Peter Prinzip und Märchen Land

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Nachtrag zum Scheitern und vielleicht bald eine neue Kinderavantgarde? „In dieser Ausstellung siehst du die neuesten Arbeiten vom Künstler Peter Land. Er wurde 1966 in Dänemark geboren. Derzeit lebt und arbeitet er in Malmö, einer Stadt in Schweden.“ Der Künstler Peter Land wird derzeit in der Landesgalerie ausgestellt.

Peter Land ist mit der derzeit laufenden Aus­stel­lung Darlings zum zweiten Mal in der Landes­ga­lerie zu Gast, die Ausstellung wurde von der Lan­desgalerie gemeinsam mit dem Kopenhagener Kunst­foreningen GL STRAND und der Fonda­zio­ne March in Padua organisiert. Darlings zeigt die neu­esten Gemälde und eine Skulptur des Künstlers, die um die Themen Kinder und Kindheit kreisen, sowie als mentale Erinnerungsbilder den Blick des Erwachsenen auf das Kind richten. Vor Dar­lings aber zuerst ein Rückblick auf eine andere Schaffensphase: Im Vorjahr war Peter Land be­reits in der Landesgalerie bei der Ausstellung Schei­tern mit zwei Videoarbeiten vertreten, mit Pink Space und The Lake. Kurzzusammenfassung der Videoarbeiten, die unter anderen Arbeiten be­reits in den 1990er Jahre entstanden sind: In Pink Space betritt ein mittelmäßiger Entertainer die Büh­ne und versucht sichtlich betrunken zu Kla­vier­geklimper einen Barhocker zu erklimmen. Es gelingt ihm nicht, und die intendierte Unter­hal­tung kippt ins Mitleiderregende. Beim anderen Vi­deo The Lake inszeniert Peter Land seinen ei­ge­nen Tod als Untergang im Wasser eines Wald­sees. Zu diesem Zwecke hat er sich als Jäger verkleidet, der zuerst durch den Wald streift, ein Boot besteigt und dann mit seinem Gewehr ein Loch in den Boden des Bootes schießt. Danach wartet er stoisch sitzend auf das Versinken im See. Eine zu­gehörige Fotoserie zu dieser Arbeit hat übrigens die Künstlervereinigung Seccession neben Arbei­ten anderer Künstler im Mai 2000 als Kom­men­tar „zur aktuellen politischen Situation in Österreich“ auf die Wiener Seccession projiziert, dementsprechend möchte man gleich Wikipedia zitieren, demnach sich (das) Land mit einer „burlesken Repräsentation männlichen Scheiterns“ be­schäf­tigt hat; oder das allseits bekannte Peter-Prin­­zip anführen, demnach alle und alles solange in Positionen aufsteigen, bis es zur völligen Überforderung kommt – was rundherum so einiges über die handelnden Protagonisten und gegenwärtigen Verhältnisse erklärt.
Zurück aber zu Peter Land. Laut Ausstellungs­ka­talog zu Scheitern finden sich in seinen Arbeiten „wahre Paradiese des Scheiterns“, und das ist des­halb interessant, weil sich das Scheitern zum einen an einer individuell/gesellschaftlichen brutalen tektonischen Zone abspielt – in Pink Space wird Peter Land als Kunstgestalt „zu einem ironischen Stigma im Gesicht des persönlichen Er­fol­ges, der Normalität und Normativität“. Und die­se individuell/gesellschaftliche Zone sich andererseits selbst als zunehmend sehr empfindlich er­weist, was Sinnproduktion anbelangt. Dement­spre­chend kommentiert Land zu The Lake: „Diese Ar­beit dreht sich um mein Gefühl beim gescheiterten Versuch, Bedeutung auf persönlicher wie künst­lerischer Ebene zu erzeugen. Das Gefühl, et­was Bedeutungsvolles tun oder sagen zu müssen; mich einbringen zu müssen; dass jedoch der mentale Apparat für solch eine Tat kollabiert oder ver­dampft ist und ich verstumme“. Besonders in­te­ressant ist dies, wenn man so eine Scheitern-Kunst ins Verhältnis zur klassischen Avantgarde setzt: Wollte letztere die Kunst neu definieren, in dem sie festgefahrene ästhetische Konventionen durchbrach und das damit Alte abschaffte (was Publikum und Kritik oftmals als barbarischen Ein­bruch erlebten), scheint eine Kunst des Scheiterns zwar die ästhetischen Konventionen der Kunst zu akzeptieren, innerhalb des aufgespannten Rah­mens aber nichts weniger als sich selbst abschaffen zu wollen (was Publikum und Kritik oftmals als Ironie empfinden). Dementsprechend sagt Land zu The Lake, dass er das Augenmerk auf den un­möglichen Versuch gelenkt habe, „sich die Welt ohne sich selbst darin vorzustellen“. Dass die Welt nach dem eigenen Tod weitergehe, habe er immer als beängstigend empfunden, „obwohl dieser Ge­danke eigentlich beruhigend sein müsste“. Soll wahr­scheinlich bedeuten, dass Ironie auch nicht ernstlich eine Haltung auf Dauer sein kann, sondern in einer ebenso zunehmend komplexen wie fordernden Gesellschaft eher aus Erman­ge­lung einer sonstig akzeptablen Haltung passieren muss.

