Peter Prinzip und Märchen Land
Peter Land ist mit der derzeit laufenden Ausstellung Darlings zum zweiten Mal in der Landesgalerie zu Gast, die Ausstellung wurde von der Landesgalerie gemeinsam mit dem Kopenhagener Kunstforeningen GL STRAND und der Fondazione March in Padua organisiert. Darlings zeigt die neuesten Gemälde und eine Skulptur des Künstlers, die um die Themen Kinder und Kindheit kreisen, sowie als mentale Erinnerungsbilder den Blick des Erwachsenen auf das Kind richten. Vor Darlings aber zuerst ein Rückblick auf eine andere Schaffensphase: Im Vorjahr war Peter Land bereits in der Landesgalerie bei der Ausstellung Scheitern mit zwei Videoarbeiten vertreten, mit Pink Space und The Lake. Kurzzusammenfassung der Videoarbeiten, die unter anderen Arbeiten bereits in den 1990er Jahre entstanden sind: In Pink Space betritt ein mittelmäßiger Entertainer die Bühne und versucht sichtlich betrunken zu Klaviergeklimper einen Barhocker zu erklimmen. Es gelingt ihm nicht, und die intendierte Unterhaltung kippt ins Mitleiderregende. Beim anderen Video The Lake inszeniert Peter Land seinen eigenen Tod als Untergang im Wasser eines Waldsees. Zu diesem Zwecke hat er sich als Jäger verkleidet, der zuerst durch den Wald streift, ein Boot besteigt und dann mit seinem Gewehr ein Loch in den Boden des Bootes schießt. Danach wartet er stoisch sitzend auf das Versinken im See. Eine zugehörige Fotoserie zu dieser Arbeit hat übrigens die Künstlervereinigung Seccession neben Arbeiten anderer Künstler im Mai 2000 als Kommentar „zur aktuellen politischen Situation in Österreich“ auf die Wiener Seccession projiziert, dementsprechend möchte man gleich Wikipedia zitieren, demnach sich (das) Land mit einer „burlesken Repräsentation männlichen Scheiterns“ beschäftigt hat; oder das allseits bekannte Peter-Prinzip anführen, demnach alle und alles solange in Positionen aufsteigen, bis es zur völligen Überforderung kommt – was rundherum so einiges über die handelnden Protagonisten und gegenwärtigen Verhältnisse erklärt.
Zurück aber zu Peter Land. Laut Ausstellungskatalog zu Scheitern finden sich in seinen Arbeiten „wahre Paradiese des Scheiterns“, und das ist deshalb interessant, weil sich das Scheitern zum einen an einer individuell/gesellschaftlichen brutalen tektonischen Zone abspielt – in Pink Space wird Peter Land als Kunstgestalt „zu einem ironischen Stigma im Gesicht des persönlichen Erfolges, der Normalität und Normativität“. Und diese individuell/gesellschaftliche Zone sich andererseits selbst als zunehmend sehr empfindlich erweist, was Sinnproduktion anbelangt. Dementsprechend kommentiert Land zu The Lake: „Diese Arbeit dreht sich um mein Gefühl beim gescheiterten Versuch, Bedeutung auf persönlicher wie künstlerischer Ebene zu erzeugen. Das Gefühl, etwas Bedeutungsvolles tun oder sagen zu müssen; mich einbringen zu müssen; dass jedoch der mentale Apparat für solch eine Tat kollabiert oder verdampft ist und ich verstumme“. Besonders interessant ist dies, wenn man so eine Scheitern-Kunst ins Verhältnis zur klassischen Avantgarde setzt: Wollte letztere die Kunst neu definieren, in dem sie festgefahrene ästhetische Konventionen durchbrach und das damit Alte abschaffte (was Publikum und Kritik oftmals als barbarischen Einbruch erlebten), scheint eine Kunst des Scheiterns zwar die ästhetischen Konventionen der Kunst zu akzeptieren, innerhalb des aufgespannten Rahmens aber nichts weniger als sich selbst abschaffen zu wollen (was Publikum und Kritik oftmals als Ironie empfinden). Dementsprechend sagt Land zu The Lake, dass er das Augenmerk auf den unmöglichen Versuch gelenkt habe, „sich die Welt ohne sich selbst darin vorzustellen“. Dass die Welt nach dem eigenen Tod weitergehe, habe er immer als beängstigend empfunden, „obwohl dieser Gedanke eigentlich beruhigend sein müsste“. Soll wahrscheinlich bedeuten, dass Ironie auch nicht ernstlich eine Haltung auf Dauer sein kann, sondern in einer ebenso zunehmend komplexen wie fordernden Gesellschaft eher aus Ermangelung einer sonstig akzeptablen Haltung passieren muss.
