Großes Herz und offene Ohren – 20 Jahre music unlimited in Wels

Über Musik schreiben! An und für sich schon ein Widerspruch. Wie dann aber über Musik schreiben, die noch gar nicht entstanden ist, die das prozesshafte Werden betont und erst im Augenblick der Aufführung erlebbar ist. Genug Schwierigkeiten also, und dennoch der Versuch, ein Festival in Oberösterreich zu würdigen, dessen VeranstalterInnen auch nach 20 Jahren nicht müde werden, Neues zu entdecken und Bekannterem den wohl verdienten Platz zu geben.

20 Jahre ein Festival zu veranstalten ist ja schon mal nicht schlecht. Dass dies aber seit 20 Jahren im Kontext minimaler Strukturen, ehrenamtli­cher (Selbst-)Ausbeutung und Litern von Herz­blut passiert, sind wohl nur einige der zwingenden Garanten für das Gelingen von music unlimited in Wels. Dass gerade in Wels vor 20 Jahren ein internationales Festival für Jazz und improvisierte Musik aus der Taufe gehoben wurde, ist auch lokalpolitisch höchst interessant. Im Be­reich dieser musikalischen Stilrichtungen scheint sich alles in den Regionen abzuspielen – Ulrichs­berg, Diersbach, Wels – al­lein die Landes­haupt­stadt liegt im Aufgreifen dieser Spielarten darnieder. Das muss aber nichts Schlechtes sein. Ein Motto, das die VeranstalterInnen von music unlimited – der Kulturverein waschaecht – stets be­her­zigt ha­ben, liegt darin verborgen: Die Ränder sind meistens interessanter als das Zentrum, die Grenzbereiche spannender als die Durch­schau­bar­keit. Hier soll keine lokalchauvinistische Keu­le geschwungen werden, sondern versucht werden, einem Phänomen näher zu kommen. 20 Jah­re music unlimited ist ein Beweis für die Wan­delbarkeit und Flexibilität freier Kultur­ini­tia­ti­ven. Die Starrheit war bei waschaecht noch nie Programm, und so ist auch die Erweiterung von music unlimited in seiner programmatischen Viel­­falt bemerkenswert. War am Anfang doch ein gewisser Purismus im Umgang mit der musikalischen Auswahl spürbar, kamen bald die ersten rock-affinen Töne in das Festivalgeschehen, spalteten bald die ersten Com­pu­ter auf der Bühne das Publikum und ließen lupenreine Dance- und Hip­Hop-Acts so manchen Zweifel an der Bezeichnung „Jazzfestival“ laut werden. Und durchaus berechtigt ist der Zweifel, denn ein Jazzfestival ist music unlimited schon lange nicht mehr, wenn es denn je eines wahr. Ganz im Zeichen dieser Erweite­rung ist auch die Jubiläumsausgabe zu sehen. Oder wie es Wolfgang Wasserbauer, „Erfinder“ des Festivals, im Vorwort zur Fes­ti­val­broschüre auf den Punkt bringt: „Zwischen Iswhats?! Hop­Hop Fred Friths Gitarrenausflügen, The Ex’ lautstarkem Rock, der zarten Langsam­keit von here comes the sun, den schönen Gesängen der Char­ming Hostess, John Butchers revolutionärem Sa­xo­phonstil, Irene Schweizers Klavier­sound, Ca­mel Zekris algerisch inspirierten Tönen, Moham­med Jimmy Mo­ham­meds souligen Ethiopiques, Tho­mas Lehns elektro-akustischen analogen Klän­gen, Wolfgang Mitterers Verbindung von Kir­chenorgel und Elek­tronik, der kammermusikalischen Herangehensweise des Queen Mab Trios, dem Pop-Appeal von Wolke is immer 5 und dem ver­schmitzten Spielwitz von Attwenger sehen wir keine Veranlassung, stilistische Unterschiede mit Qualitätsunterschieden gleichzusetzen. Program­ma­tische Offenheit und die Präsentation eines gleichberechtigten Nebeneinanders verschiedener Aus­drucksformen sind uns wichtiger als das Fest­halten an starren, bewährten Konzepten“.

Für die Musik gilt bei music unlimited immer: Da­rauf einlassen. Wasch­aecht setzt nicht nur mit dem Festival, aber gerade dort, bewusste Akzente gegen ein bloßes Konsumieren, das im Kultur­be­reich so en vogue ist, dass jedes noch so kleine Kon­zert zum Event hochstilisiert wird. Music un­limited ist kein Event. Music unlimited ist die Be­gegnung mit vielleicht Neuem, das Wiedersehen mit Altbekanntem. Es ist aber – neben der Musik – auch das Erleben eines Prozesses. Diesen Pro­zess, oder auch dieses Phänomen, hat Andreas Fellinger 2003 in der Welser Rundschau als „soziales Gesamt­kunstwerk“ beschrieben. Dieses soziale Gesamtkunstwerk macht zu einem Großteil die Einzigartigkeit einer Atmosphäre aus, wie sie einmal im Jahr bei music unlimited zu spüren ist. Und es ist dem Kulturverein waschaecht zu verdanken, dass sie auch für das Publikum und die eingeladenen Mu­si­ker­Innen spürbar ist. Wasch­aecht ist sich seiner Rolle als autonome Kul­tur­initiative bewusst. Neben einer „sozialen“ Ver­ant­wortung übernehmen re­gionale Kulturinitiativen auch eine „Politische“, und diese wird bei wasch­aecht, gerade im Kontext von music unlimited 20 ernstgenommen. Dem dumpfen Antirassismus ös­ter­reichischer Prägung setzt waschaecht bewusst die Kraft der Symbole entgegen, und montiert die Zeichen der türkischen Fahne (Halbmond und 5Zack) auf dem Plakat zum Festival. Und auch dass die klassische Reproduktion tradierter Ge­schlechterrollen nicht immer zwin­gend ist, zeigt ein erfreulich hoher Anteil an ProtagonistInnen auf der Bühne des Festivals.

Doch all diese Schreibe entbindet nicht davon, dass es beim Festival um Mu­sik geht. Und diese ist nicht beschreibbar. Sie ist erlebbar im wahrsten Sinne des Wortes, oder wie es waschaecht in seinem Positionspapier nennt, in leibhafter Aus­einandersetzung. Und dem sei nichts mehr hinzuzufügen.

Music unlimited:
10.-12. November 2006, Alter Schl8hof & andere Orte in Wels.
Tel: 07242/563765, Mail: office@waschaecht.at
www.waschaecht.at, www.musicunlimited.at

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