Mode an die Freude
Die Projektkollektion der Mitorganisatorin Astrid Hofstetter etwa lässt sich auf die Mode als Modus der Kritik ein: Es geht in ihrer Kollektion „Was die Mode streng geteilt“ um Kritik am Schein, am Markt und an der Schnelllebigkeit. Die Mode als Inbegriff alles Oberflächlichen, Eitlen und Konsumistischen umgeht die Designerin, indem sie seit einigen Jahren an einer Kollektion arbeitet, die mit „der Nichtfarbe Schwarz und der Unfarbe Haut“ sich zeitlos von der schnelllebigen Umwelt abwenden soll – und andererseits auch damit, dass sie sich selbst nicht den Gesetzen eines Marktes unterwirft, der zwei bis vier Mal im Jahr einen denier cry einfordert, der sich nach kurzer, heftiger Inszenierung wieder selbst abschafft.
Zur Mode als Brauch und Sitte
Mode stand, so Astrid Hofstetter, im Sinne von „Brauch“ und „Sitte“ einst (lang, lang ist’s her, Anm.) für etwas Starr-gültiges. In diesem Sinne ist es noch in Schillers „Ode an die Freude“ nachzulesen: „Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt ...“. Während Mode einst Status und unüberwindbare Klassenzugehörigkeit untermauerte (wie gesagt, lang ist her: Adel, Bürgertum, Bauern, später Arbeiterschaft, etwas aktueller die Geschlechterzugehörigkeit, etc.), hat sich die Mode, eingehend mit dem Zeitalter der Industrialisierung, als „unbeständig Wechselndes“ von solchen strengen Zuschreibungen gelöst und sich seit den 1920er Jahren zunehmend in die höheren Sphären von Zeitgeist, Glamour und Rebellentum hochgeschraubt. Mode kann – in allen Facetten der Konsumwirtschaft und seiner sozialen Distinktion – oberflächlich sein, überteuert, maßlos, nichtssagend, schnelllebig (schlicht Müllberge fördernd und letzten Endes also unglücklich machend), andererseits hat Mode eben genau in diesem Zwischenbereich von Kunst und Kommerz doch immer viel mehr mit Gesellschaft zu tun, als das auf den ersten Blick offensichtlich sein mag. Unbestritten sind diverse gesellschaftlich-emanzipatorische Relevanzen, was Korsett, Damenhosen, Minirock, Büstenhalterverbrennung oder Punkbewegung anbelangt, also Ereignisse, die einen tiefer greifenden gesellschaftlichen Wandel sozusagen plötzlich manifestiert haben. Interessant ist aber auch die Schnittstelle zwischen Jugendkultur und Avantgardekunst seit den 1950er Jahren: Kann die Halbstarkenbewegung (etwa mit den dysfunktionalen, sexuell provokanten ProtagonistInnen James Dean, Liz Taylor oder auch Elvis) laut einer Studie der Sozialforscher Fischer-Kowalski als gesellschaftlich direkte, jedoch noch nicht versprachlichte Protest- und Vorläuferbewegung der Studentenbewegung gewertet werden, so erfährt dieses atmosphärisch-gesellschaftliche, zuerst noch nicht versprachlichte Spannungsfeld an Pop- und Jugendkultur zusätzliche Aufladung durch Avantgardekünstler, wie etwa seitens der Beatpoeten. Gemeinsam ist einer Jugend- und Avantgardekultur, dass sie sich noch in einem Zustand befindet, bevor der Protest gegen ein Establishment selbst zum Establishment wird (wie später die 68er- und Studentenbewegung) und statt eines unmittelbar sprachlichen Ausdrucks noch umso mehr von authentischen körperlichen Zeichen, Codes und künstlerischem Ausdruck abhängig ist.
