Aus der Ferne – Heimisch
Die Linzer FPÖ und ihre Mandatare machen sich also laut einem Zeitungsartikel vom 17.12. 2009 Sorgen um Kunst und Kultur. Die Linzer FPÖ macht sich sehr oft Sorgen um viele Dinge, um die Kunst und Kultur allerdings erfahrungsgemäß nur dann, wenn sie deren Reinheit und nationale Ausrichtung in Gefahr sieht. Und richtig, genau darum geht es offenbar. Teile des Kulturbudgets 2010 gäben, so die FPÖ, Anlass zur Sorge, dass „bei heimischen Künstlern gespart werden würde“. Abgesehen davon, dass laut dem Kulturreferenten das Kulturbudget gleich hoch wie im letzten Jahr dotiert ist, erfordert dieser freiheitliche, sorgenvolle Blick auf die heimische Kunst- und Kulturszene einen zweiten nicht weniger sorgenvollen und auch den Versuch einer Definition des Begriffs „heimisch“ und somit des Begriffs Heimat. Mit welchem Recht, frage ich mich, rissen und reißen noch immer die Rechten die Deutungshoheit des Begriffs Heimat an sich, füllen das Wort mit ihren stereotypen, geschichtslosen Inhalten und leiten daraus Grenzziehungen ab, die nichts mit der genealogischen Realität der ÖsterreicherInnen zu tun haben. Ich erinnere mich dabei an eine Diskussion mit einem Linzer FPÖ-Mandatar über Heimat vor circa eineinhalb Jahren, in der ich ihm begreiflich zu machen versuchte, dass es durchaus auch Menschen gab und gibt, die nach dem zweiten Weltkrieg ihre Heimat nicht wieder erkannten, und zwar keineswegs, weil sie ein Problem mit Österreich oder Heimat hätten, sondern weil sie ein Problem mit dem rechten, nationalen, tumben, höchst unappetitlichen Treiben haben, das sich wieder und immer noch in dem Land meiner Großmütter (Großväter gab es in der Tat keine) breitmacht. Und auch wenn ich selbst mich eher als Internationalistin als sonst etwas bezeichnen würde, bedeutet dies noch lange nicht, dass ich den Rechten so mir nichts dir nichts Begriffe wie Heimat überlasse und schon gar nicht den Begriff heimische Kunst. Ist denn Kunst jemals heimisch, oder ist es nicht vielmehr Aufgabe der Kunst, gerade unheimisch zu sein, das Heimische zu entlarven als eine Ansammlung von Artefakten, die Geschichte und Mythen als Legitimation von Grenzziehungen wieder und wieder erzählen, wiederkäuend, gebetsmühlenartig. Wer Geschichte erzählt, hat Recht und gerade deshalb ist es notwendiger denn je, dieses hierarchische System zu hinterfragen und neue Geschichten zu erfinden und zu erzählen, um Menschen nicht länger in einer tauben Blase voll alter, angeblich traditionsbehafteter Sicherheitsgurte zu belassen, deren Aufgabe es nicht mehr und nicht weniger ist, als sie davor zu schützen, neue, eigene, in der Tat und möglicherweise nur für eine Sekunde lang gültige heimische Geschichten zu erfinden und zu erzählen. Vorsicht ist immer dann geboten, wenn Menschen die immer gleichen Lieder singen, die immer gleichen Geschichten erzählen, ohne sie auf ihre systemerhaltende Aufgabe zu überprüfen, weil Kreativität und Phantasie erst dann sich entwickeln, wenn Bewusstheit über das Gesungene und Gesagte Platz greift, und Kunst somit erst dann stattfindet, wenn genau diese Bewusstheit Raum für Neues, Un-heimisches schafft. Heimat ist keineswegs ewig, sie ist wahrscheinlich sogar das genaue Gegenteil davon, und in Gefahr gebracht wird sie in erster Linie von jenen, die meinen, sie sei auf Nationalität und Staatsbürgerschaft beschränkt.
„Home is the place you left“ – ein Satz, der in den letzten Jahren in verschiedenen künstlerischen Arbeiten als Titel oder als Teil fungierte, die sich auf sensible Art und Weise mit dem Begriff Heimat auseinandersetzten, wird gerade deshalb zu einem letzten und letztgültigen Rückblick, der eine gewisse, keineswegs zynisch gemeinte, Freiheit beschreibt, mit der man auf die oftmals erzwungene Aufgabe dessen, was man Heimat nannte, schauen und sich davon lösen kann. Eine politische Partei, die sich diesen Entwicklungen bewusst verschließt und nach wie vor von „heimischen“ Künstlern spricht und dabei in Wahrheit nichts anderes als eine Grenzziehung zu nicht-heimischen KünstlerInnen macht, stellt sich damit unweigerlich selbst ins Aus und beraubt sich jeglicher Legitimation auch nur einen weiteren Satz über Kunst – ob nun heimisch oder nicht – zu verlieren.
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