TEXTA sind dagegen
Auf ihrem sechsten Album hat sich sowas wie eine gewisse Abgeklärtheit eingeschlichen. Routine im besten Sinne, gewissermaßen. Vorbei die etwas trashigen Sounds und Arrangements der Anfänge, als man das Genre noch für sich entdecken und die Skills entwickeln musste, vorbei auch die selbstbewusste und gelungene Leistungsschau des letzten Albums „so oder so“, hier geht’s ganz klar um Inhalte und Selbstverständnis. Insofern mag man das Album auch ein wenig als Selbsterklärung verstehen: Texta widmen dieses Album wohl am ehesten sich selbst und finden in vielen Tracks die Gelegenheit, sich selbst zu reflektieren und zu positionieren. Kein Konzeptalbum, aber ein Attitüdenalbum. „Das ist natürlich das Alter“, meint Rapper Huckey im Gespräch, „wir sind ja fast alle weit über dreißig oder schon über vierzig. Was sollen wir da noch auf jugendlich machen?“
Hip Hop wird in der Öffentlichkeit vor allem als sexistisch, materialistisch und gewaltgeil wahrgenommen. Einerseits ist das aufgrund der medialen und kommerziellen Verwertung (und auch Selbstinszenierung) von Teilen des Genres keineswegs verwunderlich, anderseits halt doch nur die eine Seite der Medaille. Denn es gibt ja auch die anderen: „Wir sind ja das genaue Gegenteil, deswegen heißt das neue Album auch ‚Paroli‘. Irgendwer muss ja dagegenhalten“. Insofern verwundert es nicht, dass das aktuelle Album als das bislang politischste erscheint. Ohne Zeigefinger werden homophobe Gangster-Rapper abgewatscht und politische (Selbst-)Erkenntnis bzw. Aktivismus eingefordert. Statt Altersmilde stellt sich fast eine gewisse Altersradikalität ein – schon die ersten Minuten des Albums sind ein Rundumschlag gegen Musikindustrie, Rap-Mythen, Christen, Medien, Berlusconisierung und ein deutliches Statement, es selbst anders, ja besser machen zu wollen und zu können.
Insofern ist „Paroli“ tatsächlich das im Pressetext beschriebene „elder statement“ der fünf Texta-Burschen. Doch keine Bange: Zwischen Philosophie und Politik bleibt auch genug Platz für das Texta-typische Storytelling („Die Faust“) mitsamt dazugehörigem Witz („So könnt’s gehen“). Auch die genre-immanente Lust am Kooperieren mit anderen Artists ist ihnen erhalten geblieben. So hört man den Urban-Sprawl-Sänger Wenzel Washington („Ups & Downs“), die Attwenger („So schnö konnst gor net schaun“), und der Track „Jugend ohne Kopf“, ein Zwiegespräch zwischen den alten Hasen TEXTA und der Linzer Nachwuchshoffnung AVERAGE MC, ist eines der Highlights des Albums. Daneben gibt’s ein fantastisches Interlude vom Tonträger-Poeten Ovo, das eigentlich das mutigere Albumintro gewesen wäre, sowie auch noch einen Song mit Gastrapper und Wahllinzer Nikitaman („Kein Problem“) und den einen oder anderen geborgten Beat.
Insgesamt ein wundervolles Album, das wie jede anspruchsvolle Hip Hop Scheibe eine gewisse Zeit zum Reinhören abverlangt. Die eine oder andere Kante hätte man vielleicht noch ausfeilen können, aber zu glatt will man sich TEXTA ja auch nicht vorstellen. Für die Fans: Eine limitierte Auflage von „Paroli“ enthält eine DVD, unter anderem mit allen TEXTA-Videos und einem Live-Mitschnitt vom letzten Donauinselfest („Da haben wir gerade Geld vom österreichischen Musikfonds gehabt und haben gesagt: Jetzt oder nie! Unglaublich, was so ein Livemitschnitt kostet.“). Für die, die Hip Hop langweilig und/oder dumm finden: „Paroli“ ist eine Spitzenmöglichkeit, sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Zeit nehmen, anhören, erkennen!
Who the fuck is TEXTA?
Als TEXTA zu Beginn des vorangegangenen Jahrzehnts zum ersten Mal eine komische Musik namens „Hip Hop“ nach Linz bringen wollten, waren etliche Mitmenschen skeptisch. Nur mit Mühe und Not durften die ersten Hip Hop Jams in der KAPU stattfinden, skeptisch beäugt von der Punk- und Hardcore Elite. Eineinhalb Jahrzehnte später hat die Popgeschichte den damaligen Visionären rechtgegeben: Hip Hop ist heute größer als Jesus, und TEXTA gelten als Personifizierung von österreichischem Sprechgesang. Unzählige Konzerte und Jams zwischen Kufstein und Kuba, etliche Videos, Singles und Kooperationen. Airplay und Chartsieger bei FM4, Amadeus-Nominierung, internationaler Respekt von den KollegInnen; nur leben, ja leben kann man davon halt immer noch nicht: Am Wochenende auf den Bühnen, die die Welt bedeuten, dazwischen leider immer noch an diverse Büro- und Kulturjobs gefesselt. Österreich ist ein kleiner Musikmarkt, und Dialekt-Rapper haben’s im Ausland natürlich schwer.
„Wir mussten Hip Hop ja neu erfinden für uns“ beschreibt Huckey, Rapper bei Texta, die schwierigen Anfänge. Dementsprechend trashig klingen vom heutigen Standpunkt aus die damaligen Aufnahmen. Doch die Entwicklung erfolgt rasant: Nach den ersten Gehversuchen in den 90ern, in denen TEXTA durchaus den Grundstein für die jetzt so lebendige (und überaus erfolgreiche) Linzer Hip Hop Szene legten, konnte man spätestens mit dem zweiten Album „gegenüber“ (1999) auch Musikinteressierte außerhalb der eigenen Community überzeugen – über 15.000 verkaufte Scheiben sind für den österreichischen Musikmarkt eine gewaltige Menge! Mit dem übernächsten Album „so oder so“ (2004) hatten TEXTA definitiv ihren auch im internationalen Vergleich hohen Qualitätsstandard erreicht: Eine unglaublich vielfältiges, experimentierfreudiges Scheibe mit Ecken und ein voller Erfolg bei KritikerInnen und Fans (Platz 1 in den FM4-Singlecharts und mehrere Wochen in den österreichischen Albumcharts).
Doch auch abseits der Bühne sind TEXTA HipHopper jenseits des Klischees und eifrige Aktivisten der regionale Szene – keine Selbstverständlichkeit für Musiker weit jenseits der 30. Mit ihrem selbstverwalteten Label „Tonträger Rec.“ bieten sie eine erfolgreiche Plattform für etliche lokale Artists, darunter erfolgreiche Linzer Acts wie „Die Antwort“. Gemeinsam mit dem Nachwuchs organisierten sie 2005 das Hip Hop Mammutprojekt „Die Unsichtbaren“, aktuell sind sie mit den „Tonträger Allstars“ unterwegs. Die TEXTA-Mitglieder veranstalten regelmäßig Hip Hop Jams abseits des Mainstream in Linz und arbeiten mit internationalen wie hiesigen Acts zusammen.
Texta: MC Flip, MC Laima, MC Huckey, MC Skero, DJ Dan
www.texta.at
Texta: „Paroli“ (CD+DVD oder DoLP), Geco Tonwaren/Hoanzl
Ab 14. September 2007 in den Läden!
CD-Präsentation: Fr 14.09., 20.00 h, Posthof.
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