Wie klingt Ulrichsberg?

Das Projekt Landschaftsoper ist der Versuch eines Neubeginns innerhalb der Musikform Oper. Ulrichsberg, seine Umgebung und Ressourcen, die Landschaft und der Alltag der Menschen sind Material, Libretto und Inhalt: Sieben Akte formen das Werk von Peter Ablinger. Am 13. Juni findet die konzertante Aufführung statt.

Zentrales Anliegen des von Peter Androsch verantworteten Linz09 Musik­pro­gramms ist der bewusste und selbstbestimmte Umgang mit unseren Oh­ren, vor allem hinsichtlich seiner gesellschaftlichen und daher politischen Dimension. Sechzig Kilometer nördlich von Linz, nahe der tschechischen Gren­ze, liegt Ulrichsberg, eines der heißesten und innovativsten Klang­pflas­ter des Landes. Das dortige Jazzatelier ist seit Jahrzehnten weithin wirksamer Grundversorger mit improvisierten und komponierten Zeittönen. Jazz­ate­lier-Chef Alois Fischer präsentiert heuer einige Kooperationsprojekte mit Linz09, in denen Musik erklingt, die sich explizit mit Themen wie „Hören“ und „Wahrnehmung“ auseinandersetzen: Eine Frage, die dabei nahe liegt ist: Wie klingt Ulrichsberg?

Oper
1597 komponiert der italienische Renaissancekomponist Jacobo Peri die Oper La Dafne. „Il Zazzerino“ (= der Langhaarige; so der Spitzname des Kom­ponis­ten) markiert damit das Auftauchen der Gattung Oper in die Musikge­schich­te. Die Gattungsgeschichte der Oper ist eine lange und breit klingende. Die Inhalte sind die ewigen Themen der Menschheit, die sich in den Reigen vom barocken Satyrspiel bis hin zu den teutonischen Opernmonstern eines Rich­ard Wagner aufspannen. „Eine Oper auf dem Lan­de ist etwas anderes, als eine Oper in der Stadt.“, steht salopp in der Programmeinführung zu Peter Ablingers Landschaftsoper Ulrichsberg. Es begeben sich nicht Dutzende Sat­telzüge eines elitären Opernbetriebs in das Dreiländereck, sondern diese Oper besteht zum überwiegenden Teil aus dem, was schon da ist: Die Um­ge­bung und die Ressourcen Ulrichsbergs sind das Material, das Libretto, der Inhalt dieser Oper, deren Struktur geprägt wird vom Land, von der Land­schaft und vom am Land üblichen.

2009 ist Ulrichsberg Austragungsort der „Landschaftsoper“ von Peter Ab­lin­ger. „Die Klänge sind nicht die Klänge! Sie sind da, um den Intellekt abzulenken und die Sinne zu besänftigen. Nicht einmal das Hören ist das Hören: Das Hören ist das, was mich selbst erschafft.“, schreibt Ablinger. Der gebürtige Oberösterreicher lebt seit langem in Berlin und zählt zu den eminenten Komponisten der Gegenwart. In Ulrichsberg war er schon öfters zu Gast. Die Kulturhauptstadt ermöglicht jetzt dieses klingende Großprojekt.
Modell für diese Landschaftsoper ist klarerweise nicht die städtische, zu­meist elitäre Form, sondern es ist ein Versuch einer kreativen Neu­beat­mung der Form Oper. So sehr sich Ablinger in gebräuchlichen Termini wie Akte, Generalprobe oder Kulisse bewegt, so ganz anders sind doch ihre Be­deutungskultur. Das „terminlich“ Verwirrende daran, wie es Alois Fischer ausdrückt, ist zugleich der springende Punkt: Die Oper finalisiert sich zwar am 13. Juni im Akt Nummer 7 DIE PERSONEN DER HANDLUNG, ein Fest in der Ulrichsberger ESV-Halle, ist aber nicht auf diesen einen Abend konzentriert, sondern spannt sich in ihren sieben Akten schon über das ganze Jahr. Akt 1 RAHMENHANDLUNG war eine Baumpflanzung – schon im April des Vorjahres – nach akustischen Gesichtspunkten auf Wiesen und Äckern östlich des Dorfes. Das unterschiedliche Baumrauschen der verschiedenen Arten ergibt ein „Konzert“. Akt 2 KULISSE ist eine Wanderkarte für einen Hörweg in 14 Stationen. Der dritte Akt DIE MELODIE ist ein akustisches Ul­richsberg-Portrait in der Galerie des Jazzateliers und im Internet. Akt 4 DER TEXT ist eine Videokapelle (06.–14. Juni) mit einer Reihe von Interviews mit 18 UlrichsbergerInnen. Akt 5 DIE BEGLEITUNG ist ein computergesteuertes Klavier im Schaufenster eines Autohauses, das in Echtzeit Alltagsgeräusche in Klavierklänge übersetzt. Schüler der Volkschule verwenden im Akt 6 DIE GENERALPROBE (06.06.) aufgenommenes Audiomaterial als Grundlage für kurze Performances.

Mehr als 200 UlrichsbergerInnen sind an ihrer Landschaftsoper beteiligt. Der zentrale Akt ist der siebte Akt DIE PERSONEN DER HANDLUNG, ein Fest – im üblichen Setting eines Zeltfestes der Region – in dem „18 Ulrichs­ber­ger/Tänze“ und ein Sinfonieorchesterkonzert mit Mitgliedern des Bruck­ner Orchesters, der Ulrichsberger Blasmusik, der Stubenmusik und ortsansässigen Improvisationskünstlern erklingt, in dem ausgewählte Takte aus dem Klangarchiv (Akt 3) auf den Orchesterapparat übertragen werden. Das Sinfonieorchester bildet dabei den denkbar feierlichsten Rahmen für das Al­lergewöhnlichste und Alltäglichste: Klänge und Geräusche von der Super­marktkasse. Dem Pendlerbus bis zur Feuerwehrübung.

www.jazzatelier.at/va/opera.htm
www.linz09.at/de/projekt-2106416/wegzeit.html

Peter Ablinger, geboren 1959 in Schwanenstadt/OÖ., 1974–82 Grafikstudium in Linz, Jazzklavier in Graz, Studium der Kompo­si­tion in Graz und Wien bei Gösta Neuwirth und Roman Hau­ben­stock-Ramati; lebt seit 1982 in Berlin. Konzerte u.a. bei: Bie­nale Venedig, Berliner Festwochen, Wien Mo­dern, Festival of Vision Hong Kong und Installationen im Offenen Kulturhaus des Landes Ober­ös­ter­reich, Neue Galerie der Stadt Graz, Haus am Waldsee Berlin, Santa Monica Museum of the Arts.
ablinger.mur.at

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06/09
FotoautorInnen: 
Garrard Martin

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