Koffer packen

PERSONEN
MICHI    will sich eine Jüngere nehmen
MONI    gibt Arbeit, Mann und Kind ab
KATI    Monis Freundin zu Besuch
KURT    im Schlepp von Kati

(Textauszug)
Szene 2
Abends in der Wohnung von Moni und Michi. Protzige Wein­glä­ser stehen auf dem Esstisch. Das Essen ist schon abgetragen. Irgendwo übt ihr nicht sonderlich begabter Sohn E-Gitarre, schwankende Lautstärke, dazwischen längere Pausen.
KATI und KURT sitzen am Esstisch: Sie wären gerne woanders
MONI tigert durch die Wohnung. MICHI steht wo angelehnt. Sein Gaumen ist trocken.
KATI macht Anstalten, sich zu erheben.

MONI    hält sie zurück: Bitte.
KATI gibt nach, kassiert einen Blick von KURT.
MICHI versucht, Feuchtigkeit in den Gaumen zu SCHMATZEN.
MONI schenkt ihm einen Blick.

MICHI    Ich hole noch eine rauf. Geht ab.
MONI     zu Kati, aufgeregt: Es kommt mir alles so normal vor.
KATI beruhigt sie.
MONI    lächelt. Ganz normal.
MICHI kommt mit einer Weinflasche, entkorkt sie, riecht, gurrt, gießt allen nach.
MONI gießt ihren Wein in ein einfaches Wasserglas um.
Michis Mobiltelefon KLINGELT.

MICHI    hebt ab, stellt sich abseits: Ja? ... Du, ich kann jetzt nicht.
STILLE.
KATI    Kurt, erzähl mal die Geschichte von unserem Wein.
KURT    Wozu denn?
KATI    Na komm schon, erzähl!
KURT    Ich weiß nicht, ob das jetzt so interessant ist hier.
KATI     ihn animierend: Unser Freund der Weinkenner hat gesagt, wenn ihr nach Italien fahrt, da rat ich euch, schaut bei diesem Weinbauern vorbei, der macht nämlich einen Wein, dass man es nicht fassen kann, so gut ist er.
KURT    Und wie wir dann –
KATI    Und als wir dann nach Italien fahren, fahren wir tatsächlich zu diesem Weinbauern, bestellen ihm Grüße von unserem Weinkennerfreund und verkosten diesen Wein, der angeblich so unfassbar gut ist.
KURT    Und tatsächlich schmeckt der Wein so gut, dass wir sieben Kisten ins Auto laden, denn nirgendwo sonst gibt es diesen Wein zu kaufen, nur auf diesem Weingut, bei diesem gewissen Weinbau­ern, der in seiner Gegend ein berühmter Wein­bauer ist.
KATI    Kein Wunder, wo er den allerbesten Wein herstellt, den man sich überhaupt vorstellen kann in dieser Gegend, die ohnehin schon eine gesegnete Wein­gegend ist, wie uns ja auch schon unser Weinken­nerfreund versichert hat.
STILLE.
KATI    Tut mir leid –
MONI    Bitte bleib. Setzen wir uns rüber, da ist es be­que­mer. Steht auf.
KATI folgt ihr, nimmt auf dem Sofa Platz, hat KURT im Schlepp.
MICHI trägt ihnen die Weingläser nach.
Moni hat unterwegs scheinbar willkürlich zu einem verstaubten hölzernen Kästchen gegriffen, nimmt damit auf einem Fauteuil Platz, das sie aber erst von einem Skateboard oder einem Paar vergammelter Turnschuhen befreien muss. Sie klappt das Kästchen auf und beginnt, die darin aufgesteckten Zwirnspulen zu ordnen.

KATI    Nach der Verkostung sind wir nach Este gefahren, wo wir in einer kleinen Trattoria eine ganz vorzügliche –
KURT    Aber Kati! Davor haben wir noch das und das ge­macht, erinnerst du dich nicht?
MICHI versteht nicht.
KATI    Ja genau, und dann dies und jenes. Und die Fres­ken von Perugino. Und die Gärten in Valsanzibio.
KURT    Und die Wurst vom Trüffelschwein und der Käse von der Zottelziege. Will trinken und wirft dabei das Glas um.
MICHI läuft rasch in die Küche und kommt mit einem Wischtuch.
MONI reicht Kurt ein Wasserglas und schenkt ihm Wein nach.

MICHI    Ich frage mich, wieso du eigentlich immer –
MONI    ihn scharf unterbrechend: Was?!
Kurze Pause.
KURT    zu Kati. Weißt was, warum fahren wir nicht wieder mal runter du weißt schon wohin und kaufen ein paar Kisten Wein du weißt schon von welchem?
KATI    Schatz, du liest meine Gedanken! Gerade habe ich mir gedacht, warum fahren wir nicht wieder mal runter du weißt schon wohin und machen uns einige schöne Tage und kaufen ein paar Kis­ten Wein und lagern ihn ein für einen Abend wie heute!
KURT    In ganz genau demselben Augenblick ...
KATI    Ganz genau dieselbe Idee!!
KATI und KURT drücken sich gegenseitig die Lippen ins Gesicht.
MICHI findet das nicht appetitlich, wendet sich ab.
Kurt steht auf und zieht Kati mit hoch, drängt sie zur Tür, sucht nach den Mänteln.

