Ein Mann mit Camera

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Ein- oder Ausblicke, reflektiert durchs Okular der Kamera. Die ländliche Fährtensuche des Foto­künstlers Walter Ebenhofer wird derzeit in Wien und Budapest präsentiert. Teil 2 einer Serie von Karin M. Hofer, die sich oberösterreichischen KünstlerInnen in Wien und anderswo widmet.

Draußen wird es langsam dunkel, die Däm­me­rung färbt sich ultramarinblau. Drinnen helles Licht in den Ausstellungsräumen der Wiener Gum­­pen­dor­ferstraße. Die Vernissage, bereits in vollem Gan­ge, nähert sich dem informellen Teil des Abends. Stimmengewirr, Weingläser, Men­schen­gruppen ste­­hen beieinander, unterhalten sich, diskutieren. An weißen Wänden gerahmte Fotoarbeiten. Wal­ter Ebenhofer steht gestikulierend vor den Bild­paaren seiner Serie „Ansitze und Ausblicke“.

Zu sehen: jeweils eine Landschaft in schwarz-weiß, beziehungsweise ein fragmentierter (Durch)Blick ins Grüne – farbig. Einander gegenübergestellt.
Ebenhofer schildert das Konzept dahinter: „Was die Serie zusammenhält sind dokumentarisch fo­to­grafierte ‚Hochstände‘, wie sie am Land überall zu finden sind. Eine Art von Anonym-Architektur, die unprätentiös irgendwo steht. Gebaut von Jä­gern zum Beobachten des Wildes. Erstaunlich, wie variantenreich diese minimalistischen Gebilde sein können! Jedenfalls, als Spaziergänger haben mich diese Objekte einfach interessiert. In den 80er Jah­ren begann ich, sie fotografisch festzuhalten – als Teil eines Landschaftsbildes, das nicht unbedingt ‚schön‘ im herkömmlichen Sinne sein soll. Ich zei­ge, was ich vorfinde, allerdings einer fotografischen Tradition entsprechend monochrom.
Das Gegenstück dazu basiert auf der Idee von ‚Schuss- – Gegenschuss‘: Vom erhöhten Stand­punkt der Plattform aus zeige ich meinen vorherigen Standpunkt, also den Platz vom dem aus ich das erste Bild ‚geschossen‘ habe ...
Was auch spürbar wird: das Verhältnis zwischen Wild und Jäger: zwischen Tarnung, Instinkt, An­pas­sung gegen Beobachten und Abwarten einer Ge­legenheit.“

Zwei gegenläufige Blicke auf einen Landschafts­aus­schnitt: ein fast klassisches monochromes Ab­bild ruralen Gebiets kontrastiert mit dem frag­men­tierten Ausblick aus einer Luke: „Blick durchs Fenster“, ein Topos der Kunstgeschichte – in diesem Falle aus der Enge einer Aussichtskabine her­­aus.
„Für mich als Fotografen,“ so Ebenhofer, „ergibt sich da eine Analogie: vom verengten Durchblick nach draußen zum Blick durch das Okular der Ka­mera. Jedesmal ist nur ein Ausschnitt der Um­ge­bung sichtbar.“
So fungiert die kleine Aussichtskabine gleichsam als Dunkle Kammer deren obskure Luke verfremdete Eindrücke von außen durchlässt – was die Fotoabzüge durch das kleine Bildfeld aus wei­ßer Fläche – verdeutlichen. Die raue Oberfläche der Bretterwand dient gleichsam als Passe­par­tout. Diese Serie von Landschafts- und Ausblicks­bildern ist inzwischen auf etwa 100 Paa­re angewachsen.
Das Phänomen der Camera Obscura: die verdunkelte Kammer mit einer winzigen lichtdurchlässigen Öffnung: Einfallendes Licht veranschaulicht Ebenhofer ebenfalls bei anderen Werkgruppe. Die „Camera Obscura“ einer durchschossenen Foto­pa­pierschachtel zeigt – von den Einschusslöchern ausgehend, faszinierende Lichtphänomene. Ex­pe­rimente mit Licht und Zufall – vom Projektil ausgehend verändern Photonen das empfindliche Pa­pier. Sichtbar gewordenes Spektrum um jeden farb­losen (Eintritts-)Hof vor weißem oder schwarzem Hintergrund als „Präparate“ gezeigt. Tatsäch­lich entsteht der Eindruck, Aufnahmen von Mi­kroskop-Trägerplatten zu sehen. Durch den Schuss „verletztes Material“ (so Ebenhofer) wird von den Eintrittsöffnungen her belichtet – einige Stunden oder Tage lang. Das vor dem Entwick­lungs­pro­zess gesammelte und gespeicherte Licht (sei es direkte/indirekte Belichtung oder Durchlicht im Falle von Großbilddias als Ausgangsmaterial) in all seinen Spektralfarben und Wellenlängen, je nach La­ge/belichtetes Blatt unterschiedlich manifestiert. Desgleichen werden durch den Schussvorgang ein­­getretene Staubpartikel fotogrammatisch fi­xiert. Sichtbar wird hier die Differenz zwischen Ereig­nis (Eintritt des Projektils ins Trägermaterial) und Abbild (Produkt des Belichtungs- und Entwick­lungs­vorgangs) – als Essenz der Photographie. Au­tomatische Verfahren im bildnerischen Schaf­fensprozess, wie sie etwa auch Jackson Pollock oder Nicki de Saint Phalle von unterschiedlichsten Ansätzen her (Abstraktion/Rhyth­mik/Gesell­schaftskritik) anwandten. Verletzung, ja partielle Zerstörung des Materials, bleibt als Spur präsent.
Im Falle der Doppelbilder „Ansitze und Aus­bli­cke“ ist eine automatisierter Eingriff in die Um­gebung im Bereich des Möglichen: Doch was zu­letzt ausgespäht und verletzt/zerstört werden wird, Sehendes oder Gesehenes, Innen oder Außen, In­terieur oder Landschaft wird noch zu klären sein ...

Knoll Galerie Wien: „Hochsitze“, noch bis 06. November 2010
Knoll Galeria Budapest: „Panorama“, noch bis 13. November 2010

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10/10
FotoautorInnen: 
Walter Ebenhofer

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