Ein Mann mit Camera
Draußen wird es langsam dunkel, die Dämmerung färbt sich ultramarinblau. Drinnen helles Licht in den Ausstellungsräumen der Wiener Gumpendorferstraße. Die Vernissage, bereits in vollem Gange, nähert sich dem informellen Teil des Abends. Stimmengewirr, Weingläser, Menschengruppen stehen beieinander, unterhalten sich, diskutieren. An weißen Wänden gerahmte Fotoarbeiten. Walter Ebenhofer steht gestikulierend vor den Bildpaaren seiner Serie „Ansitze und Ausblicke“.
Zu sehen: jeweils eine Landschaft in schwarz-weiß, beziehungsweise ein fragmentierter (Durch)Blick ins Grüne – farbig. Einander gegenübergestellt.
Ebenhofer schildert das Konzept dahinter: „Was die Serie zusammenhält sind dokumentarisch fotografierte ‚Hochstände‘, wie sie am Land überall zu finden sind. Eine Art von Anonym-Architektur, die unprätentiös irgendwo steht. Gebaut von Jägern zum Beobachten des Wildes. Erstaunlich, wie variantenreich diese minimalistischen Gebilde sein können! Jedenfalls, als Spaziergänger haben mich diese Objekte einfach interessiert. In den 80er Jahren begann ich, sie fotografisch festzuhalten – als Teil eines Landschaftsbildes, das nicht unbedingt ‚schön‘ im herkömmlichen Sinne sein soll. Ich zeige, was ich vorfinde, allerdings einer fotografischen Tradition entsprechend monochrom.
Das Gegenstück dazu basiert auf der Idee von ‚Schuss- – Gegenschuss‘: Vom erhöhten Standpunkt der Plattform aus zeige ich meinen vorherigen Standpunkt, also den Platz vom dem aus ich das erste Bild ‚geschossen‘ habe ...
Was auch spürbar wird: das Verhältnis zwischen Wild und Jäger: zwischen Tarnung, Instinkt, Anpassung gegen Beobachten und Abwarten einer Gelegenheit.“
Zwei gegenläufige Blicke auf einen Landschaftsausschnitt: ein fast klassisches monochromes Abbild ruralen Gebiets kontrastiert mit dem fragmentierten Ausblick aus einer Luke: „Blick durchs Fenster“, ein Topos der Kunstgeschichte – in diesem Falle aus der Enge einer Aussichtskabine heraus.
„Für mich als Fotografen,“ so Ebenhofer, „ergibt sich da eine Analogie: vom verengten Durchblick nach draußen zum Blick durch das Okular der Kamera. Jedesmal ist nur ein Ausschnitt der Umgebung sichtbar.“
So fungiert die kleine Aussichtskabine gleichsam als Dunkle Kammer deren obskure Luke verfremdete Eindrücke von außen durchlässt – was die Fotoabzüge durch das kleine Bildfeld aus weißer Fläche – verdeutlichen. Die raue Oberfläche der Bretterwand dient gleichsam als Passepartout. Diese Serie von Landschafts- und Ausblicksbildern ist inzwischen auf etwa 100 Paare angewachsen.
Das Phänomen der Camera Obscura: die verdunkelte Kammer mit einer winzigen lichtdurchlässigen Öffnung: Einfallendes Licht veranschaulicht Ebenhofer ebenfalls bei anderen Werkgruppe. Die „Camera Obscura“ einer durchschossenen Fotopapierschachtel zeigt – von den Einschusslöchern ausgehend, faszinierende Lichtphänomene. Experimente mit Licht und Zufall – vom Projektil ausgehend verändern Photonen das empfindliche Papier. Sichtbar gewordenes Spektrum um jeden farblosen (Eintritts-)Hof vor weißem oder schwarzem Hintergrund als „Präparate“ gezeigt. Tatsächlich entsteht der Eindruck, Aufnahmen von Mikroskop-Trägerplatten zu sehen. Durch den Schuss „verletztes Material“ (so Ebenhofer) wird von den Eintrittsöffnungen her belichtet – einige Stunden oder Tage lang. Das vor dem Entwicklungsprozess gesammelte und gespeicherte Licht (sei es direkte/indirekte Belichtung oder Durchlicht im Falle von Großbilddias als Ausgangsmaterial) in all seinen Spektralfarben und Wellenlängen, je nach Lage/belichtetes Blatt unterschiedlich manifestiert. Desgleichen werden durch den Schussvorgang eingetretene Staubpartikel fotogrammatisch fixiert. Sichtbar wird hier die Differenz zwischen Ereignis (Eintritt des Projektils ins Trägermaterial) und Abbild (Produkt des Belichtungs- und Entwicklungsvorgangs) – als Essenz der Photographie. Automatische Verfahren im bildnerischen Schaffensprozess, wie sie etwa auch Jackson Pollock oder Nicki de Saint Phalle von unterschiedlichsten Ansätzen her (Abstraktion/Rhythmik/Gesellschaftskritik) anwandten. Verletzung, ja partielle Zerstörung des Materials, bleibt als Spur präsent.
Im Falle der Doppelbilder „Ansitze und Ausblicke“ ist eine automatisierter Eingriff in die Umgebung im Bereich des Möglichen: Doch was zuletzt ausgespäht und verletzt/zerstört werden wird, Sehendes oder Gesehenes, Innen oder Außen, Interieur oder Landschaft wird noch zu klären sein ...
Knoll Galerie Wien: „Hochsitze“, noch bis 06. November 2010
Knoll Galeria Budapest: „Panorama“, noch bis 13. November 2010
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