Aus der Ferne – Dreizehn gute Jahre für Timotheus

AutorIn: 

Junge Menschen glücklich zu machen ist gar nicht so einfach. Junge Menschen glücklich zu machen, mit denen man durch ein Ver­wandt­­­schaftsverhältnis verbunden ist, ist noch etwas schwieriger. Junge Men­­schen glücklich zu machen, mit denen man durch ein direktes El­tern-Kind Verhältnis aneinandergekettet ist, ist praktisch unmöglich.

Möglicherweise wollen sie gar nicht glücklich gemacht werden. Lässt man sie ausschlafen, fragen sie: Warum hast du mich nicht ge­weckt? Schlägt man ihnen vor, ins Kino zu gehen, wollen sie Rad fahren. Und umgekehrt. Will man ihnen eine neue Hose kaufen, weil sie ständig auf die alte treten, weil die viel zu lang ist – wobei viel zu lang ja ein extrem dehnbarer Begriff ist – empfinden sie das als einen Akt von psychischer Grenzübertretung und Verletzung intimster Angelegenheiten. Bei Schuhen das gleiche Theater. Die Groß­mutter, die darf dann allerdings die alte Hose flicken und die neuen Schuhe kaufen, und das wird dann als fürsorglich empfunden. Groß­eltern und Enkel verbindet sowieso ein sehr geheimes und undurchschaubares Band von Verständigung. Als Mutter, noch dazu als al­lein erziehende, macht man aber eh sowieso wahrscheinlich alles falsch und legt, sofern sich das finanziell ausgeht, am besten mo­nat­lich etwas Geld auf ein Sparbuch, um dem derart tief verletzten Nachwuchs mit 18 Jahren nicht nur den Auszug aus der mütterli­chen Wohnung finanzieren zu können, sondern auch noch die ebenso dringend notwendige Psychotherapie, mit der er sich von all den ungeschickten Glücklichmach-Versuchen freireden kann. Solange, bis die Kinder selbst womöglich Kinder in die Welt setzen und die schreckliche Wahrheit hautnah erfahren.

Zu meinem eigenen Seelenheil werde ich mir jetzt ein 16 Bogen Pla­kat leisten, auf dem ich selbstzufrieden lächle und damit kundtue, dass jene 13 Jahre, in denen ich versucht habe, mein Kind zu er­zie­hen und glücklich zu machen, „13 gute Jahre“ waren. Ich werde mich ein wenig feiern lassen und weder Kind noch Großeltern er­wähnen, sondern so tun, als hätte ich alles höchstselbst und ohne fremde Hilfe täglich neu erfunden. Ich werde mit meinem Lächeln auch klar stellen, dass es niemanden in meiner Umgebung gibt, der den Job auch nur annährend so gut gemacht hätte, geschweige denn künftig machen würde. Konnte ja schließlich keiner damit rechen, dass das mit dem älter werden so verdammt schnell gehen würde.

Andere kommen übrigens auch auf so gute Ideen. Wer zwanzig Jah­re lang Papa war, der darf sich dann schon auch mal ein Plakat leisten, auf dem von 20 guten Jahren die Rede ist. Dass diese – im Üb­ri­gen unbestreitbar guten – 20 Jahre unter anderem auch deshalb gut waren, weil die Großeltern schon mal ein paar Ideen und somit den Grundstein gelegt hatten, darüber muss man ja nicht allzu laut und schon gar nicht auf diesem Plakat sprechen. Auch die Groß­eltern-Jahre waren nicht gerade schlecht, und die Enkel wissen das, sind aber höflich genug, dem Papa das nicht merken zu lassen. Ins­geheim aber wünschen sich die Enkel, also die Kinder, die vielleicht gerade zwanzigjährigen, dass doch sie auch mal auf diesen Plaka­ten zu sehen wären, und nicht immer nur der Papa, weil dann könnten sich die Menschen ein Bild von den zwanzig guten Jahren ma­chen, eines, das nicht immer nur den Papa zeigt, man könnte damit ja auch jenen bösen Stimmen entgegenwirken, die meinen, es seien 20 gute Jahre einzig und allein für den Papa gewesen.

Für alle, die sich darunter nicht viel vorstellen können, mache ich das jetzt mal vor und verabschiede mich von meiner eingangs ge­druckten Idee und lasse den 13jährigen ins Bild kommen. Waren ja schließlich in erster Linie – so hoffe ich doch – 13 gute Jahre für Timo­theus, die im Übrigen auch 13 gu­te Jahre für mich IN Linz be­deuten.

24
Zurück zur Ausgabe: 
03/08
FotoautorInnen: 
Wiltrud Hackl

& Drupal

spotsZ - Kunst.Kultur.Szene.Linz 2006-2014