Space Inventions
Raum, der: was soll das sein? Natürlich, jedEr kennt und verwendet den Begriff, doch wie könnte eine Definition lauten? Vielleicht so: dreidimensionale Ausdehnung mit bzw. ohne Begrenzung; erzeugt mittels Ausdehnung, Bewegung, Imagination ...
1) Von der Theorie zur Praxis:
In einem verdunkelten Abschnitt, hinter schwarzem Vorhang eine Arbeit von Leo Schatzl: „Roto Object“, kinetische Skulptur in mehreren möglichen Zuständen – ruhend oder kreisend. Eine mechanische Anordnung mit neonblauen Lichtschnüren (vermutlich Glasfaserkabel?), die nach Knopfdruck anfängt sich zu drehen, immer schneller, bis die sichtbare Form durch die Trägheit des Auges verschwimmt; zu einer Lichterscheinung ohne fixen Umriss, wie ein „Halo“, eine konvexe immaterielle Plastik. Schatzl setzt die Reihe der kinetischen Kunst fort: nach den berühmten Vorgängern „Naum Gabo“ (standing wave) oder „Len Lye“ (fountain), die sich ab den 1920er Jahren mit entmaterialisierten Effekten elastischer Formen auseinandersetzten. –
Als Nächstes: ein White Cube, digital: ein bedauernswertes Nagetier (Maus oder Hamster?) versucht das Gehäuse seines Monitors zu verlassen. Gefilmt von Robert F. Hammerstiel, wobei die Grenzen von leerem Terrarium und hellem Bildschirm übereinstimmen. Titel der Arbeit: „Espace Intime“. – Der nächste Raum voll mit „Second Life“. (ebenfalls von Hammerstiel). Computergenerierte Traum-Urlaubs-Locations – Sonne, Meer und Palmen. Oder aber als Animation die blitzschnelle Entstehung der digitalen Stadt schlechthin, worin die Avatare realer Personen leben, kaufen, betrügen und auch vor Gericht gehen (wie ich irgendwo gelesen habe). Soo paradiesisch scheint es doch nicht zu sein, nachdem die Spieler sich selbst mitbringen ... – Das nächste Zimmer ist kleiner. Darin eine fragile Konstruktion aus zarten Holzleisten, dünnen Draht/Schnüren und kleinen Gewichten. Ralf Baekers „Der rechnende Raum“ – über 200 kleine Hebel, immer in Bewegung, wie ein sehr kompliziertes Uhrwerk oder eine mechanische Frühform des Computers. Dieser „Raum – im Raum“ ist nicht zu betreten, nur zu bewundern ob seiner sublimen Mechanik. Vergleichbares sah ich im Museum Gelsenkirchen ... – Folgt „Pedestrian“ von Shelley Eshkar/Paul Kaiser, eine Rauminstallation, wobei animierte Fußgänger auf den Boden projiziert sind. Wie Schwärme scheinen sie zu interagieren. – Passiere Carsten Nicolais Nebelkammer „fades“: beeindruckender Raum, voll mit Dunst, schwefelgelben Schräglicht, Klang. Setzt (bei mir zumindest) leicht ambivalente Assoziationen in Gang. – Dahinter ein Saal, leer und dunkel, mit einem bequemen Fauteuil und Leselampe. Ich nehme Platz und habe die Wahl zwischen mehreren silbernen Knöpfen: „Choose your day“ von Vadim Fishkin. Also wähle ich Regennacht, probiere Sonnenuntergang, Sturm, Sommertag zuletzt sogar ein Mars-Environment. Alles da: per Projektionsleinwand, Lichteffekten und Ventilatoren sind die gewünschten Umgebungen und Stimmungen beinahe real zu erleben. Man kann dabei ruhig im Polstersessel sitzen bleiben. 4D-Kino at its best! – Weiter zur „Hemisphäre“ von Ulf Langheinrich – eine Kuppel mit etwa 5 m Durchmesser. Darin ist allerhand los: flackernde Lava beziehungsweise flimmernde fraktale Strukturen. Nichts für Epileptiker – bin ich zwar nicht, aber ich halt’s nicht lange aus. – Umso ruhiger die nächste Anordnung: Mariko Moris „Transcircle“. In weißem Kiesgarten neun mattweiße Stelen, die abwechselnd in verschiedenen sanften Farben aufleuchten: japanisch-esoterische Version von Stonehege. – Der nächste Raum hält eine Science-fiction AlptraumVision bereit. Dabei sehr ansprechend anzusehen: Seiko Mikami „Desire of Codes“. Ein Gerüst mit sechs kleinen Kameras an beweglichen Gelenksarmen: „ballett electronique“: Es gibt kein Entkommen, sie sehen dich – garantiert. (Adrinalinspiegel steigt – vielleicht hätte ich manche Filme nicht sehen sollen! Jene anfangs netten kleinen Maschinchen, die sich selbst zu einem monströsen, zerstörerischen Super-Organismus organisieren.) Die leiseste Bewegung wird registriert, gefilmt und projiziert – man sieht sich selbst im Projektions-Lichtkegel von oben, von allen Seiten. – Ich rette mich durch die nächste Türe. Dahinter Johannes Deutsch’s „Gesichtsraum“. Virtueller Raum, Inneres mit äußerer Umgebung in Beziehung gesetzt. Um-gesetzt via digitalen Farbfeldern, Strukturen, Verzerrungen, moderiert vom Künstler. – Einen Schritt weiter lande ich wieder bei Hammerstiels „Second life“.
2) Curators intention: Eine Darstellung des Raumbegriffs im 21. Jahrhundert. Gottfried Hattinger differenziert die herkömmliche Unterscheidung von äußerem, innerem und illusionistischem Raum. Dabei ordnet er aktuallisierten Charakteristiken verschiedene Künstlerpositionen zu: für den elektronischen Raum steht etwa Robert F. Hammerstiel. Kinetischer Raum wird in der Ausstellung von Leo Schatzl, Ralf Baeker und Vadim Fishkin demonstriert. Carsten Nicolai und Ulf Langheinrich visualisieren atmosphärischen Raum. Transzendenten Raum zeigt Mariko Mori, Beobachtungsraum Shelley Eskar/Paul Kaiser und Seiko Mikami. Last but not least stehen Johannes Deutsch und Hammerstiel für den virtuellen Raum. Natürlich ist diese Zusammenfassung (aus Platzgründen) eine grobe Fragmentarisierung des Konzepts – die Lektüre des Kataloges sei empfohlen ...
Space Inventions – Der künstliche Raum, Schleebrügge Editor, Wien 2010
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