Literatur als Utopie und Verfransung
Als Hommage zu seinem anstehenden 50. Geburtstag richtet die Künstlervereinigung MAERZ nun eine von Florian Neuner kuratierte Veranstaltung aus, die mit Elfriede Czurda, Gerhard Rühm und Ulrich Schlotmann drei für Steinbachers eigenes Schreiben wichtige Positionen vorstellt.
Seit seiner 1984 erfolgten Übersiedlung nach Linz widmet sich dieser ganz der Literatur. Nicht nur als Autor, sondern auch als Initiator, Vermittler und Kurator etwa des seit 2005 alle zwei Jahre stattfindenden Poesiefestivals „Für die Beweglichkeit“ oder der vierteljährlichen „Linzer Notate“ der Künstlervereinigung MAERZ ist Steinbacher seither in Erscheinung getreten. Zwischen 1994 und 2000 fungierte er zudem als Herausgeber von „Blattwerk“ im selbst gegründeten gleichnamigen Verlag. Mit AutorInnen wie Waltraud Seidelhofer oder Andreas Okopenko positionierte sich die insgesamt 31 Titel umfassende Buchreihe einerseits gegenüber der Tradition einer österreichischen Literaturavantgarde, für die ab den späten 1960er-Jahren Heimrad Bäckers „edition neue texte“ stilprägend war. Mit der Präsentation von Arbeiten von Judith Fischer, Ronald Pohl oder Franzobel erschloss Blattwerk andererseits Positionen, die die kritische Reflexion über Fragen der Form mit aktueller literaturgeschichtlicher Debatte und originellen Sujets zu paaren verstanden. Dadurch rückten Formen künstlerischer Interdisziplinarität, für die etwa Bodo Hell, Angelika Kaufmann oder Fritz Lichtenauer exemplarisch einstehen, erneut in den Mittelpunkt einer Beschäftigung mit poetischen Verfahrensweisen, die im konsequenten Ineinander von Text und Bild der Edition ihre vielgestaltige Entsprechung fand.
Dieses Ineinander kennzeichnet auch Steinbachers eigenes Arbeiten, das unter Poesie seit jeher „die kreativen Prozesse des Herstellens, Machens und Vermittelns“ jenseits tradierter Gattungsgrenzen fassen will. In seinem Werk bilden theoretische Reflexion und praktisches Tun keinen Widerspruch, sondern knüpfen vielfältige Beziehungen, die die klassische Rollenteilung des etablierten Literaturbetriebs bewusst zu unterlaufen suchen. Literatur ist für Steinbacher eine Lebensform, ein Mittel zur Kommunikation, wie auch an seinen zahlreichen Gemeinschaftsarbeiten (u.a. mit Christoph Herndler, Franzobel, Elisabeth Wandeler-Deck) deutlich wird. Dementsprechend ist Dichtung nicht von der Philosophie, der Verleger nicht vom Autor, der Essayist nicht vom Dichter, der Leser nicht vom Schreiber zu trennen, der dem romantischen Gestus vom autonom agierenden Dichter-Ich zum Trotz Zuflucht bei einer Diskussion sucht, die Literatur mehr als Hervorbringer neuer Weltentwürfe denn als Abbild bestehender Wirklichkeiten verstehen möchte. Literatur als Utopie, die ihre exemplarische Gestaltung in Werken so unterschiedlicher DichterInnen wie den nun in die MAERZ-Galerie geladenen Elfriede Czurda, Gerhard Rühm und Ulrich Schlotmann oder bei Zsuzsanna Gahse, Florian Neuner, Oskar Pastior und Paul Wühr findet, denen Steinbacher wichtige Impulse für sein eigenes Schreiben verdankt. Bei seinen beiden großen Prosabüchern „Die Treffsicherheit des Lamas“ und „Für die Früchtchen“ handelt es sich folgerichtig um poetische Lektüreberichte und seine Gedichte kennen neben Widmungen auch „Anrufungen“, die auf die differenzierte Weiterführung vergessener literarischer Traditionslinien anspielen und diese bisweilen widerstreitend in die eigene dichterische Stimme zu integrieren suchen. Texte, die allesamt einem „HOFFEN AUF VERFRANSUNG“1 geschuldet sind, das dort beginnt, wo die Welt als Sinnüberschuss in der eigenen Dichtung die Überhand gewinnt.
Dementsprechend erweist sich Steinbacher als Meister der Anverwandlung, der es in Prosa wie Lyrik gleichermaßen versteht, vorgefundenes Textmaterial in neue Kontexte zu übersetzen, um Silben, Phonemen oder einzelnen Wörtern überraschende Bedeutungen abzuringen: „Durchleuchtungen, die auch die jeweils rückwärtige Seite, das was sich hinter den Begriffen verbirgt, sichtbar werden lassen.“2 Literatur als lustvolles Spiel mit der Dekonstruktion, das nach neuen Genres wie „Zierleisten“, „Mehrzweckklemmen“, „Textmieder“ und „Maul-Würfe(n)“ verlangt, als endlose Fort- und Umschreibung des sich Ereignenden: „Und das, was da dann drauf folgte, war sowieso nicht mehr zählbar, sondern wieder einmal nur etwas durcheinander geraten.“3
1 „der wandel motzt“, Seite 48
2 Franzobel über „Spiel mit 28 Steinen“, in: „Zwölf Dutzend“, Seite 4
3 „Die Treffsicherheit des Lamas. Oder: Von Melancholien, Maul-Würfen und deren Zurückweisung“, Seite 149
linzer notate 2/10: Ein literarischer Abend mit Franz Dodel, Christian Filips und Barbara Köhler, Moderation: Christian Steinbacher. Di 06. April, 19.30 h, Künstlervereinigung Maerz
linzer notate 3/10: Ein literarischer Abend für Christian Steinbacher zum 50sten mit Elfriede Czruda, Gerhard Rühm und Ulrich Schlotmann, Moderation: Florian Neuner. Mo 26. April, 19.30 h, Künstlervereinigung Maerz
Mittagslesung & Mittagstisch: OÖ AutorInnen lesen aus ihren Werken: Christian Steinbacher. Es wird serviert: Tomatensuppe. Do 29. April, 12.30 h, StifterHaus
& Drupal
spotsZ - Kunst.Kultur.Szene.Linz 2006-2014