Alle haben geglaubt, Linz braucht das nicht

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Der Stadtkeller ist seit Anfang 2009 ein zentraler Veranstaltungsort in Linz, er wird betrieben vom eigens dafür gegründeten Verein „happening KV“, dem neben Hans Kropshofer, Clemens Bauder, Markus Gruber, Amir Andamy mittlerweile viele MitarbeiterInnen angehören. Hans Kropshofer über den Stadtkeller und wie es weitergehen könnte.

Zwischennutzung ist das zentrale Thema, auch um für spätere NutzerInnen wie etwa die Kunstuniversität ein möglichst offenes Vorfeld und ein Be­wusst­­sein für diesen Raum als Kunstraum zu schaffen. Nun, nach einem Jahr und mit einem Jahr Vertragsverlängerung seitens der Eigentümerin – der Bun­des­­immobiliengesellschaft – im Rücken, stellt sich für Hans Krops­hofer die etwas paradoxe Frage danach, wie er und seine MitarbeiterInnen damit um­gehen, dass dieser temporär angedachte, zwischengenutzte Raum von vie­len mittlerweile als selbstverständliche, ständige Einrichtung gesehen wird.

Ich verabrede mich mit Hans Kropshofer an einem Freitag um 6 Uhr abends im Stadtkeller. Außerdem verabrede ich mich dort zur gleichen Zeit mit mei­nem neuen Kollegen an der Kunstuniversität, einem jungen, deutschen Künstler, der Linz noch nicht so lange kennt, und den ich ganz gerne benutze, um einen distanzierten Blick auf etwas zu bekommen, das ich kenne. Linz wird so durch die Augen eines Fremden wieder interessant oder offenbart seine Schwächen. Alexander Glandien zeigt sich überrascht, als er hört, dass der Stadtkeller, mit dem er im vergangenen Sommer erstmals in Kontakt gekommen ist, eigentlich nur als Zwischennutzung konzipiert ist.
Also hat Hans Kropshofer – während er nach einem völlig versemmelten ersten Schlag versucht, den Ball aus dem Sand zu putten – Gelegenheit al­les, von vorne und noch mal jemandem zu erzählen, der die Geschichte noch nicht kennt. Der Kulturarbeiter mit Augenmerk auf Stadtentwicklung, prozesshaftes Arbeiten und Untersuchungen im öffentlichen Raum entdeckt den Stadtkeller, ein ehemaliges Restaurant im Keller des rechten (oder linken, je nachdem von welcher Seite man es betrachtet) Brückenkopf­gebäu­des. Das Gebäude, in dem bis vor kurzem das Finanzamt untergebracht war, gehört der Bundesimmobiliengesellschaft, kurz BIG. Hans fährt im Herbst 2008 nach Wien, und bekommt prompt einen Mietvertrag für den Keller, so rasch, dass ihm und seinen MitstreiterInnen nur 2 Monate Zeit bleiben, ein Programm auf die Beine zu stellen. Dem Stadtkeller fehlen zu diesem Zeit­punkt funktionierende Toiletteanlagen, Strom, Licht, Brandschutztüren, da­für hat er eine Atmosphäre, die durch die noch vorhandene Restaurant­ein­rich­tung aus den 30er Jahren und den kompletten Mangel an Tageslicht entsteht. Mit einem Startkapital von EUR 10.000,– – Investitionsförderung seitens der Stadt Linz – und mit dem Wissen, dass allein die Instandsetzung der Sanitäranlagen und der Stromversorgung fast EUR 30.000,– kosten, er­öffnet der Stadtkeller gemeinsam mit der Kulturhauptstadt und entwickelt sich ein Jahr lang, ohne ein Linz09-Projekt zu sein, zu einem der wirklich span­nenden Orte der Stadt. Musik, Buchpräsentationen, Theater, bildende Kunst, Flohmärkte – alles findet hier Platz und Gehör, und schließlich auch seit Oktober 2009 ein Golfparcour. Mit dem, wie alles hier, vollständig und ausschließlich aus geschenkten, gefundenen Materialien errichteten Par­cour stoßen Kropshofer und sein mittlerweile auf 20–30 Menschen angewachsenes Team auch auf massives Medienecho, erzählt dieser, während Alexander Glandien an Loch drei und einem Baumstamm verzweifelt. Ein Freizeitangebot – wenn man so will – für die ganze Familie, das völlig ohne Kommerz auskommt und nebenbei die Geschichte des Gebäudes thematisiert. Holz, Rasenteppiche, Röhren, Hula-Hupp Reifen, Straßenschilder, Übrig­gebliebenes aus Landesmuseumsausstellungen – alles wird hier verwertet, bewusst werden Hinweise auf die ehemalige Nutzung als Küche und Res­tau­rant beibehalten, egal ob Fliesen, Eckbänke, Holzvertäfelungen. Die Golf­schläger und -bälle werden vom Golfclub Feldkirchen zur Verfügung ge­stellt, deren Mitglieder auch zum Spielen kommen und sich an dem verdammt schwierigen Parcour versuchen. Wir sind mittlerweile bei Loch 5 angekommen, Glandien liegt etwas überraschend in Führung und wir be­schließen den Deutschen besser im Auge zu behalten. Mittlerweile, so Hans Kropshofer, während er den Ball mit Karacho in dem kleinen Wasserbecken versenkt, gäbe es Stammkunden, Väter mit ihren Kindern etwa, die einmal wöchentlich spielen. Ein durchwegs vielschichtiges Publikum, das sich auch bei anderen Veranstaltungen und in der Bar im Erdgeschoß wieder findet. Und das sei durchaus gut so, zu viele Orte in Linz seien zu sehr abgeschottet, zu sehr besetzt durch ihre Betreiber und das Publikum, das diese anziehen. Durch formale Vorgaben seitens der Besitzerin, nämlich alles rasch wie­der rückbauen zu können, bekommen die einzelnen Räume ein offenes, beiläufiges Flair – ein Flair, das für Linz ungewohnt ist, bemerkt auch mein mitgebrachter Indikator Alexander Glandien. Ob es ihm nicht schwer falle, sich von all dem wieder trennen zu müssen, fragt er und meint, ihm, dem Zu­gezogenen, dem noch mindestens drei Sommer in Linz bevorstehen, falle es jedenfalls schwer, sich vorzustellen, auf den improvisierten Gastgarten etwa verzichten zu müssen. Und Hans Kropshofer gesteht ein, dass ein vollständiges Aus für den Stadtkeller nach einem Jahr tatsächlich nicht mehr das ist, was er sich wünscht, schon allein wegen der vielen Menschen, die hier auch temporär zumindest geringfügige Beschäftigungsmöglichkeiten ge­funden haben. Markus Gruber etwa, Kunstuniabsolvent und Pächter der Bar im Erdgeschoß, richtet sich gerade eine kleine Werkstatt im Keller ein, in der er an seinen Kartonschiffen baut. Seit dem Sommer 2009 gibt es auch einen neuen Gastgarten auf der kleinen Terrasse vor der „Grubar“, einem bis dahin wenig bis überhaupt nicht wahrgenommenen oder gar benutzten öffentlichen Raum. Die Auflage, für eine Absturzsicherung zu sorgen, wur­de in gewohnter Weise erfüllt: Wo andere vielleicht aufgegeben hätten, weil das Geld für ein höheres Geländer fehlt, wurden hier einfach geschenkte, lange Holzlatten montiert, das einzige, wofür man Geld ausgeben musste, waren Schrauben. Die Tatsache, dass man kaum Zeit hat, wird als positiver Zwang zu Flexibilität und Kreativität genutzt. „Wir müssen einfach schnell und spielerisch handeln, weil wir nicht wissen, wie lange es uns überhaupt gibt,“ so Kropshofer. Dieser Gastgarten, im Übrigen eine konsumzwangsfreie Zone, soll vor allem einladen, sich Gedanken über weitere brachliegen­de öffentliche Flächen im Zentrum der Stadt und deren Nutzung durch Bür­gerInnen zu machen. Ein Anspruch, gesellschaftspolitischer und künstlerischer Natur, der Kropshofer auch in anderen Projekten stets wichtig war. Momentan aber macht er sich vor allem Gedanken darüber, wie es nun wei­tergeht, auch weil Geld fehlt, Geld für Eigenveranstaltungen, mit denen er etwa junge Linzer Bands fördern würde. EUR 1.500,– kostet es, den Saal überhaupt als Konzertraum samt Technik benutzbar zu machen. 2000 eh­ren­amtliche, unbezahlte Stunden seien bisher angefallen, eine prekäre Situ­ation, die er vor allem seinen PartnerInnen nicht länger zumuten möchte. Auch wenn Kropshofer nicht vereinnahmt werden will, so sieht er mittlerweile doch eine Verantwortung seitens der Kulturpolitik, die erkennen müsste, welchen Wert die hier geleistete nicht-kommerzielle Kulturarbeit hat. Schließlich habe man Räume strukturell und inhaltlich wiederbelebt, die ansonsten als Extremitäten einer toten Immobilie mitten in der Stadt vor sich hin rotten würden. Immer mehr Menschen kämen mit immer neuen Ide­en für einzelne Projekte, die Küche werde auch außerhalb der Öffnungs­zeiten genutzt, der Golfparcour zählt mittlerweile wie erwähnt zum fixen Sonn­tagnachmittagsprogramm vieler Familien und es gäbe immer mehr An­fragen für die Nutzung des großen Saals im Keller – das alles zeige, so Hans Kropshofer, dass nicht nur Bedarf an Räumen wie dem Stadtkeller herrsche, sondern vor allem, dass Partizipation, Mitwirkung, kreative Nut­zung ohne den Stempel Creative Industries erwünscht ist und ermöglicht werden kann.

