Same world, different Planets
Lange bevor das Kulturhauptstadtjahr startete, gab es diverse Ankündigungen einer „Linz09-Zeitung“, dann gab es den nicht zustande gekommenen „Falter-Deal“, und am Ende natürlich ein Linz09-Programmheft, den „Neuner“. Darüber hinaus gab es in den Kooperationen eine starke Ausrichtung in Richtung „große“ Medien wie zum Beispiel OON oder ORF. Was Medien betrifft, was war da seitens Linz09 eigentlich Politik?
Martin Heller: Eine eigentliche Medienpolitik hat Linz09 nicht betrieben. Das wäre zu hoch gegriffen. Die Sache verhält sich einfacher. Unsere oberste Sorge war, die eigenen Anliegen und insbesondere natürlich das Programm der Kulturhauptstadt möglichst gut zu kommunizieren. Darum der „Neuner“, und darum Medienkooperationen in viele Richtungen. Wobei ich nicht verschweigen will, dass uns die regionale wie auch die nationale Medienlandschaft, in der wir agierten, wenig international ausgerichtet und kaum als diskursfreundlich erschien – zwei Aspekte, die uns wiederum äußerst wichtig waren.
Ende 2009 liefen Gerüchte, dass der „Neuner“ nach dem Kulturhauptstadtjahr als Stadtzeitung weitergeführt werden sollte. In einem Gespräch, das wir mit Wolfgang Höttl (Chefredakteur des „Neuner“) Anfang Dezember des Vorjahres vereinbart hatten, stellte sich heraus: Dass es diesbezüglich seitens Linz09 keinerlei Interesse mehr gebe. Allerdings bekundete er persönlich ein Interesse an einem solchen Projekt und meinte, dass es möglich sei, eine „kritische Stadtzeitung“ in der Auflage von 30.000–40.000 Stück im Großraum Linz zu etablieren. Nach einem Gespräch mit einem politischen Vertreter der Stadt Linz war sein Vorhaben aber Ende Dezember bereits auch schon wieder Geschichte. Ich fasse zusammen, dass der Falter trotz kräftiger Finanzspritze seitens Linz09, Stadt Linz, Land OÖ keine Linz-Beilage machen wollte/konnte. Dass Linz09 trotz des bekannten Budgets diesbezüglich nichts zuwege gebracht hat. Für die Zukunft ist das ein doch sehr deutlich negatives Signal an die hiesige Politik zum Thema „Stadtzeitung“. Ich meine nun: Dies ist nicht nur nicht „nachhaltig“, sondern geradezu kontraproduktiv.
M.H.: Ein finanzielles Engagement zugunsten eines Nachfolgemediums für den „Neuner“ hätte Linz09 juristisch gar nicht tätigen dürfen. Denn: Unsere Aktivitätsdauer ist klar limitiert. Aber natürlich würden wir jede verbesserte Reflexion von Kultur in Linz sowie eine umfassende Information in medial stimmiger Aufbereitung begrüßen – deren Notwendigkeit und Akzeptanz hat beispielsweise der „Neuner“ ja klar erwiesen. Nur muss sich dafür eine Konstellation herstellen lassen, die inhaltlich und ökonomisch trägt, und hier sind wir nicht mehr die richtigen Adressaten. Fazit: Was wir mit unserer Kommunikation gerade einem kulturell ungeübteren Publikum gegenüber zustande gebracht haben, darf sich sehen lassen – weitertragen müssen diese Impulse nun andere.
Nun eine Frage mit wahrscheinlich komplexen Hintergründen: Wir von spotsZ haben bereits Ende 2007 unser Projekt „Stadtkulturzeitung“ (mit Vertretern einiger Linzer Kulturhäuser) Linz09 vorgestellt, bzw. das Entwicklungspotential eines solchen Projektes in Richtung Stadtzeitung umrissen. Es ging da um ein paar tausend Euro, die wir aus damaliger Sicht für einen bedarfsorientierten Ausbau in den Raum gestellt hatten. Von Ulrich Fuchs kam das Argument, dass Linz09 hier kein Geld geben könne, „da sich Linz09 von einer Zeitung wie spotsZ ja Kritik erwarte“ – und diesbezüglich ein Interessenskonflikt entstehen würde, „wenn Linz09 da fördert“. Das entspricht weder einer zeitgemäßen Förderpolitik noch einer Praxis, die durch Linz09 dann mit dem Falter eingegangen hätte: Dem Falter wurde in Zusammenschluss von Stadt, Land und Linz09 900.000,– Euro geboten, für drei Jahre – eine stolze Summe, für den Falter allerdings um 600.000,– Euro zu wenig. Die oft zitierten Schlagworte von „Kritik“ und „Finanzierungsschwierigkeiten“ geraten hier in eine Unverhältnismäßigkeit, die wir als bodenlos empfinden. Wie argumentieren Sie hier?