Themenschwenk vom Scheitern zu den Kindern. Seit einigen Jahren beschäftigt sich Peter Land wieder mit Malerei und Skulptur, seinen ursprünglichen Ausdrucksmitteln, die er zuerst auf Grund einer respektablen Krise vor den übergroßen Traditionen der bildenden Kunst in Richtung Video verlassen hatte. Video schien damals relativ neu und unbelastet zu sein, stellte für Land eine Revision seines persönlichen und künstlerischen Selbstverständnisses dar. Sein wesentliches Interesse, das Absurde, Sonderbare und Unverständliche als grundlegende Faktoren menschlicher Existenz darzustellen, das Reale zu parodieren, setzte sich trotz schockhaften Verlassens des Mediums Video aber fort. Ergebnis waren zahlreiche zeichnerische und installative Arbeiten, die sich mit dem Thema Kinder und Kindheit beschäftigten, zuerst in einer alptraumhaften, finster-idyllischen Weise. Die Arbeit playground, die 2005 auf der Biennale von Venedig gezeigt wurde, zeigt etwa eine düstere Installation eines Mädchens und eines Jungen, zwischen denen ein Ball monoton und endlos lange hin und her rollt. Andere, vor allem zeichnerische oder Aquarellarbeiten thematisierten den Verlust der Kindheit und das bedrohliche Einbrechen der erwachsenen Welt durch Einflüsse von Balthus oder des Chicagoer Außenseiterkünstlers Henry Darger, die nicht selten Idylle oder phantastisches Gemetzel zitierten, um den kindlichen Blick zumindest durch einen Blick auf Kinder zu ersetzen, in all ihren tatsächlichen und aus erwachsener Sicht unterstellten Eigenschaften. Dieser Narrationsstruktur folgte auch Peter Land, allerdings in einer zunehmend weniger distanzlosen romantisierenden bzw. zerstörerischen Weise. Zwar interessiert sich Land noch immer für „Extreme und menschliche Grenzfälle“, wie etwa historisch gesehen für diverse größenwahnsinnige römische Kaiser oder allgemeiner gesagt, für Grenzfälle „extrem asozialen Verhaltens in unserem mediengeprägten Alltag“. Die in der Ausstellung gezeigten aktuellen Kinderporträts erlauben allerdings eine Sichtweise, die einen Wechsel zwischen theatraler Beobachtung von außen und Anteilnahme an diversen darstellerischen Brüchen, an körperlichen Handikaps, der situativen Furcht oder der Absurdität der kindlich eingenommenen (historischen) Rollenbilder ermöglichen. Dies einerseits deswegen, weil die Kinderporträts eine kräftige, farbige Vitalität ausstrahlen, die in gewisser Weise eine märchenhafte Widerstandskraft ausstrahlen, andererseits weil sich der Künstler mit seinen dargestellten Protagonisten in einem spielerischen Rückgriff die Traditionen der Kunstgeschichte wieder einverleibt – so spielt Land mit Referenzen u.a. der Genremalerei des 19. Jahrhunderts, mit byzantinischer Ornamentik oder kunsthistorischen Positionen von Bruce Nauman bis Edgar Degas, die in einem kreativen Akt der spontanen Leichtigkeit und des parodistischen Involvierens umgewertet werden.
Und noch einmal Kinder zum Schluss: Die Ausstellung Darlings bildet auch eine Weiterführung des Themenschwerpunktes „Kinder!“ der Landesgalerie im Jahr 2007. Im Einführungstext über der Überschrift dieses Artikels wird aus dem „Aktivblatt für Besucher von 8-12 Jahren“ zitiert, dieser Text geht so weiter: „Der Künstler will uns mit seinen bunten Bildern von Kindern zum Nachdenken anregen. In welcher Situation befindet sich das dargestellte Kind gerade, was könnte es denken? Jedes Kind sieht anders aus. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten, die du, wenn du dir die Bilder ansiehst, sicher finden wirst.“ Mitschwingendes Fazit: Die Kinder werden wohl trotz ihrer Gebrechen oder der indifferenten Anforderungen durch die Gesellschaft erwachsen werden können und vielleicht dann auch noch ganz neue Avantgardekunst produzieren – oder sich in dieser Gesellschaft zumindest zu vitalen Monstern entwickeln. Wetten?
Zitate aus: Peter Land: Einige Anmerkungen zu meinen Arbeiten. Ausstellungskatalog des Kunsthauses Glarus, Stadtgalerie Kiel, 2000. Peter Land, Ausstellungskatalog der Landesgalerie Linz, des Kunstforeningen GL STRAND, Kopenhagen und der Fondazione March, Padua, 2007. Ausstellungskatalog Scheitern, Landesgalerie Linz, 2007.
Weitere Ausstellungen in der Landesgalerie
Inge Dick – Lichtzeiten, 06. März - 18. Mai, Eröffnung am 05. März, 19.00 h
In der bisherigen Werkentwicklung Inge Dicks erweisen sich Farbe, Licht und Zeit als konstituierende Faktoren ihrer künstlerischen Arbeit. Die Ausstellung der österreichischen Künstlerin konzentriert sich schwerpunktmäßig auf ihre Arbeiten mit Polaroid und versucht, diese Werkgruppe in ihrem fotografischen und malerischen Werk zu verorten. Als besonderes Highlight wird die Ausstellung erstmals auch eine filmische Arbeit Dicks vorstellen. Diese entstand in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Komponisten Roland Dahinden. Die im Film angelegte Visualisierung von Zeit führt dabei das zentrale Konzept der Fotografien von Inge Dick fort.
Katharina Hinsberg – Streifen, 06. März - 01. Mai, Eröffnung am 05. März, 19.00 h
In der Serie von raumbezogenen Ausstellungsprojekten konzipiert Katharina Hinsberg eine eigene Installation für den Wappensaal. Das Konzept trägt dabei von außen das Begriffsfeld der Zeichnung in den Ausstellungsraum. Papier und Linie werden von der Künstlerin so bearbeitet werden, dass die Ausstellung ab dem Zeitpunkt ihrer Eröffnung Einblick in einen Prozess liefern wird.
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