Faschingsnasen, Versteck­spielchen und das Angewünschte

Das Festival der Regionen startet mit einem neue Führungsduo ins nächste Jahr und in Richtung Festival 2011. Gottfried Hattinger, ehemals Leiter der ars eclectronica, vielseitiger und viel beschäftigter Kurator, übernimmt die künstlerischen Agenden. Barbara Mitterlehner wird als langjähriges Teammitglied des FdR, u.a. als Geschäftsführerin 1998/99, die kaufmännische Leitung übernehmen.

Ein Gespräch mit Gottfried Hattinger und Barbara Mitterlehner. Auf­ge­zeich­net von Wolfgang Schmutz.

Ihr beide nehmt am 01.01. 2010 eure Arbeit als neues Leitungsduo des Festi­vals der Regionen auf. Wie sieht denn eure Kurzdiagnose der letzten Festi­vals aus, wie bewertet ihr die Arbeit von Martin Fritz?
Gottfried Hattinger: Also von meiner Seite aus werde ich da wenig sagen. Ich übernehme das ja ganz neu und die Arbeit des Vorgänger möchte ich da nicht kommentieren, auch wenn es eh nur Positives zu sagen gäbe.

Wie ist denn der generelle Eindruck vom letzten Festival, ohne auf den vorigen Leiter zu fokussieren?
GH: Das ist für mich schwer zu sagen, weil ich zu dieser Zeit im Ausland war. Vom Katalog her kann ich sagen, dass sehr schöne Projekte dabei wa­ren. Heuer gab es durch Linz09 sicher eine Ausnahmesituation, da das Fes­ti­val zu ersten Mal in einer Metropole stattgefunden hat, auch wenn es „nur“ der Stadtrand war. Das Festival soll ja eher Regionen betreuen, in denen nor­malerweise weniger Kunst- und Kulturveranstaltungen stattfinden. Es wird sicher ein Ziel sein, wieder eine kleinere Region auszusuchen.
Barbara Mitterlehner: Ich habe die letzten Festivals immer im Team mitverfolgt, ohne in den Entscheidungsgremien zu sitzen. Das was sich unter Martin Fritz im Vergleich zu früheren Festivals geändert hat, ist eine stärke­re Internationalisierung und eine stärkere Spezifizierung in Richtung bil­den­de Kunst. Aber das immer mit dem Fokus auf – soziale Interventionen sagt man ja nicht mehr – auf Projekte jedenfalls, die einen Schwerpunkt in diesem Bereich gehabt haben.

Martin Fritz hat das in den Begriff „Biennale für ortsspezifische Kunst“ ge­fasst. Welche Definition sitzt bei euch im Hinterkopf?
GH: An sich ist das eine gute Definition. Es wird sicher eine der Strategien sein – auch wenn ich in Wirklichkeit keine Stratege bin, sondern die Dinge gerne assoziativ entwickle – dass man vorhandene Strukturen sehr stark ein­bindet und animiert. Die Crux ist es ja, sich wirklich auf einen Ort einzu­lassen und nicht eine Faschingsnase hinzupflanzen. Man muss sich ansehen, welche Strukturen es gibt, welche Leute dort wohnen. Ein anderer As­pekt wird natürlich die thematische Orientierung sein, die man neben ei­nem Schwerpunkt auf der heimischen Szene auch mit überregionalen und internationalen Kräften bestückt.

Das beschreibt wunderbar, wo das Festival momentan steht. Mich würde aber auch interessieren, in welche Richtung es in Zukunft gehen soll. Im State­ment des Festivalvorstandes wurde die Entscheidung für den neuen künstlerischen Leiter u.a. mit dessen „präzisen konzeptuellen Überlegungen“ be­grün­det. Da bin ich jetzt natürlich neugierig!
GH: Ein Konzept von meiner Seite hat es im Prinzip nicht gegeben. Es gab sehr anregende Gespräche, in denen man abgeklärt hat, was meine Position ist, was ich bisher gemacht habe. Das Konzept wird entstehen, wenn der Ort feststeht. Ich möchte das stark von den dortigen Gegebenheiten aus entwickeln. Ich will nicht, dass man vorher ein artifizielles Konstrukt erfindet und dann versucht, es irgendwie zu füllen. Das ist so gar nicht meine Ar­beits­wei­se.

Die nunmehr beim FDR vollzogene personelle Trennung von kaufmännischer und künstlerischer Leitung trifft man immer häufiger an. Welche Vor- und Nach­teile seht ihr in dieser Konstruktion?
BM: Ich glaube, dass eine solche Aufteilung generell sehr sinnvoll ist, weil die Ressourcen oder die Qualitäten für das jeweilige Aufgabengebiet meistens nicht in einer Person vereint sind. Bei Martin Fritz hatte man beide Qua­litäten in einer Person, darum hat man es auch auf einen Leiter reduzie­ren können. Man wollte sich jetzt aber nicht im Vorhinein einschränken und hat das wieder geteilt.

Diese Trennung stand schon vor der Ausschreibung fest?
BM: Es war zumindest angedacht.
GH: Im Prinzip ist es ja keine Trennung, sondern eine Zusammenführung. Für einen künstlerischen Leiter ist es absolut luxuriös, eine kompetente und erfahrene Geschäftsführung zu haben. Ich habe oft genug erlebt, dass die künstlerische Planung von administrativen Dingen aufgefressen wird und in­sofern ist das ein absolut geglückter Zusammenschluss. Ich werde einfach alles was gelingt auf meine Kappe nehmen und alles …
BM: (Lacht) Das ist jetzt aber neu! Dafür darf ich mich hinter dir verstecken, bei den Medien beispielsweise.
GH: Und ich verstecke mich dann hinter dem Vorstand, und der Vorstand hin­ter dem Beirat ...