M.H.: Ich würde von jedem direkten Vergleich zwischen der Falter-Initiative und dem Projekt „Stadtkulturzeitung“ absehen. Hätte der Falter – analog zu Graz – wirklich nach Linz expandiert, so hätte dies eine in verschiedener Hinsicht massive und positive Veränderung der oberösterreichischen Pressesituation bedeutet. (Wobei ich wiederum als Außenstehender anmerke, dass die Praxis exorbitant hoher Presseförderung, die in Österreich bei solchen Schritten als selbstverständlich vorausgesetzt wird, mich im Grunde befremdet, weil sie verdeckte Abhängigkeiten noch und noch samt weiteren Begehrlichkeiten produziert.) Uli Fuchs wiederum hat sich auf die Tatsache bezogen, dass eine durch die Kulturhauptstadt umfassend geförderte lokale 09-Kritik den KritikerInnen wohl etliche Glaubwürdigkeitsprobleme beschert hätte: Was gewiss auch im Rückblick nachvollziehbar ist.
spotsZ hat sich seit Bestehen als Kulturprojekt definiert – genauer gesagt als bedarfsorientiertes Medienexperiment in Richtung Stadtzeitung. Wir meinen, dass wir hier, was das Agieren in einer Stadt von mittlerer Größe und natürlich die spezifischen Linzer Begebenheiten betrifft, eine Art Expertentum entwickelt haben; welches mit struktureller und finanzieller Begleitung von Linz09 aus unserer Sicht zu vielerlei gewinnbringenden Ergebnissen geführt hätte: Für spotsZ in einem quantitativen und qualitativen Ausbau, für Linz09 zu einem exemplarisch begleiteten, innovativen Projekt und für die Stadt zu einem nachhaltig wirksamen Medium. Wir meinen, dass es speziell hinsichtlich des Kulturentwicklungsplanes und der darin festgeschriebenen Bedeutung freier Szenen eine Verpflichtung seitens Linz09 und seiner Entscheidungsträger gewesen wäre, hier ein Coaching zu betreiben, dass sich in erster Linie einmal mit dem hier Vorhandenen auseinandersetzt – was strukturelle wie inhaltliche Rahmenbedingungen anbelangt. Wir haben nun durch Ihre Kontaktaufnahme im Jänner 2010 überhaupt das erste Mal seitens Linz09 Interesse verspürt, sofern man das so sagen kann, weil Linz09 ja schon vorbei ist – um an der Reflexionsreihe zu Linz09 teilzunehmen. Nun im Nachhinein – sehen Sie dieses Desinteresse als Versäumnis?
M.H.: Ich sehe die Situation, die Sie beschreiben, doch wesentlich anders. Weil ich der Auffassung bin, dass so etwas wie eine Stadtzeitung dann interessant ist, wenn sie nicht eine Szene vertritt, sondern in unterschiedlichste Bereiche ausgreift. Und damit eine Opposition aufgibt, die meines Erachtens ohnehin längst nicht mehr sinnvoll noch wirksam ist, um nach anderen kulturellen Verständnis- und Handlungsmustern zu suchen. Von solcher Offenheit konnte jedoch bei Ihrem damaligen Projekt keine Rede sein. Diskussionsversuche in diese Richtung blieben regelmäßig stecken, und auch die schließliche Performance von spotsZ während der Kulturhauptstadt-Zeit schien mir doch stark selbstreferentiell zu sein. Umso wichtiger, dass wenigstens jetzt gemeinsam nachgedacht wird – vielleicht fällt das uns allen im Nachhinein leichter.
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spotsZ - Kunst.Kultur.Szene.Linz 2006-2014