Lifestyle und Eleganzproblem

Linz09 wird eine eigene Spielstätte betreiben. Weil sich die Logistik-Halle an der Franckstraße als ideale Heimat für Linz09 Kunst und Kultur erweist, wird mit dem Eigentümer ÖBB verhandelt. Martin Heller lässt Norbert Trawöger noch während des Gesprächs alle Fragen dazu vergessen.

Zehn Minuten vor dem vereinbarten Termin traf ich im Linz09-Hauptquartier ein, um Martin Hel­ler über den aktuellen Stand in Sachen „Spiel­stät­te“ zu befragen. Nach fünf Minuten bedeutete mir eine sympathische Vorbotin, dass es eher zehn nach werden würde. Die Zeit verging rasch und trotz­dem schien es immer noch zu früh für meine Fragen, denn meine beabsichtigte Frage schmetterte gleich an Hellers „Wir kommunizieren über die Spielstätte im Detail erst dann, wenn wir weiter sind“. Ach so, dachte ich mir und überlegte, wo­mit der angebrochene Fragenachmittag noch zu ret­ten sei. Meine zweite Frage folgte rasch und ich wollte wissen, warum vor Weihnachten kommuniziert wurde: „Linz09 bekommt eine eigene Spiel­­stätte“. Und dann Linz09 aber erst lediglich beabsichtige, die ÖBB Logistikhalle als Spiel­stät­te zu gewinnen. Über die damalige Pressemit­tei­lung war nicht nur ich verwundert, bringt man sich doch zusätzlich mit dieser öffentlichen Wol­lens­erklärung in eine denkbar schlechte Aus­gangsbasis für Verhandlungen. „Es gibt Dinge, die kann man nicht unter dem Deckel behalten. Das ist ein öffentliches Projekt, da kann man nicht wie ein Privater verhandeln und im Zweifelsfall kommunizieren wir eine Umdrehung mehr“, so Heller. An diesem Nachmittag bedauerte ich, nicht zu den Zweifelsfällen zu gehören.

Im Gegensatz zur Meinung vieler LinzerInnen sei die Stadt nicht mit vielen Auftritts- und Spiel­mög­lichkeiten gesegnet, so der 09Intendant. Ver­schie­denste Formate wie etwa ausstellungsähnliche Pro­jekte oder Theater benötigen einen großen multifunktionalen Raum. Eine eigene Spielstätte soll die Möglichkeit bieten, verschiedene Ansprüche zu­einander zu bringen und diese Ansprüche so zu kombinieren, dass sie vom Öffentlichkeitswert und auch von der Kalkulation her Synergieeffekte er­geben. Um eine Programmdichte, die von den An­sprüchen an eine Kulturhauptstadt zu erwarten ist, zu gewährleisten, reichen die bestehenden Räu­me eben nicht aus. Klingt logisch – aber ist es hier­für zeitlich nicht etwas zu knapp? „Nein“, meint Heller, die ÖBB Halle wäre in einem äu­ßerst guten Zustand. Er gehe davon aus, dass dies ohne weiters machbar ist. „Die Nachhaltigkeit kommt dabei natürlich an ihre Grenzen“, so Heller auf die Frage nach dieser, da diese Halle wieder in ihre Urfunktion zurückkehren werde.