Zur Mode als Transformation gegen die kreative Wüste
„Ist die Mode so hässlich, dass man sie alle sechs Monate ändern muss?“, fragt Astrid Hofstetter in ihrem eingangs genannten Projektkonzept mit Oskar Wilde. Eine Fragestellung, der im MKH Wels gemeinsam mit Galerieleiter Günter Mayer und Boris Schuld unter anderem in der Abwandlung nach „Abgründen des Kleiderkastens“ nachgegangen wird. Einer der drei Bausteine des Jahresprojektes des MKH widmet sich als Workshopthema jedenfalls dieser Fragestellung, speziell mit dem Interesse, wie Jugendliche den Alltag in etwas Gestaltendes transformieren: „Das Leben der Jugendlichen hat meist nichts mit Haute Couture zu schaffen und ist dennoch voller eigener Ausdrucksweisen, die Präsenz, Identität und Bedeutung herstellen“, insofern war und ist Mode immer etwas Kreatives, Sinnstiftendes und die Welt-Gestaltendes. Neben dem Workshopblock, der hauptsächlich von Jugendlichen in den Bereichen Video/Sound/Inszenierung/Comic/Re-Design erarbeitet wurde und in der Schau auch präsentiert wird, gibt es eine sozusagen reguläre Ausstellung der renommierten KünstlerInnen Daniele Buetti und Dagmar Höss. Buetti macht sich unter anderem in Form von heftigen Kugelschreiberbrandings über Supermodels her und verarbeitet die derart verzierten Bilder zu Installationen. Die bildende Künstlerin Dagmar Höss hingegen widmet sich der „Tragbaren Heimat“ und präsentiert unter anderem Zitate der Bundeshymne auf verschiedenen Kleidungsstücken. Ein wesentlicher Teil der Schau ist aber der Präsentation von regionalen und international wirksamen jungen DesignerInnen gewidmet, deren Modekonzepte in einem Bogen von tragbar bis experimentell aufgespannt werden. Die Absicht, „klassische Dinge zu brechen und daraus andere Aspekte herauszufiltern“ oder das Thema der „etwas anderen Stilberatung“ wird die Show durchziehen, in einem Verlauf, den man irgendwo zwischen Business, Heimat und Historie ansiedeln könnte.
Massenmode versus Designerschicksal
Befragt auf das Schicksal als Modedesignerin oder -produzentin sagt Astrid Hofstetter, dass man „schon von Mode leben könnte, aber nur, wenn man Kompromisse macht, eine Schiene anbietet, die sich verkauft“. Allerdings machen viele junge DesignerInnen Konzepte und Kollektionen, die erstens gar nicht tragbar sein müssen, und zweitens auch in Einzelfertigung hergestellt werden, nicht selten von eigener Hand produziert. Die Kluft zwischen experimentell und tragbar sei manchmal so groß, um hier nicht einmal von konkurrierenden Interessen sprechen zu können. Dass die Leute „schon ein bisschen was anderes als den Einheitsbrei haben wollen, mit Betonung auf ‚ein bisschen‘“ stellt Astrid Hofstetter unter anderem deshalb fest, weil sich in Wien im siebtem Bezirk mit kleineren Läden so etwas wie eine Szene etabliert hat. Selber verkaufen die meisten Linzer DesignerInnen aber nicht über eigene Läden, sondern über Modemessen, andere Läden (in Linz z.B. UpArt), das Internet oder Museumsshops (z.B. Lentos, im Museumsquartier in Wien die Boutique „Gegenalltag“). Diese Einschränkung, nicht vom Verkauf leben zu können, bedeutet aber auch Freiheit, um nicht zu sagen Luxus: „Wir haben in Wien den Ruf der Ausgefallenen und Exklusiven“, so Astrid Hofstetter abschließend. Über Mode gäb’s ja immer noch ganz viel mehr zu sagen.
Business, Heimat und Historie
Einige Designbeispiele aus der Modenschau: Chloed Baumgartner verarbeitet unter dem Label „Milch“ zerschnittene Anzughosen zu anderen Kleidungsstücken, indem sie sie verkehrt- und andersrum zusammennäht. Die Linzerin Tanja Lattner kreiert unter dem Label „Made by“ „urbane Streetfashion“ unter anderem mit der Konzeptkollektion „High Heelded Rooted to the Soil“ oder mit der Unisex-Thema-Kollektion „His Jacket“. Das deutsche Label „Mangelware“ widmet sich in seiner ersten Kollektion „Über moralische Laufmaschen“ Dostojewskis Frauenbildern und vermittelt zwischen „russischer Landmädchenästhetik, freier Schnittgestaltung und feiner Detailarbeit“. Bei Ulrike Koglmüller von Ulliko bestimmen „klare Silhouetten und korrekte Schnittführung, sowie die Konzentration auf Schwarz-Weiß-Rot Kombinationen die Linie“. Nicht zuletzt seien bei dieser Auswahl an Designerinnen Renate Schuler (Label „rNaT“) und Astrid Hofstetter (Label „Actrid“) selbst genannt, deren Modeästhetik als „dypol deductions“ wie ein Magnetfeld zu denken ist, das auf zwei Polen basiert, zwei individuellen Designpositionen, die miteinander präsentiert werden. Mit dem Background Theater, Oper und Performance inszeniert das Label „rNaT“ Kollektionen, die mit klassischer Linienführung, „historisch inspirierten Stilistiken und cutting edge Design eine portable, urbane, frische und mutige Mode kreiert“. Gemeinsam ist den beiden eine gewisse Fräulein Rottenmayr Strenge, die einmal mehr ins Rotkäppchenhafte, ein anderes Mal in die Welt des Fetischs hinüberdeutet. •
Actric für dypol deductions: Was die Mode streng geteilt
rNaT für dypol deductions: first and last and always
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