Abgesehen vom Versteckspielen weist die neue Leitungskonstellation ja die schöne Komponente auf, dass hier eine langjährige Kulturarbeiterin aus dem Bereich der freien Szene auf einen erfahrenen Festivalleiter trifft. Spiegelt das auch die Idee des Festivals wieder?
BM: Das konkrete Ansprechen und Einbinden von Kulturinitiativen war be­stimmt auch in den ersten Ausschreibungen ein starker Fokus, das ist aber über die letzten Jahre genauso passiert. Ein Ferry Öhlinger oder noch intensiver ein Martin Fritz haben immer diesen Ansatz verfolgt, mit den Leuten vor Ort zu arbeiten und diese zu stärken.
GH: Das ist ja auch nahe liegend. Diese Regionen sind vielleicht 50 km von Linz entfernt, und dort ist ja kein kulturelles Papua-Neuguinea. Jede Ar­ro­­ganz oder didaktische Ambition ist da völlig fehl am Platz.

Der Name Gottfried Hattinger ist mit unzähligen Ak­tivitäten im Kunst- und Me­dienbereich verbunden. Du bist u.a. als Co-Leiter der Münchner Thea­ter­bi­en­­nale Spielart tätig, Mitherausgeber des Kunst­jahr­buchs kursiv und hast auch das Festival Kon­tras­te in Krems mitkuratiert. Inwiefern werden dei­ne brei­ten Interessen in die Programmatik einfließen?
GH: Ich vermute, dieses breite Spektrum war letzt­­lich das Argument für mei­ne Bestellung. Ich wer­de mich sicher nicht auf ein Genre konzen­trie­ren sondern diese Frage total offen lassen. Was vielleicht weniger vorkommt, ist das Thea­ter, aber an­sonsten möchte ich von Performance über Musik bis bil­dende Kunst nichts ausschließen und auch die einschlägigen Szenen einladen, wenn es so­weit ist.

Wirst du die eine oder andere Tätigkeit „opfern“ müs­sen?
GH: Mein Agreement mit dem Vorstand ist, dass ich München auf jeden Fall beibehalte. Dort ar­bei­te ich nur konzeptiv und habe keinerlei orga­ni­sa­to­rische Aufgaben. Aufgegeben habe ich Krems, das war aber sowieso schon an der Grenze.

An der Grenze hinsichtlich der Zeitressourcen?
GH: Ja, das war relativ anspruchsvoll in der Pla­nung. Es ist aber von den Nie­derösterreichern auch ein merkwürdiger Quotendruck gekommen, den ich schon seit zwei Jahren kritisiert habe. In letzter Zeit hat sich das noch ver­stärkt. Krems haben mein Berliner Kollege Matthias Osterwold und ich jetzt gemeinsam aufgegeben. Dort sucht man jetzt nach neuen Strukturen, was nach fünf, sechs Jah­ren vielleicht ohnehin nicht so schlecht ist. Die Or­­ganisation war jedenfalls so eine hybride An­ge­legenheit im Umfeld des Lan­des Niederösterreich und wurde von der jungen Szene nicht akzeptiert. Da bekommt ein Festival schnell einen ge­wis­sen Stallgeruch.

Wie siehst du diesbezüglich die Kulturpolitik in Ober­österreich?
GH: Ohne mich jetzt anbiedern zu wollen, finde ich, dass die Kulturpolitik hier noch eine der bes­ten in Österreich ist. Die Leute im Kulturamt sind alle sehr engagiert. Das sind gute Typen und es gibt relativ wenig bürokratische Hemmnisse – im Gegensatz zu Niederösterreich, wo jede kleine Fuf­fi-Orga­ni­sation eine GesmbH mit zwei Ge­schäfts­führen ist und der künstlerische Lei­ter immer sub­altern ist.

Machen wir noch einen Schwenk zum Budget. 2009 war auch in finanzieller Hinsicht eine Ausnah­me­si­tu­ation. Mit welchen Anforderungen geht ihr in die Gespräche hinein, was ist für euch unbedingt notwendig?
BM: Ausnahmebudgets hat es immer wieder ge­ge­ben, 2005 im Rahmen des Stifterjahres, früher waren es einmal EU-Gelder. 2011 wird es aber hin­sicht­lich des Budgets sicher wieder ein einfacheres Festival geben. Es gilt jetzt, Gelder zu lukrieren und herauszufinden, inwieweit wir neue Töp­fe ansteuern können.

Eine Stabilisierung des Basisbudgets auf höherem Niveau ist also nicht in Sicht?
BM: Angedacht ist das natürlich …
GH: … angewünscht!
BM: Ja, aber zur Zeit müssen wir eher schauen, dass wir es auf normalen Niveau hinkriegen. Uns wurde bereits eine Kürzung der Förderungen an­ge­kündigt, von der wir noch nicht wissen, wie hoch sie ausfallen wird.
GH: Das ist schon ein Handicap für einen neuen künstlerischen Leiter, gleich einmal mit einem klei­neren Basisbudget operieren zu müssen. Das 09 eine Ausnahme war, ist schon klar. Ver­han­deln werden wir jedenfalls erst im März.

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01/10
FotoautorInnen: 
Wolfgang Schmutz

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