Warum Joseph Fouché nach Linz kam

Schauspieloper „Fouché“, die im Jänner im Posthof als Koproduktion von LIVA und Linz09 Premiere hat. Philip Hautmann recherchiert die Biographie von Joseph Fouché – er war laut seinem Porträtisten Stefan Zweig nicht nur einer der mächtigsten Männer seiner Zeit, sondern auch einer der merkwürdigsten aller Zeiten.

Genialer Strippenzieher und Intrigant, hatte er im Lauf seines Lebens eine Vielzahl von – teilweise sehr widersprüchlichen – Rollen inne, deren be­kann­­teste die des Polizei­mi­nisters unter Napoleon war. Maßlos in seinem Ehr­­­geiz, wusste er, dass er ob seiner äußerlichen Un­an­sehnlichkeit, seiner dün­­­nen Stimme und seinem be­scheidenen Talent als Red­ner für den Vor­der­grund nicht geschaffen war. Doch den Vorder­grund liebte er auch nicht, die Insignien der Macht wa­ren ihm gleichgültig. Lei­­denschaften hatte der trotz sei­ner Stellung, seines Reichtums und des Adels­­titels, der ihm verliehen wur­de, geradezu asketisch lebende und stets arbeitsame ehemalige Mönch nur eine einzige: Die Macht um der Macht willen und die Intrige um der In­trige willen. Seine Rolle war die des Hin­ter­mannes, der aufgrund seiner er­staunlichen Fähigkeiten vordergründig vielen verschiedenen Herren diente, in Wirklichkeit jedoch einzig und allein sich selbst. Eigenwilliges, denkendes Werkzeug, das er war, ließ er sich im Guten wie im Schlechten gleichermaßen effizient verwenden, nie jedoch, das muss man ihm zugestehen, handelte er politisch unverantwortlich, freilich nicht aus moralischen Überlegungen, sondern auf Grundlage seines eigenartigen, alles durchschauenden Ver­stan­des, der auch in den verworrensten Si­tu­­ati­onen stets das Richtige oder zu­min­dest Opportune erkannte.

Joseph Fouché wird 1759 als Sohn einer Kaufmannsfamilie geboren und durch­läuft, da den Vertretern seines Standes im feudalistischen Frankreich sonst keine offen stand, zunächst eine Klerikerlaufbahn, konkret die eines Ma­thematiklehrers in einer Ordensschule. Als die Französische Revolution ausbricht, erkennt er, dass die Karten neu gemischt werden würden, beeilt sich, dabei zu sein, und sitzt als Delegierter im Nationalkonvent. Dort kennt er nur eine Partei, der er stets treu bleibt: Die der Mehrheit, deren For­mie­rung er stets frühzeitig und als erster erkennt. Zunächst Gemäßigter, schlägt er sich zu den Radikalen, als er sich bewusst wird, dass die nähere Zukunft diesen gehört. Er stimmt für die Hinrichtung Ludwigs XVI, vertritt kommunistische und antiklerikale Ansichten und wütet als Prokonsul in verschiedenen Departments mit revolutionärem Terror. Er ist dabei jedoch gleichzeitig ein hoch effizient arbeitender Verwalter, der vom Nationalkonvent ob seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten geschätzt wird. Nur jedoch von einem nicht, dessen Geist ebenso wach und vorausschauend ist wie der Fouchés, des­sen Charakter jedoch in die entgegengesetzte Richtung hin deformiert ist: Robespierre. Der unbestechliche, jedoch dogmatische und zunehmend absolutistisch und intransigent sich gebärdende glänzende Redner und Kämp­fer mit offenem Visier durchschaut, so scheint es, die wahre Natur des unergründlich scheinenden politischen Opportunisten, des Einflüsterers, Aus­hor­chers und Schleichers. Robespierre spricht sein politisches Ver­dam­mungs­ur­teil über Fouché aus, für den ein Wettlauf mit der Guillotine be­ginnt. Fouché jedoch ist sich der Kehrseite der Allmacht Robespierres bewusst: Der Angst, die jeder Angehörige der politischen Kaste unter Robespierre um sein eigenes Leben haben muss. Diese Angst aktivierend, zettelt schließlich Fouché eine Verschwörung gegen Robespierre an, der er zum Opfer fällt. Nach dem Sturz Robespierres schließt sich Fouché erstaunlicherweise nicht der Mehr­heitspartei der Jakobiner an, sondern hält sich politisch bedeckt, da er be­reits voraussieht, dass sich die Reaktion in den kommenden Monaten über die Jakobiner hermachen wird – wie es auch geschieht. Und so bleibt Fouché abermals am Leben, diesmal jedoch ohne Amt, Würden und Geld. Fouché lernt die Armut kennen, was ihm seine letzten Skrupel, rücksichtslos seine Eigeninteressen zu verfolgen, endgültig austreibt. Er verdingt sich als kleiner Spion des Vorsitzenden des Direktoriums, Barras, der seine Fähigkeiten, Kontakte zu knüpfen, die unmöglichsten Allianzen zu bilden und vor allen Dingen, windige Geschäfte einzuleiten, an denen gutes Geld verdient werden kann, so zu schätzen weiß, dass er Fouché zum Polizeiminister ernennt. Was natürlich keine allzu kluge Entscheidung ist: Als Polizeiminister überzieht Fouché das ganze Land mit einem Netz aus Spionen und Vertrauensleuten, deren tausendfache Berichte sein präziser Verstand durcharbeitet, abwägt, und sie schließlich zu einem unfehlbaren Gesamtbild über die politische Groß­wetterlage kombiniert. Und so erkennt wiederum Fouché, wem die politische Zukunft des Landes gehören könnte, nachdem das Direktorium unter der Last seiner eigenen Korruption und Selbstgefälligkeit versinkt: Dem aufstrebenden General Bonaparte, dem er den Weg zur Macht ebnet; freilich nicht, ohne sich wie stets, als die Situation noch in der Luft hängt, nach allen Seiten hin abzusichern, falls eine geplante Intrige schief gehen sollte: Fouché ist es stets zu plump, einen einzigen Menschen oder eine einzige Partei zu be­trügen, sein Ehrgeiz zielte immer daraufhin ab, gegebenenfalls alle zu betrügen. Als Polizeiminister dient Fouché Napoleon mit Unterbrechungen und nur in Zeiten der Gefahr, da nur in solchen Napoleon auf einen so gefährlichen und verschlagenen Diener zurückgreift. Jahre vor seinen entscheiden­den Niederlagen und auf dem Höhepunkt von Napoleons Macht sieht Fouché voraus, dass der kleine Korse, der es aus unbedeutenden Verhält­nis­sen zum mächtigsten Mann der Welt gebracht hatte, an seinen immer überspannteren Ambitionen schließlich scheitern wird, und beginnt auf eigene Faust geheime Verhandlungen mit Napoleons Gegnern – allen voran Eng­land, bei denen er sich um die Sicherung des Friedens bemüht. Als sein ei­genmächtiges, jedoch politisch richtiges Handeln auffliegt, hat Fouché zwar die insgeheime Zustimmung seiner Ministerkollegen wie auch der französischen Öffentlichkeit, zum einen der Sache halber, zum anderen ob seiner im­mer wieder erfrischenden Frechheit, auch dem mächtigsten Tyrann die Stirn zu bieten. Napoleon jedoch entlässt ihn. So verbringt Joseph Fouché die Jah­re zwischen 1810 und 1815 als reicher, mittlerweile geadelter Privatmann, was seine Sache freilich nicht ist, und vertraut ge­duldig darauf, wieder ge­braucht zu werden.