Themenschwenk vom Scheitern zu den Kindern. Seit einigen Jahren beschäftigt sich Peter Land wie­der mit Malerei und Skulptur, seinen ur­sprüng­lichen Ausdrucksmitteln, die er zuerst auf Grund einer respektablen Krise vor den übergroßen Tra­ditionen der bildenden Kunst in Richtung Video verlassen hatte. Video schien damals relativ neu und unbelastet zu sein, stellte für Land eine Re­vi­sion seines persönlichen und künstlerischen Selbst­verständnisses dar. Sein wesentliches Inte­resse, das Absurde, Sonderbare und Unver­ständ­liche als grundlegende Faktoren menschlicher Ex­istenz darzustellen, das Reale zu parodieren, setzte sich trotz schockhaften Verlassens des Me­di­ums Video aber fort. Ergebnis waren zahlreiche zeichnerische und installative Arbeiten, die sich mit dem Thema Kinder und Kindheit beschäftigten, zuerst in einer alptraumhaften, finster-idyllischen Weise. Die Arbeit playground, die 2005 auf der Biennale von Venedig gezeigt wurde, zeigt et­wa eine düstere Installation eines Mädchens und eines Jungen, zwischen denen ein Ball monoton und endlos lange hin und her rollt. Andere, vor al­­lem zeichnerische oder Aquarellarbeiten thematisierten den Verlust der Kindheit und das be­droh­liche Einbrechen der erwachsenen Welt durch Ein­flüsse von Balthus oder des Chicagoer Außen­sei­ter­künstlers Henry Darger, die nicht selten Idylle oder phantastisches Gemetzel zitierten, um den kind­lichen Blick zumindest durch einen Blick auf Kinder zu ersetzen, in all ihren tatsächlichen und aus erwachsener Sicht unterstellten Eigenschaf­ten. Dieser Narrationsstruktur folgte auch Peter Land, allerdings in einer zunehmend weniger distanzlosen romantisierenden bzw. zerstörerischen Weise. Zwar interessiert sich Land noch immer für „Extreme und menschliche Grenzfälle“, wie et­wa historisch gesehen für diverse größenwahnsinnige römische Kaiser oder allgemeiner gesagt, für Grenzfälle „extrem asozialen Verhaltens in un­serem mediengeprägten Alltag“. Die in der Aus­stellung gezeigten aktuellen Kinderporträts er­lau­ben allerdings eine Sicht­weise, die einen Wechsel zwischen theatraler Beobachtung von außen und An­teilnahme an diversen darstellerischen Brü­chen, an körperlichen Handi­kaps, der situativen Furcht oder der Absurdität der kindlich eingenommenen (historischen) Rollen­bil­der ermöglichen. Dies einerseits deswegen, weil die Kinderporträts eine kräf­­tige, farbige Vitalität ausstrahlen, die in gewisser Weise eine märchenhafte Widerstandskraft ausstrahlen, andererseits weil sich der Künstler mit seinen dargestellten Protagonisten in einem spielerischen Rückgriff die Tra­di­tionen der Kunst­ge­schichte wieder einverleibt – so spielt Land mit Refe­ren­zen u.a. der Genremalerei des 19. Jahr­hun­derts, mit byzantinischer Orna­men­tik oder kunsthistorischen Positionen von Bruce Nauman bis Ed­gar De­gas, die in einem kreativen Akt der spon­tanen Leich­tigkeit und des parodistischen Invol­vie­rens umgewertet werden.

