Der antifaschistische Aufstand des 12. Februar 1934

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Eine historische Einordnung des Februaraufstandes 1934 ohne sozialdemokratische Verklärung und revolutionsromantische Mystifizierung versucht eine Veranstaltungsreihe von Infoladen Treibsand und KAPU im Februar. Mit Alex Schacht gibt es zu den Februarkämpfen am Samstag, den 14. Februar eine Stadtwanderung zu den historischen Schauplätzen.

Am 12. Februar 1934 begann – ausgehend von Linz – gegen den Willen der Parteiführung der bewaffnete Aufstand eines Teils der sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung gegen den Austrofaschismus.
Was war dieser verzweifelte und von Militär, Polizei und Heimwehr niedergeschlagene Aufstand des Republikanischen Schutzbundes? Wie war es da­zu gekommen, welche politisch-ideologischen und taktischen Fehlein­schät­zun­gen begünstigten das Scheitern, wo und wie wurde versucht, sich dem ausbreitenden Faschismus entgegen zu stellen und welche Lehren können daraus gezogen werden?

Der 12. Februar 1934 kann nur im Kontext der Ereignisse der 20er Jahre und der austromarxistisch geprägten Sozialdemokratie verstanden werden – im Spannungsverhältnis der revolutionären Stimmung nach dem ersten Welt­krieg und der Arbeiter- und Soldatenräte, den bis dahin für unmöglich ge­glaubten sozialpolitischen Errungenschaften (wie Reformpädagogik, Acht-Stun­­den-Tag und sozialer Wohnbau) sowie der kompromissorientierten und zögernden Haltung der Parteiführung.

Aufgrund der immer handgreiflicher ausgetragenen Konflikte zwischen der Sozialdemokratie und der Christlich-Sozialen Partei und einer nicht sehr stark ausgeprägten Staatsgewalt entwickelten sich Anfang der 20er Jahre die Wehrverbände der Parteien, allen voran der Republikanische Schutz­bund und die Heimwehr. Schon damals entschied sich der Schutzbund für eine heeresähnliche Struktur und gegen das von Theodor Körner – auch theoretisch ausgearbeitete – Guerillakonzept, das in vielem an die „freie Fö­de­ration unabhängiger Gruppen“ des kollektivistischen Anarchismus erin­nert. Wie sich später zeigte, ein folgenschwerer Fehler.

Weitere Stationen der gesellschaftlichen Militarisierung waren der Mord eines Kriegsinvaliden und eines Kindes während einer Demonstration des Republikanischen Schutzbundes Anfang 1927 in Schattendorf, der Frei­spruch der Mörder und die darauf folgende große Demonstration am 15. Juli 1927 in Wien, bei der der Justizpalast in Flammen aufging und an die 90 De­monstrantInnen von der Polizei erschossen wurden. Spätestens seit dem Kor­neuburger Eid vom 18. Mai 1930 waren die Ziele der Christlich-Sozialen, einen katholischen, österreichischen, faschistischen Staat zu errichten, klar ausgesprochen. Die sozialdemokratischen Eliten jener Zeit zeichneten sich zwar durch einen bemerkenswerten Verbalradikalismus aus, verstanden es aber, die zum Aufstand strebende Basis der Bewegung immer wieder zu be­frieden und zu beschwichtigen.

Nach der Ausschaltung des Parlaments durch Dollfuß 1933, dem Verbot der KPÖ und des Schutzbundes und dem immer größeren Druck der Heimwehr auch die sozialdemokratische Partei zu verbieten, reichte es den Ge­noss­In­nen um den Parteisekretär und Schutzbundführer Richard Bernaschek in Oberösterreich. Bei einer Waffensuche der Polizei im „Hotel Schiff“, dem Par­teihaus in der Linzer Landstraße (Anm. der Red.: derzeit „Ruhepol“), wur­de bewaffnet Widerstand geleistet. Bald darauf wurde auch in anderen Tei­len von Linz gekämpft, doch stand der Schutzbund nicht wie erwartet alleine der Heimwehr gegenüber, sondern einer gut funktionierenden Koalition von Heimwehr, Polizei und Militär. Von der vermuteten Neutralität des Staa­tes konnte keine Rede sein. Weitere Kampfhandlungen fanden in Linz um den Jägermayerhof am Freinberg, um das Parkbad und die Schiffswerft, die Eisenbahnbrücke, den Wirtschaftshof, die Diesterwegschule, um die Volks­fest­halle am Hessenplatz und am Bulgariplatz statt. Zentren der Ausei­nan­der­setzungen in Oberösterreich waren darüber hinaus Steyr, das Haus­ru­cker Kohlenrevier Holzleiten und Ebensee. Weitere Kämpfe gab es im Roten Wien und in der Nordsteiermark um Bruck an der Mur.

