Der antifaschistische Aufstand des 12. Februar 1934
Am 12. Februar 1934 begann – ausgehend von Linz – gegen den Willen der Parteiführung der bewaffnete Aufstand eines Teils der sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung gegen den Austrofaschismus.
Was war dieser verzweifelte und von Militär, Polizei und Heimwehr niedergeschlagene Aufstand des Republikanischen Schutzbundes? Wie war es dazu gekommen, welche politisch-ideologischen und taktischen Fehleinschätzungen begünstigten das Scheitern, wo und wie wurde versucht, sich dem ausbreitenden Faschismus entgegen zu stellen und welche Lehren können daraus gezogen werden?
Der 12. Februar 1934 kann nur im Kontext der Ereignisse der 20er Jahre und der austromarxistisch geprägten Sozialdemokratie verstanden werden – im Spannungsverhältnis der revolutionären Stimmung nach dem ersten Weltkrieg und der Arbeiter- und Soldatenräte, den bis dahin für unmöglich geglaubten sozialpolitischen Errungenschaften (wie Reformpädagogik, Acht-Stunden-Tag und sozialer Wohnbau) sowie der kompromissorientierten und zögernden Haltung der Parteiführung.
Aufgrund der immer handgreiflicher ausgetragenen Konflikte zwischen der Sozialdemokratie und der Christlich-Sozialen Partei und einer nicht sehr stark ausgeprägten Staatsgewalt entwickelten sich Anfang der 20er Jahre die Wehrverbände der Parteien, allen voran der Republikanische Schutzbund und die Heimwehr. Schon damals entschied sich der Schutzbund für eine heeresähnliche Struktur und gegen das von Theodor Körner – auch theoretisch ausgearbeitete – Guerillakonzept, das in vielem an die „freie Föderation unabhängiger Gruppen“ des kollektivistischen Anarchismus erinnert. Wie sich später zeigte, ein folgenschwerer Fehler.
Weitere Stationen der gesellschaftlichen Militarisierung waren der Mord eines Kriegsinvaliden und eines Kindes während einer Demonstration des Republikanischen Schutzbundes Anfang 1927 in Schattendorf, der Freispruch der Mörder und die darauf folgende große Demonstration am 15. Juli 1927 in Wien, bei der der Justizpalast in Flammen aufging und an die 90 DemonstrantInnen von der Polizei erschossen wurden. Spätestens seit dem Korneuburger Eid vom 18. Mai 1930 waren die Ziele der Christlich-Sozialen, einen katholischen, österreichischen, faschistischen Staat zu errichten, klar ausgesprochen. Die sozialdemokratischen Eliten jener Zeit zeichneten sich zwar durch einen bemerkenswerten Verbalradikalismus aus, verstanden es aber, die zum Aufstand strebende Basis der Bewegung immer wieder zu befrieden und zu beschwichtigen.
Nach der Ausschaltung des Parlaments durch Dollfuß 1933, dem Verbot der KPÖ und des Schutzbundes und dem immer größeren Druck der Heimwehr auch die sozialdemokratische Partei zu verbieten, reichte es den GenossInnen um den Parteisekretär und Schutzbundführer Richard Bernaschek in Oberösterreich. Bei einer Waffensuche der Polizei im „Hotel Schiff“, dem Parteihaus in der Linzer Landstraße (Anm. der Red.: derzeit „Ruhepol“), wurde bewaffnet Widerstand geleistet. Bald darauf wurde auch in anderen Teilen von Linz gekämpft, doch stand der Schutzbund nicht wie erwartet alleine der Heimwehr gegenüber, sondern einer gut funktionierenden Koalition von Heimwehr, Polizei und Militär. Von der vermuteten Neutralität des Staates konnte keine Rede sein. Weitere Kampfhandlungen fanden in Linz um den Jägermayerhof am Freinberg, um das Parkbad und die Schiffswerft, die Eisenbahnbrücke, den Wirtschaftshof, die Diesterwegschule, um die Volksfesthalle am Hessenplatz und am Bulgariplatz statt. Zentren der Auseinandersetzungen in Oberösterreich waren darüber hinaus Steyr, das Hausrucker Kohlenrevier Holzleiten und Ebensee. Weitere Kämpfe gab es im Roten Wien und in der Nordsteiermark um Bruck an der Mur.
