Aus der Ferne – Just another Festival

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Kürzlich war ich auf einem Geburtstagsfest, weil ich auch mit Menschen befreundet bin, die manchmal Texte schreiben für Menschen, die ihre Geburtstage öffentlich feiern. Jetzt wäre es leicht über die­se Sache zu schreiben, darüber, wer aller da war, darüber dass sich alle mit diplomatischem Lächeln die Hucke vollgelogen haben und aber darüber, was alle wussten, schwiegen, weil das Buf­fett so toll war, darüber, dass in der langen Schlange vor dem WC bemängelt wurde, dass der Haus­herr einer ist, der lieber Tiefgaragenplätze baut als WCs – aber – das wäre ja viel zu einfach. Außer­dem verließen wir vor Buffet und vor allem vor der Öffnung der Whiskeybar die – ähem – Party, nicht auf meinen Wunsch wohlgemerkt, aber manche Menschen fürchteten ganz einfach um Folgeauf­trä­ge, wenn ich mich erstmal in meinen schicken Schuhen, der engen Hose und mit den frisch gewaschenen Haaren zwischen den Zigarrenrauchern und Whiskeytrinkern breit gemacht hätte. In jegli­cher Hinsicht völlig unberauscht – viel mehr auf das Trockenste ernüchtert – verbrachten wir diesen Sonntagabend andernorts, um uns anstelle von gratis Whiskey mit teurem Wein die Spucke anzutrin­ken, die einem ob einer solchen Festivität wegbleibt. Dabei wäre es so gut gewesen, mal über etwas anderes zu reden als immer nur über das eine, denn kaum gesessen kam schon einer, der schimpfte. Am nächsten Tag schimpfte dann wieder einer und wir schimpften mit. Dann rief mich eine Freun­din an und schimpfte und ich schimpfte auch ein wenig. An meinem Arbeitsplatz schließlich erzählte mir eine Kollegin etwas, und da schimpfte ich erst recht.
Jetzt möchte ich ganz gerne wissen, wie lange das noch dauern soll. Mein Kopf ist nämlich bereits voll mit Geschichten – jede einzelne abenteuerlicher als die vorangegangene – über DIE Sache, die große Sache, und was bei dieser Sache alles nicht funktioniert, wer hingehalten wird, wer abschätzig und von oben herab behandelt wird, wessen Termin verschludert worden ist, wer vor fünfzehn Men­schen sein Konzept zum siebenundzwanzigsten Mal darbringen musste und wem die Energie und vor allem das Geld darob ganz einfach ausgegangen ist. Mittlerweile glaub ich ja, dass diese Sache, also diese wirklich große Sache, ein gedankliches potemkinsches Dorf ist, das uns einfach alle vom echten Arbeiten abhalten soll. Ich erinnere mich vage an eine Zeit, in der von großen Ideen die Rede war, von neuen Bildern, von Schönem und nicht so Schönem, von offenen Ohren, von netten Menschen, die – wie wir jetzt wissen – zwar omnipräsent und freundlich aber ohne bedeutende Entscheidungskompetenzen ausgestattet waren. Alle saßen wir energiegeladen in unseren Denk­stu­ben, arbeiteten ein Konzept nach dem anderen aus, fanden uns zu Arbeitsgruppen zusammen – und dann … dann kam das große, lange Warten.
In dieser Warteschleife befinden sich immer noch viele, Inhalte folgen eben nicht in Kürze, sondern wären schon längst da. Man müsste vielleicht nur hinschauen und hinhören, bereit sein zu entdecken, welche Eigenschaften diese Stadt hat, wo und in welcher Tiefe Wurzeln darauf warten, zu treiben und nicht mit Schlagwörtern und Klischees kommen und vor allem und keinesfalls Musik, die
100 Kilometer weiter südlich möglicherweise Berechtigung und Wurzeln hat (bin ich mir aber auch nicht so ganz sicher) als von Linz gesponserte Humpta-Botschaft in die Welt schicken.
Ganz und gar nicht einverstanden bin ich außerdem mit dem Gefühl, dass ich als eine, die Linz dann am besten findet, wenn mindestens 500 Kilometer zwischen Stadtgrenze und meiner selbst liegen, nun plötzlich in die Verteidigerinnenrolle gedrängt werde, mich sagen höre, dass es durchaus Dinge gibt, die Freude bereiten und Qualität haben und die bislang auch schon ganz ohne die richtig große Sache mit einer bestimmten Professionalität und Effizienz organisiert wurden. Ich hab einfach keine Lust, Veranstaltungen und Institutionen zu verteidigen, an denen es wahrlich genug zu kritisieren und zu verändern gäbe.
Wirklich unanständig aber finde ich die aktuelle Tendenz, sich unabhängig von Couleurs und sonstigen Zwistigkeiten einen zu lassen von dem Gefühl der Ablehnung gegenüber den Tätigkeiten oder bes­ser Untätigkeiten eines monströs aufgeblasenen Unternehmens – das lenkt für weitere eineinhalb Jahre ab von Dingen, über die man sich in Linz tatsächlich und über einen längeren Zeitraum den Kopf zerbrechen sollte.
Möglicherweise gibt es einen Weg aus diesem „highway to heller“ – einfach mal so zu tun, als sei die richtig große Sache auch nur ein weiteres Projekt, just another Festival, das da auf uns zukommt, und das, wie es aussieht, ohne allzu viel Beteiligung heimischer Denker und Denkerinnen ablaufen wird. Dafür mit jeder Menge heimischer Handlanger und Handlangerinnen, die – plötzlich zu Ent­schei­dungsträgern und -trägerinnen mit Ablaufdatum aufgestiegen – den anfangs viel gepriesenen Blick von außen höllisch trüben und dem eigenen Saft eine bislang ungekannte wirklich schale Note verleihen.
Im Übrigen möchte ich anfügen: Diese Kolumne finanziert sich völlig selbstständig und ohne Geld von Seiten der richtig großen Sache, das habe ich ganz allein gemacht.

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10/07

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