Da fehlt irgendwie das Werkzeug
Gleich zu Beginn verweist die Kunst- und Literaturwissenschafterin Johanna Schwanberg auf die Mannigfaltigkeit der aktuellen Bezüge, die aus der Perspektive „Text – Bild“ herstellbar sind. So arbeiten sowohl die derzeit im Linzer Lentos ausgestellte Johanna Kandl, als auch der in Wien ausgestellte Raymond Pettibon mit Text und Bild auf einer zweidimensionalen Bildfläche. Wenngleich die Kontextualität der beiden genannten Künstler in mehrerlei Hinsicht doch sehr unterschiedlich ist (subtil gemalte Genreszenen von der Mikroökonomie der privaten Globalisierung bei Johanna Kandl vs. popkulturelle Zeichnungen der alptraumhaften Verwerfungen des American Dream bei Pettibon: unvergessen hier natürlich die Cover von Sonic Youth), kann wohl die in den einleitenden Exkurs eingebrachte Feststellung belegt werden, dass die Lingualisierung von Bildkunst aus einer mehr als tausend Jahre dauernden Tradition heraus bis heute ihre Fortsetzung findet und die gemeinsame Text- und Bildpraxis im 20. Jahrhundert (seit der Avantgarde) eine extreme Annäherung erfahren hat. Johanna Schwanberg verweist ebenso auf den zur Zeit in Oberösterreich gezeigten Günther Brus, der sich mit seinen Bilddichtungen ebenso in beiden Sparten bewegt, oder auf zahlreiche Künstler und Künstlerinnen aus dem Bereich Literatur, die in Buchform mit den beiden Komponenten Text und Bild arbeiten.
Mit der allgemein anerkannten These der extremen Phase der Annäherung von Text und Bild (vom Theoretiker Wolfgang Max Faust sogar als „genuine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts bezeichnet), ist aber offensichtlich das Paradoxon entstanden, dass sich Künstler und Literatinnen, die sich in beiden Sparten und vielmehr auch dazwischen bewegen, mit relativ strikten Systemtrennungen und ganz viel luftleerem Raum zwischen den Atmosphären der einzelnen Kunstwelten konfrontiert sehen. So bezieht sich der Titel „Da fehlt uns irgendwie das Werkzeug“ auf eine Aussage einer Theoretikerin, wie man mit bimedialen Arbeiten überhaupt umgehen könne. Was könnte nun dieses Werkzeug aber sein? Es scheint über das vielfältige Fehlen von geeigneten Rezeptionsfeldern (Ausstellungsräume, Verlage, Besprechungen, etc.) großes Lamentieren zu geben. Zum einen zeigte man sich deswegen umso erfreuter, mit der Galerie maerz überhaupt einen traditionell mehrdimensionalen Raum (Literatur, Bildende Kunst, Musik) gefunden zu haben, um dem Abend den geeigneten Rahmen geben zu können. Zum anderen brachte man das „Werkzeug“ der Analyse an diesem Abend quasi auch selbst mit: Der Initiator des Abends, der Bild-Text-Künstler Harald Gsaller, hat sich mit seinem multidisziplinären Künstlerkollegen Andreas Karner die bereits eingangs erwähnte Kunst- und Literaturwissenschaftlerin Johanna Schwanberg in seine Arbeitsgruppe geholt, um dem Thema überhaupt seinen Referenzrahmen abstecken zu können.
Dabei scheint es für die heutige Zeit charakteristisch zu sein, dass dem Fehlen auf der einen Seite sehr oft eine Überfülle auf der anderen Seite gegenübersteht. Für die theoretische und methodische Bearbeitung des Feldes bedeutet dies laut Schwanberg eine geradezu „labyrinthische Unübersichtlichkeit“ aus den Feldern Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft, Medientheorie, Philosophie, Kulturtheorie, Semantik und wohl auch zu einem großen Teil Popkultur. Diese Unübersichtlichkeit der Bezugnahmen schlägt sich dann wahrscheinlich in der „vollkommenen Verunsicherung“ nieder, die Andreas Karner seitens der Kunstwelten verortet, wenn Künstler und Künstlerinnen nicht nur eine Sparte bedienen wollen, sondern sich (möglicherweise) auch gemäß ihrer lebensumweltlichen Kunst- und Alltagserfahrung simultan den Dingen widmen möchten, um der Komplexität und der Inflation von gegenwärtiger Welt künstlerisch überhaupt noch irgendwie standhalten zu können.
Jedenfalls praktizierte man an diesem Abend die gegenseitige Erhellung von Theorie und Praxis: Schwanberg leitete das Themenfeld ein, zuerst Andreas Karner und dann Harald Gsaller zeigten Beispiele und Sequenzen ihrer Arbeit. Dabei wurden von Andreas Karner Zeitungen, Postwurfsendungen, Notizzetteln, sowie andere „Nebensächlichkeiten“ und weggeworfene Dinge zu klassischen Bleistiftzeichnungen, Collagenblättern, Tagebüchern und Text-Objektbildserien verarbeitet. Er bezeichnete seine Arbeit „als Spiel mit Andeutungen und versteckten Hinweisen“, welches verschiedene Bedeutungszusammenhänge benutzt sowie konstruiert. Harald Gsaller startete seine Präsentation mit Arbeiten, die bereits 1988 in der Galerie im Posthof gezeigt wurden und die sich mit dem Lesen von Blindenschrift beschäftigten und ging chronologisch weiter zu historischen Bild-Textmanipulationen, Collagen und einem starken Fokus zu emblemhaften Text-Bild-Symboliken. Jedenfalls findet auch er immer wieder Dinge und Sätze im persönlichen Umfeld, „die schon fertig sind“ und die er in seine Arbeit übernimmt.
In einem nochmalig auf die Bilder rückbezüglichen Theorieteil wurde auf schön transparente Weise vorgezeigt, dass Kunst ohne dazugehörigen Kunstdiskurs kaum gemacht werden kann, dass ie Kunst in erster Linie auch durch theoretischen Diskurs kontextualisiert wird. Die gegenseitige Erhellung von Theorie und Praxis funktionierte jedenfalls dann am besten, wenn sie den direkten Ansätzen der realen künstlerischen Praktiken nahe blieb. Und so beschloss man die Veranstaltung auch mit Praxis: mit Arbeiten, in denen sich die Künstler im Spiel um Text, Bild, Andeutung und Brechung wechselseitig aufeinander bezogen.
Zwei klassische Zeichnungen, die auf die Annäherung und Verwachsenheit von Text und Bild hindeuten könnten: „Wald verschlucke mich“ von Andreas Karner, kommentiert mit: „der Wald ist der Ort, wo alles mögliche sein kann“ und der Tiger von Harald Gsaller, demgemäß der Schriftzug „Weile“ total in das Bild integriert sei und der seinerseits „so gewachsen sein könnte“.
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