Burnout-Biennale?

Im Kulturbetrieb gibt es eine Biennale – oder fallweise Triennale – der kaum Beachtung geschenkt wird: In unterschiedlich dichten Wellen werden die Geschäftsführungen vieler Kulturinitiativen ausgeschrieben – manchmal nur vereinzelt, manchmal in überraschendem Umfang: heuer KAPU, Radio FRO, FIFTITU%, qUjochOE, Pangea, MAIZ, …. – Stadtwerkstatt und KUPF wurden letztes Jahr neu besetzt.

Die verwunderlich hohe Fluktuation im auf den ersten Blick sehr attraktiven Arbeitsfeld Kultur­ma­nagement wirft Fragen auf. Wechseln erfolgreiche ManagerInnen in noch attraktivere Po­siti­onen oder ist das Burnout-Syndrom (Manager­neu­sprech) für die hohe Fluktuation verantwortlich?

Einen kurzen Rundruf unter Geschäftsführer­In­nen der freien Szene verkneife ich mir – ich kann mir auch so den tiefen Atemzug der KollegInnen vorstellen, bevor ich eindeutige Antworten auf meine Frage erhalten würde. Also Telefonkosten und Zeit sparen und retour zum Hausverstand.

Viel Arbeit für wenig Geld reicht aber nicht aus, um die hohe Fluktuation zu begründen – das wäre höchstens eine plausible Begründung, falls sich kaum Menschen um diese Jobs bewerben wür­den. Aber offensichtlich handelt es sich hier um Getriebene, die mit Leidenschaft an einer Sa­che arbeiten und unter Selbstausbeutung ganze Arbeit für halbe Kohle leisten. Die „neuen“ Ge­schäfts­führerInnen kommen meist aus der Ini­ti­a­tive selbst – leisteten bereits vorher ein hohes Aus­maß an ehrenamtlicher Tätigkeit für die Initi­ative – die Position der Geschäftsführung er­scheint oft als Auszeichnung für das unbezahlte Engagement der letzten Jahre. Mit der neuen Po­si­tion bleibt aber der Gruppendruck – das vorherige ehrenamtliche Engagement wird weiter er­wartet, zusätzlich zum Job mit weitreichender Ver­antwortung (Budget/Förderabrechnungen, …) und das bei schlechter Bezahlung – oft unter NGO Niveau. Auf Grund der eigenen Geschichte sind die GeschäftsführerInnen mit der Initiative meist zutiefst verwurzelt – mensch will nur das Beste – und liefert sich damit einen weiteren, dies­mal intrinsisch motivierten Grund zur Selbst­ausbeutung.

Dazu kommen noch die Burnout-Faktoren wie „fal­sches Bild des Berufsstatus in den Medien“, „hohe Arbeitsbelastung“, „zeitraubende Verwal­tungs­arbeit“ (Förderanträge, Förderabrechnung, Projektberichte, …), „wenig Entscheidungs­frei­heit“ und vor allem „fehlende Entwicklungsper­spek­tiven“.

Welche Kulturinitiative hat sich in den letzten Jahren weiterentwickeln können? Welcher wurden von der Stadt Linz neue Gestaltungs­spiel­räu­me ermöglicht1 Welche Initiative der freien Szene hat in den letzten Jahren auch nur annähernd je­ne Fördersumme lukriert, die bspw. die Freunde des Brucknerorchester2 jährlich erhalten?

Warum erhalten freie Initiativen nicht die Ar­beitsbedingungen zugestanden, die Kulturein­rich­­tungen der Stadt Linz wie Posthof, Bruckner­haus oder AEC zugestanden werden? Warum wird hier professionelle Arbeit verlangt, bei un­pro­fes­sio­nel­len und unfairen Arbeitsbe­dingun­gen?

Ist eine Misere über Jahre bekannt, wirft das die Frage auf, warum wird sie nicht geändert? Wer ist für die Misere verantwortlich? Und wer profitiert davon, dass hier engagierte Menschen sich in den Kulturbetrieb schmeißen und nach einigen Jahren enormer Selbstausbeutung wie Stern­schnuppen verglühen? Dass jenes „Humankapi­tal“, das die vielen Kulturmanagementlehrgänge jährlich auf den Markt werfen, ungeniert verbraucht wird?

Profiteure der Situation sind die Entscheidungs­träger in der Politik. Seit Jahren findet sich die freie Szene immer wieder groß gewürdigt in den Imagebroschüren der Stadt Linz, Linz als Kultur­stadt, als Ort der Kreativität – die freie Szene als ein prägender Einfluss des Kulturprofils und als Pfeiler der Bewerbung zur Europäischen Kultur­hauptstadt 2009? Mit geringstem finanziellem Ein­satz wird ein maximales Kulturangebot produziert, das einerseits beste Repräsentations­flä­chen für die Politiker bietet und andererseits der Hebung der Lebensqualität dient. Der Wirt­schafts­­standort wird gestärkt und somit wird insgesamt an einer Entwicklung gearbeitet, die für die nächste Lokalwahl die Wiederwahl gewährleisten soll. Warum sollten die Entscheidungsträger am Kul­turbudget etwas ändern, solange „das Werkl“ funk­tioniert?3 Bleibt bloß die Frage, was kann von Sei­ten der Initiativen getan werden? Soll jede Kul­turinitiative ihr Cafe eröffnen, um zu überleben? Oder kann die Politik akzeptieren, dass auch im Bereich der freien Initiativen eine faire Bezah­lung notwendig ist? Wie wird ein Förderantrag von Kulturstadtrat Watzl bewertet, wenn für professionelle Arbeit auch professionelle Entloh­nung kalkuliert wird, wenn es jetzt schon Initi­a­ti­ven gibt, denen nur 3,9% ihres Jahresbudgets als Förderung zuerkannt wird?

Bleibt vorerst nur die Selbsthilfe, indem die Ar­beitszeiten der Geschäftsführungen so geregelt wer­den, dass keine zusätzliche ehrenamtliche Ar­beit erwartet wird – wenn schon schlecht be­zahlt, dann wenigstens alle Stunden bezahlen, die auch gearbeitet wurden. Dann bleiben die Ge­schäftsführerInnen länger vorm Burnout be­wahrt und den Initiativen länger erhalten – Know-How kann gesichert werden und Arbeitser­fahrungen gehen nicht so schnell verloren.4  

Alltags-Zynismus ist übrigens ein Symptom für Burnout-Ge­fähr­dung – neben sexueller Lustlosig­keit – aber wer gibt das schon zu ;-)

1    Zum 80.000,– Euro Jahresbudget einer Kunstinitiative steuerte Kulturstadtrat Watzl 3.000,– Euro bei – trotz über 60 Mitwirken­den, 22 Ausstellungen, 6 nationalen und 3 internationalen Kunst­projekten?
2    Förderung durch das Kulturamt der Stadt Linz 36.000,– Euro pro Jahr
3    Dass zuwenig Geld vorhanden sei, ist schon lange nicht mehr glaubwürdig – alle kulturellen Institutionen der Stadt Linz werden für 2009 fit gemacht – AEC, Stadtmuseen, die Musikschule – und dass die AEC-Erweiterung auch zusätzliches Budget für Produktion und Personal benötigt, ist logisch – ebenso wie der Musiktheaterneubau!
4    Es gibt derzeit eine neue Geschäftsführung in der freien Szene, die so ausgeschrieben wurde – mal beobachten, ob damit das Burn-Out hinausgezögert werden kann.

8
Zurück zur Ausgabe: 
11/06

& Drupal

spotsZ - Kunst.Kultur.Szene.Linz 2006-2014