„Generell bin ich nie zufrieden, das wäre ja der An­fang vom Ende“, reagiert Heller auf die Frage, wie er im Allgemeinen mit dem Verlauf der Dinge zufrieden sei.
„Schauen Sie, so ein Projekt ist ein Riesending. Da können Sie am Tag noch so gut arbeiten, abends fal­len einem 30 Dinge ein, die Sie hätten noch ma­chen sollen.“
„Ist Linz zu spät?“,
von Heller selbst eingestreute Frage (und die Vorbereitungen für 09 meinend), die er offen gesagt bescheuert findet, noch dazu wenn sie von Laien gestellt wird und beantwortet sie selbst: „Dies kann niemand im Ernst beurteilen. Ich kann es manchmal besser und manchmal schlechter. Es kann uns ein Entscheid wie etwa die Spielstätte um Monate zurückwerfen, ohne dass ich dafür etwas kann. Da gibt es sehr viele Zu­fäl­ligkeiten, die nichts mit meiner Professionalität und Kompetenz zu tun haben. Ich gebe dies offen zu, das ist nicht berechenbar“, und streut gleich noch eine zweite selbst gestellte Frage ein, ob er al­les im Griff habe: „Nein, ich habe es nicht im Griff, denn wenn man etwas zu lange im Griff hat, dann erwürgt man es. Ich wäre nie so arrogant zu sagen, ich hätte es im Griff. Aber ich gebe mein Bes­tes und wir sind gut unterwegs!“

Dies hänge natürlich auch davon ab, was eine Stadt zu liefern im Stande sei. „Wir mussten in Linz viel Basisarbeit leisten“, wirft Martin Heller ein.
Den Österreichern muss gesagt werden, Linz ist viel interessanter als ihr denkt, und dem möglichen Publikum außerhalb unseres Landes muss mitgeteilt werden, dass es Linz überhaupt gibt. Hel­ler schätzt das Lentos sehr, meint aber, was in der Stadt als Leuchtturm dasteht, ist international inexistent. Das Lentos käme in keinem Ar­chi­tekturführer über neuere internationale Mu­se­ums­bauten vor. In Linz herrsche ein großer Prag­ma­tis­mus gepaart mit einer hohen Rea­li­sa­tions­qua­li­tät und Unvoreingenommenheit, au­ßer­dem ge­be es wenig Geschichtsbewusstsein. Aber Linz hat eine hohe Lebensqualität und ist heraus­for­der­bar. Die Prägung als Arbeiterstadt scheint Dinge wie Lifestyle und Eleganz­pro­gramm für we­niger wich­tig zu halten, als das in anderen Städ­ten unserer postmodernen Gesellschaft fest­zustellen ist.

„Das war nicht das, was Sie wissen wollten“, rundet Heller lächelnd und rhetorisch fragend unser Gespräch ab. Wenn er schon nicht al­les im Griff haben will, so hat seine finale An­sage die Qua­lität einer herzhaften Umarmung, die ich gleich handgreiflich zu erwidern bereit wäre. Hel­ler ist mir sympathisch. Und doch er­innert er mich an jene „Turnschuhmächtigen“, de­nen ich im Laufe meines Lebens immer wieder be­gegnet bin: Man weiß um ihre Macht und wird in der Begegnung vom Lifestyle der Kum­pelhaftigkeit überrascht, mit denen sie einen so­fort in den eleganten Wür­gegriff der Sympathie bringen. Fragen sind dann keine Fragen mehr, daher kann es auch keine Antworten geben. Es ist ja alles nicht so einfach und was vermag der Un(ein)geweihte schon zu wissen. Hoffentlich kann ich 2009 endlich das begreifen, für das ich heute scheinbar noch nicht reif genug bin.

Seit der letzten Aufsichtsratsitzung sind die Weichen ge­stellt: Linz09 soll eine eigene Spielstätte bekommen. Die betroffenen Programmfelder sind vorrangig Ausstel­lun­gen, Theater- und Themenfestivals, Konzerte, Clubbings, Cross­over Formate sowie Großevents wie Eröffnung oder Ab­schlussfest. Mehrere Objekte hat Linz09 nach eingehender Evaluierung als Möglichkeiten ins Auge gefasst. Als am idealsten erweist sich eine Logistik-Halle an der Franck­straße, die Eigentum der ÖBB ist. Die Nutzung durch Linz09 wäre ab April 2008 möglich. Linz09 befindet sich darüber mit den ÖBB im Gespräch, etwaige Details werden erst nach Abschluss des Gesprächs bekannt ge­geben.

Vollständige Linz09 Info unter: www.linz09.at/de/detailseite/presse/informationen/pressemitteilungen/138...

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