Aus der Ferne – Ich bin ein Kind der Stadt und kurz mal in Kirgisistan

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„Und du, pendelst du auch von Wien nach Linz?“ fragte sie. Ich verneinte und machte mir Sorgen, ob sie jemals den bedauernswerten Blick aus ihrem Gesicht kriegen würde. Keiner sucht sich Linz freiwillig aus, las ich in ihrem Blick. Und ob, versuchte ich ihr mit aller gebotenen Schärfe zu­rückzublicken.
Zurzeit bin ich allerdings umgeben von Menschen, die Linz nicht zu ih­rem Lebens­mittel­punkt erkoren haben, sondern halt BerufspendlerInnen sind. Berlin, Wien, New York, Pram, hach, aus all den richtig großen Städ­ten kommen sie und wissen doch nicht, dass die beste Ba­sis immer noch Linz ist, wenn ich sie des Abends am Flughafen oder am Bahnhof verabschiede.
Natürlich steht es nicht ganz oben auf meiner to-do-list für die kommenden zwanzig Jahre, in Linz zu bleiben. Natürlich stehen da ganz andere Or­te, von denen aus und innerhalb derer ich ein Leben führen möchte. Ber­lin, Wien, New York stehen da allerdings nicht drauf, Pram viel­leicht ein kleines bisschen. Wenn schon weggehen, dann richtig und nicht dorthin wo so­wieso alle sind.
Meine bevorzugten Orte sind und waren sowieso jene, für die man keine Meldebestätigung bekommt: Bahnsteige, Tankstellen und Flughäfen – ein­fach wegen der ihnen zugrunde liegenden spannungs- und erwartungsgeladenen Atmosphäre. Und dennoch möchte ich nicht zulassen, dass das räumlich und geistig Dazwischenliegende zur von Eingeborenen vorbeige­zogenen Landschaftstapete verkommt.

Touristen kommen jetzt eh genug, echte Touristen, da könnten sich meine Kol­le­gInnen ja doch etwas in Identifikationsheuchelei üben. Linz braucht euch, jetzt, da es sich verkleiden und für ein Jahr Kulturhauptstadt spielen muss, alle ganz aufgeregt sind und sich ein kleines bisschen als Nabel fühlen (der im übrigen seine Stammzellen längst aufgebraucht hat für Großbauprojekte, Stadtbehübschungsaktionen und „es wird super“-Man­tras), mehr als je zuvor.

In den kommenden Wochen und Monaten hat Linz nämlich so einiges zu tun: Die Stadt muss einen neuen kaufmännischen Ex-Ars-Direktor in spe finden, eifrig Glühbirnen in Ener­gie­sparlampen umtauschen, sich einig wer­den, wem jetzt die Schuld und zwar an allem zugeschoben wird, und darüber nachdenken, ob man’s nicht vielleicht doch ein wenig subtiler an­gehen sollte; Baulücken suchen, die sich bislang dem Versuch verweigert haben, zu potentiellen WählerInnenbeherbergungsschachteln um­funk­­tioniert zu werden und vor allem sich darüber klar werden, dass auch das Jahr 2009 enden wird und es aller Voraussicht nach ein Jahr 2010 geben wird, in dem weder Wahlen noch Kulturhauptstadt ab­gehalten werden;
Noch aber ist ja gar nichts. Noch ist Dezember 08 und ich tue nur so, als wäre es schon Jän­ner 09. Noch ist die Megasause in weiter Ferne, noch glitzert hinter mir eine Stern­chen­lichterkette und auf dem Platz, auf den ich von meinem Schreibtisch aus sehe, trinken die Menschen Glühwein und Punsch, exakt in jener Ecke, die angeblich dank Linz 09 endlich von Ge­ruchsbelästigungen befreit wurde. Noch ist anzunehmen, dass M. wahr­scheinlich in die Frau mit dem Hüftgold verliebt ist, er allerdings der Ein­zi­ge ist, der noch nichts davon mitgekriegt hat. Im Prinzip sind das doch die Dinge, die uns jetzt wieder interessieren. Was bleibt übrig für uns In­dividuen, innerhalb eines 12monatigen im kollektiven Taumel zugebrach­ten Kulturhauptstadtjahres? Die kleinen, feinen Momente abseits des Mons­trös-Ob­s­zön-Offiziösen, und auf die will ich mir die Lust noch nicht ganz verdorben haben.
Wahrscheinlich auch deshalb, um sozusagen Luft zu schnappen, bin ich jetzt erstmal so­wie­so nicht da, sondern in Kirgisistan. In diesem Land, in dem der Winter noch richtig Winter ist, dauern laut wikipedia manche Fei­ertage zwischen 2 und 10 Tagen, was mir das Land nicht weniger sympathisch macht. Und es wird ein Weihnachtsmannfestival organisiert. Da­rü­ber und eventuell auch darüber, warum dieses Festival kein Linz 09-Projekt ist, berichte ich dann später mal.

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01/09

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