Der Aufstand wurde nieder geschlagen. Der austrofaschistische Ständestaat hatte sich endgültig durchgesetzt und fungierte durch die Unterdrückung der linken ArbeiterInnen und die Einführung einer klerikal-faschistischen Ge­sell­schaftsordnung als Wegbereiter und Steigbügelhalter für die NS-Be­we­gung, die 1938 die Macht übernahm. Dieser antifaschistische Aufstand war (ob­wohl er oft als solcher bezeichnet wird) kein Bürgerkrieg. Das Ziel war nicht die Macht im Staate, sondern die Verteidigung des legalen demokratischen politischen Raumes. Die revolutionärsten Teile der Arbeiter­In­nen­schaft versuchten, die bürgerliche Demokratie gegen den Faschismus zu vertei­digen.

Der Versuch einer historischen Einordnung muss zwangsläufig ambivalent ausfallen. Auf der einen Seite waren die Kämpfe in jenen kalten Tagen des Februar 1934 der erste nennenswerte bewaffnete Versuch der progressiven Kräfte den Faschismus aufzuhalten – und der einzige im deutschsprachigen Raum. Viele Aktive aus den Februartagen fanden danach den Weg nach Spa­nien und in den militanten Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Auf der anderen Seite war das Scheitern der Sozialdemokratie nicht speziell son­dern grundsätzlich. „Nicht jede politisch-ideologische Strömung wird durch erlittene Niederlagen auch inhaltlich widerlegt, aber im Fall des Austro­mar­xis­mus trifft dies tatsächlich zu.“1 Das Scheitern des Aufstandes als Be­we­gung war durch das Zö­gern und Zaudern der Par­teiführung verschuldet („Wer hat uns verraten?“). Das militärische Schei­tern war neben der schlechten Bewaffnung vor al­lem in der Hie­rar­chie begründet. Nach der Ver­haf­tung führender Schutzbündler war der Auf­stand kopf- und konzeptlos. Eigeninitiative und Selbst­ver­­antwortung als Basis der Militanz waren weniger gefragt. Die fatalste taktische Fehlein­schät­zung, die Neu­tra­li­tät des Staates, ist direkt aus den sozialdemokratischen Analysen von Kapi­ta­lis­mus, Staat und Fa­schismus zu erklären. Im Fa­schismus sahen die Aus­tromarxistInnen eine vorkapitalisti­sche Poli­tik­form und suchten daher das Bündnis mit den (angeblich auch durch den Faschismus be­drohten) KapitalistInnen. Neben dem Reformis­mus orientierte die Sozialde­mokra­tie auf ein Gleich­ge­wicht der Klassenkräfte und die Klassenhar­mo­nie. Der Republikanische Schutzbund sollte nur als Druck­­mittel dienen.

Allein schon diese kurze Aufzählung lässt erahnen, dass der Februar 1934 zwar ein Ereignis in der Geschichte der Sozialdemokratie ist, aber die heutige Linke genau das aus dem Scheitern lernen kann, was die Sozialdemokratie so oder so nie wag­­te auszudenken: Die Einbeziehung des Staa­tes in die Kritik der herrschenden Verhältnisse, die Ab­leh­nung von Hierarchie und Führungs­per­so­nen und die Überwindung des Reformismus hin zur so­zialen Revolution.

1 Andreas Rasp: Der Februar 1934 als praktische Kritik des Austromarxismus: Drei Thesen, in: der streit – Zeitschrift für Kultur, Politik und Wissenschaft, Nr. 34, März 1988

Veranstaltungsreihe „Der 12. Februar 1934“
(Detailierte Informationen und Programm: Siehe Hot-spotsZ)
Ausstellung Thomas Fatzinek: Als die Nacht begann
Fr 06. bis Sa 14. Februar, KAPU/Silage-Raum
Kommentierter Dokumentarfilmabend
Do 12. Februar 19.00 h, KAPU/Dachstock
Stadtwanderung zu historischen Schau­plät­zen mit Alex Schacht
Sa 14. Februar 12.00 h
Eine Veranstaltungsreihe der KAPU in Kooperation mit dem Info­­laden Treibsand.
www.kapu.or.at, treibsand.servus.at

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02/09
FotoautorInnen: 
Thomas Fatzinek

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