Und noch einmal Kinder zum Schluss: Die Aus­stel­lung Darlings bildet auch eine Weiterführung des Themenschwerpunktes „Kinder!“ der Landes­galerie im Jahr 2007. Im Einführungstext über der Überschrift dieses Artikels wird aus dem „Ak­tivblatt für Besucher von 8-12 Jahren“ zitiert, dieser Text geht so weiter: „Der Künstler will uns mit seinen bunten Bildern von Kindern zum Nach­­denken anregen. In welcher Situation befindet sich das dargestell­te Kind gerade, was könnte es denken? Jedes Kind sieht anders aus. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten, die du, wenn du dir die Bilder ansiehst, sicher finden wirst.“ Mit­schwin­gendes Fazit: Die Kinder werden wohl trotz ihrer Gebrechen oder der indifferenten Anforderungen durch die Gesellschaft erwachsen werden können und vielleicht dann auch noch ganz neue Avant­gardekunst produzieren – oder sich in dieser Ge­sellschaft zumindest zu vitalen Monstern entwickeln. Wetten?

Zitate aus: Peter Land: Einige Anmerkungen zu meinen Arbeiten. Ausstellungs­katalog des Kunsthauses Glarus, Stadtgalerie Kiel, 2000. Peter Land, Ausstellungskatalog der Landesgalerie Linz, des Kunst­foreningen GL STRAND, Kopenhagen und der Fondazione March, Padua, 2007. Ausstellungskatalog Scheitern, Landesgalerie Linz, 2007.

Weitere Ausstellungen in der Landesgalerie
Inge Dick – Lichtzeiten, 06. März - 18. Mai, Eröffnung am 05. März, 19.00 h
In der bisherigen Werkentwicklung Inge Dicks erweisen sich Farbe, Licht und Zeit als konstituierende Faktoren ihrer künstlerischen Arbeit. Die Ausstellung der österreichischen Künstlerin konzentriert sich schwerpunktmäßig auf ihre Arbeiten mit Polaroid und versucht, diese Werkgruppe in ihrem fotografischen und malerischen Werk zu verorten. Als besonderes Highlight wird die Ausstellung erstmals auch eine filmische Arbeit Dicks vorstellen. Diese entstand in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Komponisten Roland Dahinden. Die im Film angelegte Visualisierung von Zeit führt dabei das zentrale Konzept der Fotografien von Inge Dick fort.
Katharina Hinsberg – Streifen, 06. März - 01. Mai, Eröffnung am 05. März, 19.00 h
In der Serie von raumbezogenen Ausstellungsprojekten konzipiert Katharina Hinsberg eine eigene Installation für den Wappensaal. Das Konzept trägt dabei von außen das Be­griffs­feld der Zeichnung in den Ausstellungsraum. Papier und Linie werden von der Künstlerin so bearbeitet werden, dass die Ausstellung ab dem Zeitpunkt ihrer Eröffnung Einblick in einen Prozess liefern wird.

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FotoautorInnen: 
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