KATI    Moni, ich hoffe, du bist mir nicht böse –
MONI    Mach dir keine Sorgen.
MICHI will Kati in den Mantel helfen, doch KURT nimmt ihm den Mantel ab.
KATI     zu Moni: Mach’s gut!
KURT und KATI ab.
MONI    Schade.
MICHI    Schade, was.
MONI    Dass sie schon gegangen sind.
MICHI    Ja. Weil so eine Ehe im vollkommenen Gleichge­wicht der Tannine, Säuren und Sulfite, das schaut man sich gerne mal aus der Nähe an, nicht?
MICHI gießt sich und Moni Wein nach, schaut Moni stumm an.
STILLE.
Die E-Gitarre setzt wieder ein.

MONI    steckt Näh- und Stecknadeln in ein Nadelkissen. Wie bringen wir das jetzt zu Ende? Zu Ende bringen, so sagt man doch, nicht?
MICHI    Nicht, dass du glaubst, das hängt jetzt damit zu­sammen, dass du deine Arbeit verloren hast. Das konnte ich ja nicht wissen. Ich meine, wir liegen doch im Spitzenfeld, das sagst du selbst ja auch, als Finanzplatz und überhaupt. Wie kann da was schief gehen, generell in der Schweiz und im Spe­ziellen in Zürich und dann auch noch in deiner Po­sition. Aber damit hat es nichts zu tun.
MONI    Nein.
MICHI    Ich habe ja schon länger, also noch vor der Vor­stands­sitzung, vorgestern schon, da habe ich ge­spürt, dass ... weißt du, ich hab das einfach ge­spürt ...
MONI    So.
MICHI    Ich weiß, was du jetzt denkst, aber so ist es nicht, es ist einfach über mich gekommen, mein Gott, ich kann doch nichts dafür, dass die Kata­rina so jung ist, darum geht’s mir gar nicht.
MONI    Nicht?
MICHI    Nein! Und vor allem tu ich’s nicht, um dich zu verlassen. Das ist mir unangenehm, glaub mir, oder wer glaubst du, bin ich denn, das musst du mir glauben.
MONI    Ja.
Kurze Pause.
MICHI    Wegen der Wohnung ... druckst herum. Also ich hab mir gedacht –
MONI    Du kannst sie haben.
MICHI    Was?
MONI     Die Wohnung, du kannst sie haben. Ich ziehe aus.
MICHI    Du willst ausziehen??!
MONI    Ja.
MICHI    denkt nach. Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Für den Kaspar ist es besser, er bleibt hier. Dreizehn ist ein schwieriges Alter, gerade für einen Jungen. Und dann gehen die Eltern auseinander. Wäre schon gut, wenn er sein Zuhause behalten könnte. Hier kann er ungestört üben. Das ist übrigens auch Katarinas Meinung.
MONI    Ist nicht wahr.
MICHI    Obwohl ihr die Wohnung an und für sich schon ge­fiele.
MONI    Ich ziehe aus, Katarina zieht ein: so machen wir das.
MICHI    Denk doch an den Kaspar, glaubst du nicht, es wäre besser für ihn ...?
MONI    Er kann ja hier bleiben. Holt einen Koffer hervor.
MICHI    Gut. Kurze Pause. Das verstehe ich jetzt nicht.
MONI    Du behältst die Wohnung und den Kaspar. Packt das Nähzeug ein.
MICHI    mit Verzögerung: Moment! ICH, ICH verlasse dich!
MONI    Ich kann den Kaspar nicht zu mir nehmen. Der Bengel hat nichts als Blödsinn im Kopf. Ein schwie­riges Alter. Ich wäre total überfordert mit ihm. Ich habe gerade meine Arbeit verloren, mein Mann verlässt mich, die Wechseljahre stehen vor der Tür: ich habe Gemütsschwankungen. Kurze Pause. Und Reisepläne.
MICHI    Das kannst du nicht machen. Wie stellst du dir das vor, die Katarina und der Kaspar! Das passt doch nicht zusammen, er könnte ihr Bruder sein, fast. Kurze Pause. So geht’s nicht. Verstehst du denn nicht, ich fange gerade ein neues Leben an.
MONI    Keine Unterhaltszahlung, keine Alimente, kein Sor­gerecht. Ich verzichte.
Geht mit dem Koffer zur Wohnungstür.
MICHI weiß nicht, wie ihm geschieht.

MONI     in der Tür: Die Sachen lasse ich bei Gelegenheit abholen.
MICHI    komplett neben den Schuhen: Hast du die Zahn­bürste?
MONI    Ja.
MICHI    Gut.
MONI    Mach’s gut. Geht ab.
MICHI    Ja.
Michi geht zum Fauteuil, stolpert übers Skateboard, fängt sich am Clubtisch auf, wirft dabei das Weinglas um, setzt sich und macht ein dummes Gesicht.
Aus Kaspars Zimmer schwellt die Gitarrenmusik immer lauter an. Ein Schlagzeug kommt dazu. Verzerrergeräusche.
Ein KNALL, Stromausfall.
STILLE.

DRAMAWETTBEWERB II – Die erste Vorauswahlrunde des Au­to­renwettbewerbs, veranstaltet von Theater Phönix und dem KV Musentempel, haben Bruno Pallandini mit „Koffer packen“ und Marianne Strauhs „UPM“ für sich entschieden. spotsZ veröffentlicht die GewinnerInnen. Die Dramatiker werden zur Fi­nalrunde im Mai eingeladen. Die zweite Vorrunde findet Mitte Jänner statt. Der Sieger des ganzjähri­gen Wettbewerbes erhält einen Stückauftrag für die Spiel­sai­son 2010/2011.
Vollständiger Text und Infos zum Wettbewerb:
www.myspace.com/musentempel

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12/09

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