Das Walzen der Baustelle
Die sprachlich wie inhaltlich zweifelhafte Botschaft gipfelt im Ruf nach der Heimkehr des verlorenen Sohnes:
Der vermeintlichen Weisheit Schluss muss hier am Anfang stehen. Schließlich schaffte es Gerald Mandlbauer mit seinem Artikel „Baustelle Kultur: Holt Welser-Möst!“1, den ORF OÖ dazu zu bewegen, dem abtrünnigen, weil in der engeren Heimat als Paradekulturschaffender abwesenden Welser-Möst in die USA hinterher zu telefonieren. Der musikalische Direktor des Cleveland Orchestra musste im OÖ Heute-Interview Auskunft geben, warum er bitteschön nach Wien geht (als künstlerischer Leiter der Staatsoper), aber das arme Linz und insbesondere das Brucknerfest derart versauern lässt. Welser-Möst war ausgesucht höflich, man will ja niemandem zu nahe treten, aber am Hörer der Interviewerin lauschend, hat er sich wohl gefragt, wo dieser Heimkehrer-Blödsinn herkommt. Aua, Frau Patsch, das war zum Fremdschämen.
Das scheint er nun also zu sein, der erste Diskurs über die künstlerische Zukunft nach Linz09, zumindest in den regionalen Medien. Für ordentlich Dampf hat dabei zuvorderst Mandlbauer gesorgt. Das fröhliche Bashing nimmt er in seinem Kommentar zunächst mit Verknappungen und eigenwilligen Zuschreibungen auf. Die Linz09-Leute seien die „Wanderheuschrecken“ des Kulturbetriebs, die lokale Politik freue sich über den summa summarum friktionsfreien Ablauf von Linz09. Ja, eh, natürlich ist das Jahr abgehakt, und die kulturpolitischen Zielsetzungen der Stadt sind indifferent wie ehedem, aber das wäre wahrlich eine längere Geschichte und Analyse wert gewesen. Ebenso wie das Wirken und Schaffen der Linz09-Leute und die möglichen Konsequenzen daraus, abseits der von Mandlbauer via „Wanderheuschrecke“ unterstellten Verwüstung des Kulturlandstrichs. Aber beim verbalen Betonieren kommt das eben alles schnell unter die Walze. Und die steuert Mandlbauer zielstrebig durch den hiesigen Kulturbetrieb, so wie er ihn versteht.
Die neuen oder erneuerten Kulturbauten sind zuerst an der Reihe. Mandlbauer macht entlang der Donau mit AEC, Lentos und einer möglicherweise baulich adaptierten Kunstuniversität eine geliftete Stadt aus, eine „Frau in den besten Jahren“, zumindest räkelt sich diese vor den Augen des Chefredakteurs, wenn er vom Südflügel des Schlosses herabblickt. Plumper Sexismus in der Stadtbeschau, das ist neu. Zum Glück blickt Mandlbauer nicht Richtung Bahnhofsgelände – was da an phallischem Potential geschlummert hätte!
Jedenfalls hält der sich an die urbane Silhouette schmiegende Panther Mandlbauer fest: Zwischen allen Häusern kein Betrieb. „Power, Tatendrang, Modernität und Innovationskraft“ fehlten hier und die freie Szene stürme auch nicht zurück auf die von Linz09 verwehrte Bühne. Die Universitäten gehörten bitte an die Spitze eines veritablen Aufbruchs in neue, bessere Zeiten, der aber so gar nicht stattfinden will. Folgt man dieser Analyse, so sollte also mit eine gehörigen Portion Managementtugenden ordentlich aufgeräumt und die künstlerische Emanzipation von oben nach unten erwirkt werden, während die „Freien“ doch bitte endlich wieder mehr Lebendigkeit zeigen soll. Zuschreibungen wie aus dem Klischeelehrbuch, und dass finanzielle und organisatorische Zwänge nicht gerade viel Spielraum lassen, weder für etablierte Institutionen, noch für die Universitäten oder die sogenannten Freien, spielt für Mandlbauer gar keine Rolle.
Für eine Diskussion über den notwendigen Strukturwandel ist keine Zeit. Schließlich beschäftigen den Chefredakteur vor allem die großen Institutionen in Linz und deren gegenwärtige Leiter. Das Schicksal von LIVA/Brucknerhaus und Landestheater nach den jetzigen Intendanzen liegt ihm offenbar am Herzen. Die berechtigte Frage nach der Ausrichtung und Programmierung des künftigen Musiktheaters wird auf die programmatische Kannibalisierung des Brucknerhauses reduziert.
Komplett außen vor bleiben die bildende Kunst oder Formate wie das ebenso erfolgreiche wie konstant existenzbedrohte Filmfestival Crossing Europe. Mandlbauers Spektrum ist ein gutbürgerlich antiquiertes und geht auf fatale Weise mit der heimischen Förderpolitik konform. Nichts ist so wichtig wie (klassische) Musik und das Theater, ein Schelm, wer hier an die medialen Mitspieler denkt. Zu oberösterreichischen Festivals fallen dem Chefredakteur dann nur Ars Electronica, Brucknerfest und Klangwolke (sic!) ein, denen er zuschreibt, in die Jahre gekommen zu sein. Schon schlimm, wenn diese Festivals an eine Frau erinnern, die ihr Alter ungeliftet zur Schau trägt, oder? Zugunsten dieses Profils kehrt Mandlbauer neuere verdiente Formate einfach unter den Teppich, zukünftige wie die Triennale sind ihm keine müde Silbe wert.
Was nun aber tun mit der Misere? Nicht verzagen, Mandlbauer fragen: Linz muss endlich Festspielstadt werden, ein zweites Bregenz, mit großen Künstlern, mit klingenden Namen. Am besten man bedient sich dabei eines hier aufgewachsenen Künstlers, dessen internationaler Ruhm und Glanz zurück auf das Hoamatlånd fallen möge. „Holt Franz Welser-Möst endlich dorthin, wo er geboren ist, muss es daher heißen“ tönt Mandlbauer markig. Kulturblut & Boden wollen zusammengeführt werden, könnte man da im Subtext lesen. Von „Heimkehr“ ist die Rede, Linz müsse alle Hindernisse dafür aus dem Weg räumen, „bei seiner Ehre“ gepackt werden.
Hier schließt sich letztlich der Reigen von Kunstverständnis und Sprachkultur. Gerald Mandlbauer lässt sich nicht lumpen – Berührungsängste mit reaktionär anmutendem Wortgeplänkel kennt er nicht. Bleibt zu hoffen, dass künftige Diskurse mit weniger Plattitüden und einem Mehr an Qualität ihren Anfang nehmen können. Das würde nicht nur Welser-Möst gefallen.
1 Nachzulesen unter: www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,347164
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