Den Vertrag jedenfalls hat die BIG gerade um ein ganzes Jahr verlängert, und Kropshofer ist zuversichtlich, dass die Eigentümerin an einer weiteren Nutzung interessiert ist, da seine Gesprächspartner bei der BIG ihm Aner­kennung signalisiert haben für das, was er und sein Team hier innerhalb kürzester Zeit auf die Beine gestellt haben. Ohne diese Unterstützung, be­tont Kropshofer, hätte das hier nie funktioniert, und ohne einen richtigen Vertrag hätte er das Projekt Stadtkeller auch nie durchgezogen, sie seien schließlich keine Hausbesetzer. In diesem Sinne führt er bereits Gespräche bezüglich einer späteren Kooperation mit der möglichen Nachnutzerin Kunst­universität, der, so Kropshofer, fehle es sowieso an geeigneten, offenen Räum­lichkeiten. Die Bar allerdings, die solle auf alle Fälle bleiben, hier ge­he es schließlich um Arbeitsplätze. Ebenso wie beim Golfparcour, wo auch bis zu vier Menschen geringfügig als Betreuungspersonal angestellt sind.
 
Ohne diese Menschen ginge sowieso nichts, betont Hans noch einmal, der bereits nach neuen Orten und Plätzen schielt. Die Tabakwerke, natürlich, wa­­rum nicht, vielleicht aber auch etwas ganz Anderes, bis dato Unent­deck­tes. Die Stadt, auch das beweist sich mit dem Stadtkeller, ist schließlich ein großer, weiter Spielplatz voll unbekannter Orte und Plätze. Es braucht nur SpielerInnen.
 

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02/10
FotoautorInnen: 
Weihbold

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