlichen tatsächlich im Steigen begriffen ist. Ein guter Zeitpunkt eigentlich, um über längerfristige und Akzeptanz fördernde Maß­nah­men nachzudenken, die aus der Bevölkerung heraus entwickelt werden müs­sen, angespornt vom unbefriedigenden Status quo. In jenem Vakuum, das der unbespielbare öffentliche Raum ausgebildet hat, kann ein ordnungs­hüterischer Kahlschlag kaum helfen. Kann es die Kunst?

Mit der Gesprächsreihe zum öffentlichen Raum in der Stadt kann sie es zu­min­dest diskursiv. Und sie kann es, weil sie als Moderator ohne offiziellen Auf­trag der Stadt fungiert. Dass es dabei nicht um abgehobene Ästhetikdiskussionen geht, sondern um die konkreten Auswirkungen von Stadt­pla­nung, das bewiesen schon die bisherigen Veranstaltungen3. Da musste etwa der Linzer Stadtentwicklungsdirektor Gunter Amesberger eingestehen, dass er mit dem Ist-Zustand der solarCity nicht betraut ist, da es ja nun „von selbst laufen“ solle. Darüber hinaus habe es so etwas wie eine „Zielerfüllung“ für das nunmehr ausgelaufene Stadtteilmanagement nie gegeben. Dass Koor­di­na­tion aber grundsätzlich notwendig sei, bestätigte der Hamburger Ar­chi­tekt und Stadtplaner Michael Koch im Gespräch mit Peter Arlt. Koch plädier­te für eine laufende Evaluierung von Siedlungsanlagen und für das Ein­bin­den von Beteiligungsstrategien in die Bauvorhaben. Jedoch sei eine Verord­nung von Belebung und Aktivität „von oben herab“ durch einen „Küm­me­rer“ problematisch, denn dann gehe es irgendwann ohne ihn gar nicht mehr. Zuletzt diskutierte Georg Ritter mit dem Kölner Künstler Boris Sieverts über die „Hübschheit“ und „Schönheit“ – die eine meine der Lokalpolitiker, die an­de­re verstehe er selbst als ästhetische Nachhaltigkeit. Und eine ebensolche Schönheit sei nur dadurch zu erzielen, dass man im öffentlichen Raum auf Überraschungen und Disharmonien stoßen könne, auf Brüche und Struk­tur­reichtum. In der durchgeplanten Architektur der solarCity konnte er dieses Potential jedenfalls nicht erkennen.

Interessant verspricht angesichts der eingangs zitierten Lage in Auwiesen und der solarCity auch die nächste Podiumsdiskussion mit erwünschter Pu­bli­kumsbeteiligung zu werden. Eingeladen ist dazu der Grazer Sozial­päda­go­ge und Sozialhistoriker Joachim Hainzl, der mit Wolfgang Preisinger über eu­ro­päische Stadtbilder der Gegenwart diskutieren wird (Termine siehe nächste Seite). Thematisiert werden dabei die Behübschungstendenzen in den Stadt­zentren, die durch das unselige Begriffspaar „Sicherheit & Sau­ber­keit“ definierte Nutzung öffentlicher Räume und das Sozialdis­zipli­nie­rungs­netz aus Bettel- und Alkoholverboten, Überwachungskameras, Ord­nungs­wa­chen, etc. Dass Jugendliche diesen fehlenden Gestaltungsfreiraum vermehrt spüren, zeigt sich auch in ihren zum Teil eruptiven Reaktionen, die von den Medien zurzeit gerne ohne zugehörigen Kontext transportiert werden.

Worauf aber, wenn nicht auf einem solchen Diskurs könnte eine Adap­tie­rung des öffentlichen Raumes fußen? Es wäre jedenfalls wünschenswert, dass sich die Jugendlichen Auwiesens und der solarCity auf der Suche nach Freiraum demnächst nicht in einem Planquadrat wiederfinden, sondern an run­den Tischen endlich Gehör.

1 Der Linzer VP-Klubobmann Thomas Stelzer in den OÖ Nachrichten vom 15.12.2008
2 Einsehbar unter www.linz.at/politik_verwaltung/6268.asp
3 Gesprächsprotokolle unter http://peterarlt.at

Weitere Termine:
Mi, 14.01.09, 19.00 h, Joachim Hainzl (Sozialpädagoge und Sozialhistoriker, Graz), Schulzentrum so­lar­City, Heliosallee 140-142, solarCity (Treffpunkt Endhaltestelle)
Mi, 11.02.09, 19.00 h, Michael Zinganel (Architekturtheoretiker, Künstler und Kurator, Wien/Graz), Tornado Bowlingcenter, Karl-Steiger-Straße 3, Auwiesen (Treffpunkt Endhaltestelle)
Mi, 11.03.09, 19.00 h, Katharina Blaas-Pratscher (Leiterin Kunst im öffentlichen Raum, Nieder­öster­reich), Volkshaus Auwiesen, Wüstenrotplatz, Auwiesen (Treffpunkt Endhaltestelle)

„Vor Ort im Vorort“: Das Festival der Regionen im Vorfeld

Das Festival der Regionen widmet sich 2009 mit dem Thema „Normalzustand“ den tatsächlichen oder eingebildeten Normalzuständen städtischen Lebens. Es bleibt auch im Sü­den von Linz, im städtischen Umfeld Auwiesen und Solar City, bei seiner Ausrichtung von aktueller ortsspezifischer Kunst und Kultur. Nach der verstärkt installativen Ausrichtung der letzten Ausgaben setzt das Festival 2009 in den Wohnanlagen von Auwiesen und der so­lar­City schwerpunktmäßig auf Partizipation, Performance und Präsenz der Akteure vor Ort.

spotsZ widmet sich in der Serie „Vor Ort im Vorort“ bis Mai 2009 der Festival-Vorbe­richt­er­stattung und möchte anhand von stattfindenden Projekten, bzw. den laufenden Vor­be­rei­tungen besonders die Begriffe Partizipation und Performance im Kontext des (sub)urbanen und künstlerischen Normalzustandes beleuchten, als Serie eine kleine Phäno­me­no­lo­gie der Sichtbarmachung, des Zusammenlebens und Teilnahme zeichnen. In Teil 3 der Se­rie soll es um die Gesprächsreihe „Der öffentliche Raum der Stadt“ gehen – und um den Zu­sammenhang von „ästhetischem“ Kunstdiskurs und realen sozialen Problemfeldern.

Mehr Informationen zum FdR: www.fdr.at.

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01/09
FotoautorInnen: 
FdR, Otto Saxinger

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