Tatsächlich, während der Herrschaft der hundert Ta­ge Napoleons wird er aber­mals Polizeiminister, diesmal jedoch innerhalb der verfahrenen, prekären und für Napoleon letztlich hoffnungslosen Si­tu­ation zur alles beherrschenden Figur, die im Hin­blick auf die ungewisse Zukunft alle Eisen im Feu­er hält. Nach der Abdankung Napoleons ebnet er Ludwig XVIII den Weg zur Macht. Da jedoch stolpert er über sich selbst, indem sein Machtwille über seinen so klaren, vorausschauenden Ver­stand triumphiert: Anstatt sich ins Privatleben zurückzuziehen, begehrt er weiterhin, Polizeiminister zu sein, wo er als ehemaliger Revolutionär und Kö­nigs­­mörder für die Bourbonen nichts als ein wandelnder Affront sein kann. Abgesehen davon, dass sich die innenpolitische Lage beruhigt hat und kein Herrscher ohne Zwang der Um­stände sich einem Diener wie Fouché anvertraut … Bald muss er demissionieren, und der Sturz vom hohen Ross der Macht ist tief und gründlich. Nicht mehr ge­fürchtet, nicht mehr gebraucht und schon gar nicht geliebt, wird er des Landes verwiesen. Die europä­i­schen Herrscher scheuen sich, ihm Exil zu ge­wäh­­ren und erst recht, ihn in ihre politischen Diens­te zu nehmen. Er, der alle fallen gelassen hat, wenn es sich aus der Situation heraus ergab, wird nun selbst von allen fallen gelassen. Schließ­lich billigt Metternich ihm Asyl zu, jedoch nur un­ter strengen Auflagen und Einschränkung seiner Be­we­gungs­freiheit – einem Überwachungssystem un­ter­­worfen, wie es einstmals er kontrolliert hatte. Die letzten Stationen, die er, durch die Gesellschaft ge­demütigt, durchläuft, sind Prag, Linz und Triest, wo er, ohne große Nach­rufe zu provozieren, 1820 stirbt.

Fouché: (Koop.: Brucknerhaus/Liva und Linz09)
Schauspieloper von Franz Hummel
Uraufführung: 09. Jän., 20.00 h
10., 14., 15. Jän., jeweils 20.00 h

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