Der Aufstand wurde nieder geschlagen. Der austrofaschistische Ständestaat hatte sich endgültig durchgesetzt und fungierte durch die Unterdrückung der linken ArbeiterInnen und die Einführung einer klerikal-faschistischen Gesellschaftsordnung als Wegbereiter und Steigbügelhalter für die NS-Bewegung, die 1938 die Macht übernahm. Dieser antifaschistische Aufstand war (obwohl er oft als solcher bezeichnet wird) kein Bürgerkrieg. Das Ziel war nicht die Macht im Staate, sondern die Verteidigung des legalen demokratischen politischen Raumes. Die revolutionärsten Teile der ArbeiterInnenschaft versuchten, die bürgerliche Demokratie gegen den Faschismus zu verteidigen.
Der Versuch einer historischen Einordnung muss zwangsläufig ambivalent ausfallen. Auf der einen Seite waren die Kämpfe in jenen kalten Tagen des Februar 1934 der erste nennenswerte bewaffnete Versuch der progressiven Kräfte den Faschismus aufzuhalten – und der einzige im deutschsprachigen Raum. Viele Aktive aus den Februartagen fanden danach den Weg nach Spanien und in den militanten Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Auf der anderen Seite war das Scheitern der Sozialdemokratie nicht speziell sondern grundsätzlich. „Nicht jede politisch-ideologische Strömung wird durch erlittene Niederlagen auch inhaltlich widerlegt, aber im Fall des Austromarxismus trifft dies tatsächlich zu.“1 Das Scheitern des Aufstandes als Bewegung war durch das Zögern und Zaudern der Parteiführung verschuldet („Wer hat uns verraten?“). Das militärische Scheitern war neben der schlechten Bewaffnung vor allem in der Hierarchie begründet. Nach der Verhaftung führender Schutzbündler war der Aufstand kopf- und konzeptlos. Eigeninitiative und Selbstverantwortung als Basis der Militanz waren weniger gefragt. Die fatalste taktische Fehleinschätzung, die Neutralität des Staates, ist direkt aus den sozialdemokratischen Analysen von Kapitalismus, Staat und Faschismus zu erklären. Im Faschismus sahen die AustromarxistInnen eine vorkapitalistische Politikform und suchten daher das Bündnis mit den (angeblich auch durch den Faschismus bedrohten) KapitalistInnen. Neben dem Reformismus orientierte die Sozialdemokratie auf ein Gleichgewicht der Klassenkräfte und die Klassenharmonie. Der Republikanische Schutzbund sollte nur als Druckmittel dienen.
Allein schon diese kurze Aufzählung lässt erahnen, dass der Februar 1934 zwar ein Ereignis in der Geschichte der Sozialdemokratie ist, aber die heutige Linke genau das aus dem Scheitern lernen kann, was die Sozialdemokratie so oder so nie wagte auszudenken: Die Einbeziehung des Staates in die Kritik der herrschenden Verhältnisse, die Ablehnung von Hierarchie und Führungspersonen und die Überwindung des Reformismus hin zur sozialen Revolution.
1 Andreas Rasp: Der Februar 1934 als praktische Kritik des Austromarxismus: Drei Thesen, in: der streit – Zeitschrift für Kultur, Politik und Wissenschaft, Nr. 34, März 1988
Veranstaltungsreihe „Der 12. Februar 1934“
(Detailierte Informationen und Programm: Siehe Hot-spotsZ)
Ausstellung Thomas Fatzinek: Als die Nacht begann
Fr 06. bis Sa 14. Februar, KAPU/Silage-Raum
Kommentierter Dokumentarfilmabend
Do 12. Februar 19.00 h, KAPU/Dachstock
Stadtwanderung zu historischen Schauplätzen mit Alex Schacht
Sa 14. Februar 12.00 h
Eine Veranstaltungsreihe der KAPU in Kooperation mit dem Infoladen Treibsand.
www.kapu.or.at, treibsand.servus.at
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