„Der schnelle Tod eines Zeichners“ empfiehlt Comics!

David Mazzucchelli – Asterios Polyp. Ein Meilenstein der sequentiellen Erzählkunst. 10 Jahre in der Entstehung ist es ein Prachtexemplar mit innovativen Ansprüchen an die oft belächelte Comic-Kunst. Die Unwissenheit beißt sich den Schwanz ab und sollte nun endlich daran ersticken: Comic wird hier auf eine neue Ebene gehievt. Sorgfältig ausgewählte Farben und der großzügige Umgang mit Räumen spielen mit dem Betrachter. Ein „Farbleitsystem“ sozusagen, das durch die innere und äu­ßere Welt des Hauptprotagonisten in diesem grafisch extrem ansprechenden Werk führt. Ein „Object d’art“: Ausgewähltes Papier, wunderbar in der Hand liegendes Cover – ein Genuss, durch und durch. Symbole und Metaphern jagen die Leser­schaft durch die verschrobene Welt von Asterios, der Archi­tekt ist, aber nur theoretisch: Es wurde noch nie ein Gebäude nach seinen Plänen gebaut – aber auf der Suche nach sich selbst wird sich auch dies ändern ... Klassische Motive von Geschichten, die seit Jahrhunderten gleichen Mustern folgen und schwankend zwischen Tragödie, Orpheus in der Unter­welt und in Pynchonschen Parabeln zuhause sind. Flucht geht nur nach vorne. Wahrlich eine „grafische Novelle“, die jetzt schon als einer der großartigsten Comics aller Zeiten bezeichnet wer­den darf. Episch und ein wohl ewig nachwirkendes Breitwand-Erlebnis, das neues Land betritt.

Joe Sacco – Footnotes in Gaza. Ein weiterer Meilenstein – das kann man wie bei Asterios Polyp bereits kurz nach dessen Veröffentlichung sagen. 7 Jahre Entstehungszeit für dieses Meisterwerk des „Zeichnenden Journalisten“, wie sich Sacco selbst bezeichnet. Auf knapp 400 Seiten werden zwei Geschichten von Grenzdörfern im Gaza-Streifen in den historischen Kontext gerückt. Mit dem unbestechlichen Auge des Zeichners wundervoll, zumeist sehr schmerzhaft (es wird ja auch Gegenwarts-Geschichte erzählt ...). Jenseits seiner Jour­nalistInnen-Kollegen, die selten gut wegkommen, liefert er ei­nen einzigartigen visuellen Journalismus, der Erklärungen zur Entstehung und Gegenwart des Gaza-Streifens liefert. Zeich­nerisch befindet sich Sacco, der schon seit geraumer Zeit Prei­se einheimst und wunderbare Bücher, die sich mit „Kriegs­be­richterstattung“ beschäftigen (z.B. Safe Area Gorazde) veröffentlicht, wohl am Zenit seines Schaffens. Die Schwarz-Weiß schraffierten Detailbetrachtungen geben dem „Krisenherd“ Ga­­za-Streifen eine gespenstische Note, die einen genaueren Blick erlaubt als jede Film-Doku oder journalistische Berichte es ver­mögen. Das Medium Comic kommt bald dort an, wo es ei­gent­lich hingehört: Mehr als Film mit Worten, als direkter Draht zur „dritten Ebene“ – dort wo das Abenteuer im Hirn wei­ter geht.

Außerdem am Nachtkästchen. Al Columbia – Pim & Francie (verstörend), Matt Kindt – 3 Story (phantastisch), Takashi Ne­mo­to – Monster Men (durchgeknallt), Stripburger - Greetings from Cartoonia (wunderbar), Yoshihiro Tatsumi – A Drifting Life (Manga in den 50/60ern, Autobiografie)

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